Ich würde mal so sagen, dass die Mehrheit der Anime-Fans mehrere Phasen durchläuft. (Warnung: Übertriebene Generalisierung und nicht ernst gemeint)
Zunächst schaut man so die beliebtesten Anime. Sei es der große Shonen, irgendwas Isekai, was halt gerade so angesagt ist. Und sucht primär erstmal in diesem Pool. Danach fängt man an, blind alles mögliche auszutesten, besonders solche, die von "Gurus" empfohlen werden. In der Phase fängt man nach und nach an, zu behaupten, dass die ganzen Mainstream-Anime absoluter Müll sind, und Cowboy Bebop und Konsorten absolute Meisterwerke. Ein Stückweit dadurch dass vielleicht ein paar der Anime, die man vorher kannte, tatsächlich objektiv schlechter waren, wer weiß. Grundsätzlich entwickelt sich einfach ein höherer Anspruch, weil man einfach "mehr" von seinen Serien will. Das ist mehr oder minder die Mutation zum selbsternannten Guru/Connoisseur, je nachdem welche Bezeichnung man lieber hat.
... und unabhängig davon, ob es jemand jemals zum Guru, Connoisseur oder Elitisten schafft oder nicht, am Ende landen alle wieder in derselben Phase: Und zwar der, dass man einfach drauf pfeift, was gerade beliebt ist, was als "gute" oder "schlechte" Anime gesehen wird, und einfach schaut, was einem gefällt. Welche Genres einem zusagen sagt in etwa soviel über die Intelligenz oder Belesenheit eines Menschen aus wie seine Lieblingsfarbe. Wer nicht aus der "Elitistenphase" rauswächst, ist effektiv einfach in der Anime-Pubertät stecken geblieben, in der es irgendwie eine Tier-List geben muss, man muss sich ja irgendwie (möglichst gehoben!) von der Masse abgrenzen, kann ja nicht passieren dass man genau das mag was populär ist! Wir sind ja soviel besser als das! Hust.
Ich gebe zu, ich war mal leicht "elitistisch" angehaucht in meinen jüngeren Jahren. Halt das klassische "Ich vermeide die ganzen Mainstream Animu, und das is minderwertiger Kram, und geh mir weg mit diesem SAO Quatsch." - heute schaue ich gerne One Piece, Conan, BNHA und Konsorten und denk nicht über solche Dinge nach. SAO habe ich weiterhin nicht geschaut, aber ich reds nicht mehr schlecht. x'D Ich mein, ein paar von uns hatten zumindest Züge davon. Es passiert den meisten, dass sie unterbewusst doch ein wenig Gatekeeping betreiben wollen, besonders wenn die Szene ursprünglich kleiner war.
Bei mir handhabt es sich einfach so: Ich schau, was mir gefällt. Ist es gerade der Shonen der Saison? Cool. Ist es ein obskurer Anime aus der vorvorvooorletzten Saison? Cool. Ist es trash? Auch cool. Ist es ein Meisterwerk? Supercool, empfehl ich halt auch weiter. Ich hab viele guilty pleasures die vielleicht nicht als "Meisterwerk" durchgehen müssen, aber darum geht es imo auch garnicht. Anime ist ein Medium, und man kann Medien unterschiedlich einsetzen - und wenn es mich nicht geistig groß bereichern kann, soll es im Mindestmaß unterhalten, und viele der "schlechteren" oder "overhypten" Anime tuns das auch für mich. Und ob jemand nur SAO und andere Isekai-type Anime schaut, oder nur Shonen, oder nur obskuren Kram, oder in den 80-90s hängenbeblieben ist, kann mir effektiv egal sein. Man tauscht sich doch gerade deshalb aus, weil es unterschiedliche Geschmäcker gibt.