• Ach, ich hab auch echt zu viel Langeweile. Egal, wenn ich schon rumschreibsel, kann ich es genauso gut online stellen, also viel Spaß oder so^^




    Stille



    "Wieso?", schluchzte die Stimme in meinem Kopf. Ein weinerliches, leises und doch alles durchdringendes Geräusch, das sich sanft vor dem Brüllen des Sturms behauptete. Tapfere kleine Stimme. Ich wünschte so sehr, der Sturm würde sie zerstören.
    Doch egal, wie sehr ich auch hoffte, das zarte, kaum merkliche Schluchzen, das verzweifelte Flehen nach einem Grund in meinem Kopf setzte sich gegen den Orkan durch. Das tausendfache Echo zerberstender Regentropfen auf dem unnachgiebigen Asphalt, das bedrohliche Grollen und Flackern, welches den Himmel durchzog, das Schreien des Windes konnte das klägliche Schluchzen nicht verdecken. Und egal wohin ich rannte, durch die Nacht und den Stürmen aller Zeiten, sie würde mich verfolgen. Denn es gab kein Entkommen, vor nichts im Leben.
    Ich breitete die Arme aus und reckte mein Gesicht gen Himmel, während meine Haare wirr durch meine Sicht zogen, als wollten sie einen schützenden Vorhang bilden, der mich vor dem Unwetter bewahrte. Energisch wischte ich sie weg und schloss die Augen, während der Wind über mich fegte und meine ohnehin triefenden Kleider mit Regen durchtränkte. Nass und nasser. Mehr, mehr Sturm...
    Ohne es wirklich begründen zu können lachte ich laut auf. Die Welt ging unter! Wenn sie erstmal hinfort gefegt war, würde ich die Stimmen alter Geister nicht mehr hören, denn am Ende war es still. Letzten Endes war immer alles still, war immer alles still gewesen.
    Ich wartete auf den nächsten Blitz, der mich mitnehmen würde. Fort von all dem Lärm.
    "Wieso?", weinte das Kind mir ins Ohr, welches nicht da sein sollte. Ich hatte bereits versucht mich umzudrehen, doch egal wie oft ich suchte, niemals war es da gewesen. Geister der Vergangenheit konnte man nicht fassen.
    "Wieso? Wieso?" Wie in einem immerwährenden Gebet, Tag und Nacht, Nacht und Tag. Immer wieder und wieder und wieder gegen jeglichen Verstand und alle Logik dieser Welt protestierend. "Wieso?"
    Wieso nur klang es wie ein Fluch, eine Klage, eine Bitte und wie aller Schmerz dieser Welt? Dieses Wort! Wie ich wünschte der Wind würde es fortreißen bis zum Ende, zum Untergang der Welt herumwirbeln, bis keinerlei Bedeutung, nicht eine Silbe davon übrig blieb. Aufdass der Regen es fort spüle, der Blitz es versenge, die Hölle dieser Erde selbst sich seiner annehme.
    "Wieso?", fragte mich die Stimme, aber ich lachte nur laut auf, um sie zu vertreiben. Wer fragte schon nach dem Grund? Die Welt, meine Welt ging endlich unter! Wen interessierten schon Gründe, wenn danach alles still war? Oh, wenn doch nur alles still wäre! Wenn es nur einmal wirklich still gewesen wäre, ohne die Stimmen, die mir meinen Verstand zerfraßen, an mir zogen und zerrten, bis endlich alles, alles ruhig sein würde.
    Mein Gesicht war so nass, dass es mich wunderte es nicht durchweicht, aufgelöst davon schwimmen zu sehen. Fort mit den Flüssen aus Regenwasser, die sich auf dem Asphalt gebildet hatten und eine bewegte See um meine Knöchel bildeten. Ich spürte das Gewicht der Tränen nicht, die sich wider allem Trotz einen Weg an die Oberfläche gebahnt hatten und langsamer als der Regen an ihm herab rannen.
    Ich lachte, lachte, dann sank ich auf die Knie, das Gesicht gen Himmel und hörte nicht auf zu lachen über den Orkan, der an mir riss.
    Erst die Stimme der Frau erreichte mich in meiner Welt, meiner verendenden Welt.
    "Anna? Du holst dir ja den Tod! Was tust du hier?"
    Ich machte mir nicht die Mühe mich umzudrehen. Ich kannte die Stimme und wusste was sie sagen würde.
    "Ich hab dich gesucht! Du warst nicht in deinem Zimmer, ich dachte dir sei was passiert. Wirklich, ein dreizehnjähriges Kind im Sturm...Was sollen die Nachbarn denken?"
    "Ich hör dich nicht", wisperte ich in den Sturm, den Kopf immernoch nach oben gerichtet, nur damit der Wind meine Worte verwehen konnte, genau wie er es nicht mit der Stimme in meinem Kopf tat. Ich wusste, die Frau würde mich nicht hören. Sie stand immernoch hinter mir, als ihre Tonlage schärfer wurde, ein sich überschlagendes, schneidendes Kreischen:
    "Wieso muss ich dein Leben für dich regeln?"
    In entbrannter Wut packte meine Mutter mich am ausgebreitetem Arm und drehte mich hart herum. Ich hörte auf zu lachen und schaute tränen- und regenüberströmt in Augen, die viel zu weit entfernt waren. Es würde heute nicht ruhig werden. Vielleicht garnicht mehr.
    "Ja...", sagte ich, während ich spürte, wie mein Herz immernoch vergebens nach dem Wind schrie. Und unter Zittern, brachte ich nur ein ersticktes: "Wieso eigentlich? Wieso?" hervor.



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    Danke für's Lesen, Kritik und Kommentare aller Art (solange nicht destruktiv) sind immer willkommen...^^

    "Fedrig stark sind meine Schwingen
    Und obwohl ich schwer wie Blei
    Kannst du mich nicht mehr bezwingen,
    Bin ich endlich federfrei. "