(...) und mich würde mal interessieren, ob man heute denn nun schon mehr über das Motiv der Amokläufer weiß. Bisher hieß es ja immer nur, sie wären Außenseiter gewesen und dazu depressiv. Meine Recherchen haben aber ergeben, dass das nicht wirklich stimmt. Sie hatten Freunde. Einer ihrer Freunde wurde sogar beim Amoklauf verschont, sie ließen ihn einfach gehen. Sie hatten nicht weniger, oder mehr Freunde, als der Durchschnitt.
Dylan befand sich, meiner Einschätzung nach, anfangs in einer verzwickten Situation der Abhängigkeit zu Eric. Dylan hatte zwar durchaus viele Freunde, fühlte sich aber allein. Seine Eltern liebten ihn, aber er fühlte sich nicht geliebt. Er war überdurchschnittlich intelligent (in seiner frühen Schulzeit nahm er an einem Programm für hochbegabte Kinder teil), fühlte sich aber nicht so - es war ihm mit steigendem Alter eher unangenehm. Sein Selbstwertgefühl war praktisch gar nicht vorhanden. Eric war da anders, nahm ihn quasi so ein bisschen unter seine Fittiche.
Auch wenn Eric ein Freund von Dylan wurde, äußerte er einmal dass Eric "verrückt" sei. Er hatte mehrfach versuche angestellt, sich von Eric zu distanzieren und zu lösen (im Buch: Kapitel 12 Verhängnisvolle Dynamik, S. 252). Und das ist wahrscheinlich das wirklich tragische daran: Dylan war in seiner depressiven Persönlichkeit zu schwach um sich abzunabeln. Hätte man seine Depressionen früher erkannt, hätte man eventuell Columbine sogar verhindern können. Aber das ist nur eine Vermutung.
Und auch die Depression war nicht so stark ausgeprägt, als hätte es dort zu Komplikationen geführt.
Das stimmt so nicht ganz.
Und auch die Depression war nicht so stark ausgeprägt, als hätte es dort zu Komplikationen geführt. Ihre Tagebucheinträge waren auch ziemlich komisch. Erst waren sie extrem liberal (gegen Rassismus) und dann wollten sie, dass am liebsten alle sterben würden.
Unerklärlich für mich ist immer noch, wie die Eltern nie etwas gemerkt haben. Wie geht denn sowas?
Dylan Klebold war höchst depressiv, was allerdings erst posthum durch die Sichtung all seiner Unterlagen etc festgestellt werden konnte. Weil er sich deshalb, wie es tatsächlich oft schwer depressive Menschen tun, gefühlsmäßig extrem zurückzog und seine Depression nach außen hin sehr stark verbarg und, sogennant, "weglächelte". Es schöpfte keiner Verdacht. Rückblickend sagt seine Mutter, dass ihr nun einige zunächst unscheinbare Situationen, verdächtig vorkommen.
Es überraschte mich überhaupt sehr, wie ambivalent und vor allem gegensätzlich die Persönlichkeiten der beiden Täter waren.
Beide hatten psychotische Züge, bei Eric paarte sich das jedoch noch zusätzlich mit stark psychopatischen Anteilen bis hin zu Größenwahn. Seine Tagebücher sind sehr gewaltverherrlichend; er schreibt von Vergewaltigungsfantasien und Mordabsichten, zitiert immer wieder missbräuchlich aus Rammstein Songtexten, hält sich für eine Art Gott. Er schreibt fast ausschließlich von Hass.
Dylans Tagebücher hingegen sind, bis auf wenige Ausnahmen (die letzten Seiten kurz vor der Tat), das absolute Gegenteil. Das Wort, dass am meisten Verwendung findet ist: Liebe. Er zeichnete Herzen und schrieb Gedichte über Liebe, schwärmte über viele Seiten hinweg von einem (oder mehrere, das weiß man heute nicht so genau) Mädchen in das er verliebt war und wie sehr es ihm weh tut, dass sie ihn wahrscheinlich nicht mal wahrnimmt oder kennt.
Er schreibt über sein Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören und "gefangen" zu sein im Menschsein, weshalb er irgendwann einen starken Wunsch nach dem, seinen, Tod entwickelte.
"Erics Gedanken sind verstörend, Dylans Denkprozesse sind gestört. Der Unterscheid besteht darin, was Eric denkt und wie Dylan denkt."
Erst in Kombination mit Erics Gedankenhass verloren sich beide in eine Wahnvorstellung des tötens.
In dem Jahr, wo sie dann anfingen, sich das Waffenarsenal zusammenzusammeln, verloren beide quasi immer mehr den Verstand...
Sie haben sich gegenseitig praktisch richtig "angeheizt".
Im Buch wird das auch nochmal näher erläutert.
Erst waren sie extrem liberal (gegen Rassismus) und dann wollten sie, dass am liebsten alle sterben würden.
-> Das mit dem "extrem liberal und gegen Rassismus" und dem späteren "plötzlich wollten sie dass alle sterben" wird im Buch auch aufgegriffen.