Ich habe in meiner Jugend zwei größere Gedenkstätten besucht. Das Vernichtungslager Auschwitz in den 90ern mit einer kirchlichen Jugendgruppe und das KZ Buchenwald im Rahmen einer Schulreise. In den letzten Jahren war ich auch immer mal wieder bei kleineren Gedenkorten zum Beispiel hier in Wuppertal an der Gedenkstätte KZ Kemna.
Wenn ich ehrlich bin habe ich diese Besuche damals nicht so tief empfunden wie man es vielleicht erwarten würde. Es war etwas Besonderes, ja, aber nicht ultimativ bedrückend. Das lag sicher auch daran, dass ich vieles schon aus Büchern und Dokus kannte. Dazu kommt, in den 80er- und 90er-Jahren ging man mit Tod, Leid und Geschichte oft distanzierter um als heute meiner Meinung nach. Man hat Dinge einfach hingenommen ohne groß emotional zu werden. Vielleicht spielte auch die gesamtdeutsche Verdrängungskultur eine Rolle. Nach dem Motto: Es ist zwar passiert, aber wir müssen ja nicht ständig drüber reden.
Dazu kommt meine familiäre Geschichte. Mein Großvater war von klein auf Teil des nationalsozialistischen Systems. Erst in der Hitlerjugend und später als Offizier im Zweiten Weltkrieg. Er war nicht einfach nur irgendwie dabei sondern war Idiologisch gefestigt. Das Schicksal der Juden und anderer Verfolgter hat ihn überhaupt nicht berührt. Für ihn waren diese Menschen schlicht ohne Bedeutung. Wie weit er konkret in Verbrechen verwickelt war lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Aber seine Haltung allein war aus heutiger Sicht schon erschreckend genug. Eine kalte Gleichgültigkeit gegenüber dem Wert von Menschenleben und gleichzeitig war er mein herzlicher und lieber Opa. Vielleicht habe ich von dieser Einstellung als Jugendlicher mehr übernommen als ich zugeben möchte. Kann man mir vorwerfen aber ändert auch nichts mehr.
Seit meinen Mitte Zwanzigern habe ich mich ganz anders mit dem Thema auseinandergesetzt und dadurch viel mehr Empathie und Bewusstsein entwickelt. Mich beschäftigen gerade die kleineren Gedenkorte in der eigenen Umgebung stark. Da wird klar, das war nicht „irgendwo weit weg in Polen“, sondern direkt hier vor der Haustür. Und je weiter diese Ereignisse zurückliegen, desto wichtiger ist es daran zu erinnern um sie nicht zu vergessen oder zu verwässern.
Einen Besuch würde ich daher auf jeden Fall empfehlen. Egal ob KZ oder Kleine Gedenkstätte. Aber ich denke auch, das man die innere Reife haben sollte sich dem stellen zu können. Eine Gedenkstätte ist kein Touristenziel das man mal eben. Aber Hauptsache man nimmt etwas mit. Manchmal sofort und manchmal (wie bei mir) erst Jahre später.