Erstmal danke dass du das Thema eröffnet hast. Ich habe in letzter Zeit so oft mit Leuten darüber gesprochen...
Wobei ich nicht nur von Schulnoten rede. Aber da geht es ja schon los.
1. Der Deutschunterricht. Das typische Beispiel. Ich hatte Ende Klasse sieben pro Halbjahr 3 Deutscharbeiten. Resultat: 3-, 4, 2-.
Erstes halbes Jahr Klasse 8: Wieder 3 Arbeiten. Resultat: 2-, 2, 1-. Das ist schon eine drastische Steigerung. Zumal meine Lehrerin in Klasse 8 neu war und erst an die Schule gekommen war. Sie hatte also eine Menge Erfahrung gegenüber der Anderen gutzumachen. Noten sind hier meiner Meinung nach schlecht. WIe bewertet man objektiv einen Aufsatz? Eine Textinterpretation? Ja richtig, es heißt TextINTERPRETATION, da kommt eigene Meinung mit rein. Objektivität ist einfach nicht gegeben wenn man nicht wirklich den perfekten Lehrer erwischt. Meine Deutschlehrerin von Klasse 8 hatte sich in Klasse 10 so weit entwickelt, dass sie bei Interpretationen alles akzeptiert hat, solange es nur vernünftig begründet und belegt war. Das rechne ich ihr noch heute hoch an.
2. Das klassische Gegenbeispiel: Mathe. Hier ist nicht viel Platz für Interpretation. Man kann wenig argumentieren und eigentlich auch immer nachvollziehen (als Lehrer), ob die Schüler den Ansatz und die Idee verstanden haben. Und dort wo mehrere Möglichkeiten funktionieren, liegt es am Lehrer, das zu bewerten. Ich hatte ein Wahnsinnsglück, dass mein Lehrer jeglichen Ansatz, der zielführend war, hat gelten lassen.
Aber auch hier gibt es Unterschiede. Ich hatte eine Mitschülerin. Sie war sehr gut in den meisten Fächern, auch in Mathe. Aber jeder wusste: die kann auswendig lernen. Was sie in Mathe auf ihre Noten gebracht hat war (ich unterstelle es ihr einfach mal) Patternmatching. Sie hat geschaut: Welchen Typ Aufgabe habe ich und was muss ich dazu machen? Bis das Ganze in einer Arbeit schief ging, weil wir einen neuen Aufgabentyp bekommen haben. Dasselbe gilt für Physik. Auch hier hatte ich einen Mitschüler, der einfach nur Patternmatching angewandt hat. Und so kann man jedes Fach einzeln abarbeiten...
3. Die Bedeutung der Noten.
Warum bitte sollte ein 1,4 Schüler besser im Medizinstudium sein als jemand mit 2,5, aber Herz für die Sache? Das ist einfach traurig. Warum kann man nicht Gespräche und Tests machen? Warum kann man nicht alle annehmen und eben aussieben? Jetzt kommt mir bitte keiner mit "Das würde die Kapazitäten sprengen." Es ist in Frankreich der gängige Standard und es gibt enorm viele, die nicht durchkommen. Aber es hat eben (fast) jeder die Möglichkeit. Auch hier in Deutschland. Ich studiere Informatik. Es gibt zu (reiner) Informatik keinen NC. Nirgends wo ich geschaut habe. Und das waren eine Menge Unis. In Folge haben über 450 angefangen. Wir haben den Vorlesungssaal gesprengt. Bestanden haben am Ende ein Hauptfach etwa 130 Leute. Dazu kam noch Mathe. Auch hier die gleiche Anzahl. Die Schnittmenge ist wohl nochmal kleiner. Es geht also doch!
4. Bildung ist Ländersache.
Absoluter Quatsch. Ganz ehrlich: Ich schäme mich ein wenig für mein Abi. Ich habe einen Schnitt von 1,4, und trotzdem hatte ich meine Rekordspielzeiten in allen meinen MOBAs und MMOs in der Oberstufe und vor dem Abi. Ich habe für das Fach, für das ich am Meisten gelernt habe, keine 8 Stunden gelernt. Für das mit dem wenigsten Aufwand fange ich erst gar nicht an. Und das bei dem angeblich "schwereren" G8. Ich kann mit meinem Schnitt Medizin, in guten Jahren Psychologie studieren. Aber sagt mein Schnitt aus: "Hey, der hat fast nichts gemacht und seine Zeit nicht wirklich auf die Schule verwandt" aus? Nein. Trotzdem käme ich ohne zu zögern in Medizin.
Währenddessen kommen andere Leute aus Baden-Württemberg oder Bayern. Sie haben sich abgerackert für ihr Abi und haben 2,5. Grundsätzlich nicht schlecht, aber ich stehe daneben mit meinen 1,4 und schäme mich. Aber gleichzeitig ist ihr 2,5 für eine Bewerbung fürs Studium genauso viel wert wie meins. Ist das gerecht?
Dazu kommen die Punkte, dass Noten keine Intelligenz widerspiegeln und eben auch nicht alles sind.
Aber im Allgemeinen sind sie nur repräsentativ dafür, wie gut man spezifisch lernen kann und eine Widerspiegelung der Leistung des Lehrers im Unterricht, meiner Meinung nach.