Hinter Mauern
Versteck dich hinter Mauern, dicker als das Blut der Welt,
Die hundertfach gebündelt auf den schmalen Schultern liegt,
Und hoffe, dass das Unglück, das erdrückend auf dir wiegt,
Auch irgendwann mit allen Lasten wieder von dir fällt.
Bis dahin ziehe ich mit scharfen Augen um dein Haus,
Flankiere es als Wächter, lass’ die Geister nicht hinein.
Die Lampe wird dir zeigen, niemals sollst du einsam sein,
Und jeder Ruf von draußen treibt die Stille dir hinaus.
Und brauchst du einmal Ruhe, senke ich für dich das Licht,
Lass’ meine Schritte stehen, lehn’ mich an die kalte Wand -
Und nur die Augen wachen, wartend ruht die flinke Hand,
Ein Schimmer dunkler Ahnung zieht sich langsam durchs Gesicht:
Ich bin kein weiser Geist, mach’ mir die Welt nicht untertan,
Kein Flügel trägt mich hoch empor ins helle Paradies,
Ich schaff’ es nicht durch Mauern, nicht ins finstere Verlies,
Und niemals läuft mein Leben nach nur einem festen Plan.
Doch eines werd’ ich schaffen, ich beschütze diesen Stein,
Der leblos und schon bröckelnd in den hellen Himmel reicht.
Ich werde ihn bewachen, bis die letzte Zeit verstreicht
Und irgendwann vielleicht zieht dort die Hoffnung wieder ein.
So warte hinter Mauern, die - von Engeln einst erbaut -
Auch heute noch geborgen bis zu weißen Wolken geh’n,
Doch sollst du nie verlassen durch die hohlen Fenster seh’n,
D’rum stehe ich hier wachend, bis der Morgenhimmel graut.
Der Efeu hält zusammen, was einst zögerlich da stand,
Die grünen Blätter ranken über bröckelnden Verputz,
Gewähren jedem Zweifelnden im Innern treuen Schutz,
Vor dem ich weiter wache, mit den Augen, mit der Hand.
Doch sollte alles Zagen, alles Zögern von dir geh’n,
Renn’ alle Treppen abwärts bis zur Tür aus schwerem Stahl -
Solange werd’ ich warten, hier, am hohen, dunklen Mal,
Bis dann zwei Silhouetten stumm im Licht des Vollmonds steh’n.
Wag dich über die Schwelle, lenk' den Blick nur grad' heraus,
Das Licht ist schon erloschen, kalt erstarrt das Lampenglas,
Und fällt und weckt ein Leuchten dort im weichen, weiten Gras
Komm her, lass dich berühren - und zu Staub zerfällt das Haus.