Kapitel 1 – „eine neue Mission“
Es war ein Tag, ganz nach Samiras Geschmack. Die Luft roch nach Eisen und Staub und die strahlende Sonne erinnerte sie an ihre Heimat. Obwohl sie schon lange in Noxus lebte, hatte sie die Wüstenlandschaft von Shurima nie vergessen. Manchmal vermisste sie den Sand in ihren Schuhen und die fein gewebten, bunten Tuniken der Bürger. Und natürlich ihre Familie.
Ihre Eltern waren Straßenkünstler. Ganz Shurima war von ihren athletischen Sprüngen und eleganten Tänzen beeindruckt gewesen - doch als Banditen ihre Stadt überfielen, wurden sie zur Flucht in eine von Noxus besetzte Stadt gezwungen.
Die Erinnerung schmerzte und nicht selten war sie der Stargast ihrer Alpträume. Samira hatte sich auf dem Dachboden versteckt. Sie hatte zugesehen, wie die Angreifer den Namen eines uralten Magus riefen und ihn auf die Dorfbewohner losließen. All das Grauen, das sie über ihre Freunde brachten... Sie war vor Angst wie gelähmt.
Ein solches Gefühl hatte sie noch nie verspürt, nicht einmal bei ihren gewagtesten Kunststücken. In diesem Moment hasste sie sich selbst - warum tat sie nichts? - und schwor, dass sie sich nie wieder so ängstlich und hilflos fühlen würde.
Noxus bot ihr die Chance, ihren Mut auf dem Schlachtfeld wieder zu finden. Voller Eifer stürzte sie sich in die Schlacht, ungeachtet dessen, was sie erwarten würde. Nie wieder würde sie tatenlos zusehen, wie andere für sie kämpften! Und das sprach sich rum. Nun war sie als die Wüstenrose bekannt, als Draufgängerin. Als furchtlose Kämpferin des noxianischen Regimes.
Und dennoch... die Vergangenheit kann man nicht ungeschehen machen.
Sie trat auf die Hauptstraße, ein Säckchen voll Gold in der gebräunten Hand. Das war ihr Lohn für das Meucheln eines Chemtechbarons, der dem Imperium schaden wollte. Ihr Schwert hatte kurzen Prozess mit ihm gemacht. Ein Schuss aus ihrer Pistole bekundete seinen endgültigen Tod. Ein Kinderspiel. Und sicher, der Auftrag war gut bezahlt worden – allerdings langweilig.
Ein Attentat wie aus dem Bilderbuch – keine Überraschungen, keine Gegenwehr. Nicht ein einziger Mensch kam überhaupt auf den Gedanken, sie zu töten! Und diese nichtsnutzigen Söldner, die man ihr zur Unterstützung zugeteilt hatte, wären auch noch fast dabei draufgegangen. Sehr enttäuschend! Sie hoffte wirklich, dass der nächste Auftrag etwas mehr zu bieten hatte.
Lässig schlenderte sie durch die beengten Straßen von Noxus, eine Münze vor sich hin schnippend, und sah sich aufmerksam um.
Irgendwo hier musste das Haus sein…
Nicht zum ersten Mal verfluchte Samira die noxianische Architektur, auch wenn die Bauwerke durchaus imposant waren. Ständig verlief sie sich, weil irgendwie alles gleich aussah. Die massiven Steinmauern der unzähligen, gigantischen, geradlinig anmutenden Gebäude waren schmucklos, öde und mit Zinnen versehen. Diese Zinnen dienten als Schießscharten im Falle eines Angriffs. Auch wenn es ein Witz war. Kein Reich der Welt würde freiwillig einen Krieg mit dem noxianischen Imperium anzetteln!
Das karge, trostlose Land, auf dem nur wenige Pflanzen wuchsen, war der Grund, weshalb die Noxianer sich mit Waffengewalt alles holten, was sie zum Überleben brauchten. Das hatte sie zu einem starken, wenn auch nicht besonders diplomatischen Volk gemacht. Der wüstenartige, sandig-erdige Boden und die kahlen Felsen, die tiefen Schluchten… nicht gerade das beste Gebiet, um zu überleben. Dennoch war hier das Zentrum der Macht, die unsterbliche Bastion errichtet wurden. Und welche Schrecken in den Mauern dieses alles überragenden Gebäudes versiegelt waren, wussten nur einige Auserwählte…
Während Samira so darüber nachdachte, rempelte sie jemand an. Sie fuhr herum und wunderte sich gar nicht, dass derjenige sie in seiner metallernen Rüstung gar nicht bemerkt hatte. Wie man sich in diesem Fummel bewegen konnte, war ihr schleierhaft. Die Rüstungen der noxianischen Elitekrieger waren aus einem speziellen Metall, das in den Eisenstachelbergen im nördlichen Freljord geschürft wurde. Ein äußerst robustes Erz, das genauso schwer zu bearbeiten, wie zu zerstören war. Kommandantin Indari hatte ihr einmal vorgeschlagen, eine solche Rüstung anzuprobieren, doch Samira konnte sich darin kaum bewegen, obwohl sie nicht gerade schwach war.
Allerdings gab es auch viele Kämpfer, die darin dennoch wahre Meisterleistungen auf dem Schlachtfeld erbracht hatten.
Noxus hatte schon viele Kriege begonnen. Das Königreich von Demacia, die magischen Reiche von Ionia, Shurima, selbst in das kalte Freljord hatte das Imperium seine Grenzen ausgeweitet. Und viele Niederlagen einstecken müssen. Schade, dass Samira nicht dabei war! Gegen die sagenumwobene ein-Mann-Armee aus Ionia hätte sie nur zu gern gekämpft!
Noxus war einfach anders als die anderen Reiche Runeterras. Für diejenigen jenseits seiner Grenzen ist Noxus brutal, expansionistisch und bedrohlich, doch diejenigen, die hinter sein kriegerisches Äußeres blicken, sehen eine ungewöhnlich integrative Gesellschaft, in der die Stärken und Talente seiner Bevölkerung respektiert und kultiviert werden. Loyalität, Stärke, Talent - ganz gleich in welcher Form, wenn man dem Imperium diente, war einem Respekt in Noxus sicher. Es war vollkommen egal, woher man kam, welchen Hintergrund man hatte, oder welche Religion man praktizierte. Selbst als Außenstehende aus Shurima hatte sie in Noxus schnell Fuß gefasst.
Noch immer hatte sie kein Anzeichen von Kommandantin Indari gesehen. Die Kommandantin war vielleicht die Einzige, die sie wirklich verstand. Obwohl Samira eine wahnsinnig gute Kämpferin war, fehlte es ihr an Disziplin. Sie hielt sich nicht an Befehle und eine der schweren Rüstungen der Soldaten trug sie auch nicht.
Ihre Kleidung bestand nur aus Leder und war enganliegend und kurz. In ihr langes dunkles Haar war goldener Schmuck eingeflochten, dessen Muster sich auch an ihren Handgelenken wieder fand. Ihre dunklen Arme waren mit Tätowierungen übersäht, die sie sich nach ihren Aufträgen stechen ließ. Aber zumindest lag sie bei der Farbwahl ihrer Kleidung nicht daneben. Wie bei den meisten Noxianern, war sie in schwarz, grau und rot gehalten - den Farben des Imperiums, die Stärke, Macht und Entschlossenheit symbolisieren sollten. Außerdem bedeckte eine schwarze Augenklappe eines ihrer Augen. Sie hatte es auf einer Mission verloren, weil sie die Befehle ihrer Kommandantin missachtete. Doch sie vermisste es kaum. Vielleicht wollte sie sich nur nicht mehr an den Überfall in Rokrund erinnern.
Dennoch waren die noxianischen Soldaten von ihr begeistert. Samiras Athletik und Geschicklichkeit spiegelte sich in ihrer Treffsicherheit wider, sodass sie zu einer ausgezeichneten Kämpferin wurde. Meistens benutzte sie im Kampf ihre beiden Pistolen, doch wenn sich die Gelegenheit ergab, zog sie auch das Schwert, das sie auf ihrem Rücken trug. Viele Noxianer sahen in Samiras Kampfstil eher eine Show. Sie kämpfte mit Stil und wand sich stehts tanzesgleich durch ihre Gegner. Dass diese dabei meistens ihr Leben verloren, gehörte einfach dazu. Sie hatte eine der höchsten Trefferquoten in ganz Noxus.
Trotzdem hätten die meisten Kommandanten des Imperiums Samira längst aus dem Dienst entlassen. Nur Indari, eine ehemalige Saboteurin, hatte ihre Furchtlosigkeit zu schätzen gelernt und sie in ihre eigene Truppe aufgenommen. Alles lief gut. Obwohl Samira sich blindlinks in den Kampf stürzte, hatten sie nie Schwierigkeiten – im Gegenteil. Sie erfüllten jeden Auftrag schneller und effizienter als jede andere Einheit.
Wenn da nicht der Vorfall in Rokrund gewesen wäre…
Sie kamen in einen Hinterhalt und Indaris Beine wurden zerschmettert, als das Gebäude über ihnen zusammenstürzte. Samira war hineingerannt, um Indari hinauszutragen, obwohl die Kommandantin ihr befohlen hatte, sich in Sicherheit zu bringen. Dabei verlor sie ihr Auge.
Der Gedanke daran schmerzte. Für einen noxianischen Soldaten war der Tod besser, als verkrüppelt zurückzukehren. Die Kriegsveteranen, die nicht mehr für sich selbst sorgen konnten, hatten es schwer. Viele wurden zwar dennoch hoch angesehen – schließlich hatten sie dem Imperium einen großen Dienst erwiesen – doch für sie gab es nun nichts mehr. Es gab keinen Sinn mehr in ihrem Leben. So war es auch bei Kommandantin Indari.
Die Kommandantin war seither an den Rollstuhl gefesselt. Jene, die sie kannten, salutierten noch immer vor ihr. Doch dies heiterte Indari keineswegs auf. Sie wollte Noxus den Rücken kehren und ein neues Leben anfangen. Samira erwischte sie gerade, als sie in das Schiff nach Zhaun steigen wollte. Es brauchte ihre gesamte Überzeugungskunst, um Indari zum Bleiben zu überreden. Die Kommandantin blieb. Und sorgte nun für Samiras Aufträge.
Wenn sie sie nur endlich finden würde!
Das blutrote Banner war der einzige Farbklecks in der Landschaft. Stein, Staub und Metall, einfach und grobschlächtig verarbeitet, fanden sich überall wieder und sorgten für ein tristes Gesamtbild. Samira kletterte auf ein Tor, um sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Es war ihr ziemlich egal, dass alle sie dafür anstarren würden. Jemanden nach dem Weg zu fragen, war ohnehin nicht ihr Stil.
Mit einem eleganten Satz landete sie auf der Treppe eines kleinen, unscheinbaren Häuschens. Hier musste es sein – Kommandantin Indari hatte ein Zeichen an der Tür gemacht. Als sie eintrat, hörte sie die kleine Glocke, die über der Tür hing und ihre Ankunft ankündigte.
Es war ein winziges Gasthaus und die wenigen Holztische waren gut gefüllt. Die Leute riefen und lachten durcheinander und einige umgekippte Bierkrüge zierten den Boden. Samira stieg über eine Schnapsleiche hinweg zum Tresen.
„Was kann ich dir bringen?“, fragte der Wirt. Als Antwort zog Samira den Brief hervor, mit dem Kommandantin Indari sie herzitiert hatte. Die grauen Augen des Wirts blieben an dem Siegel neben Indaris Unterschrift hängen. Er nickte nur und deutete auf eine Tür, links von ihm:„Sie wartet im Hinterzimmer.“ Samira dankte ihm und trat ein.
Die Kommandantin saß an einem rustikalen Tisch mit ein paar Brandflecken und winkte sie eilig zu sich heran.
„Wie lief deine letzte Mission?“, Förmliche Begrüßungen hielt die Kommandantin für unwichtig.
Ihre Stimme klang gebieterisch und hatte einen starken noxianischen Dialekt. Ihr dunkles Haar war schulterlang und von einigen grauen Strähnen durchzogen. Das schmale, olivenfarbene Gesicht war von einer tiefen Furche durchzogen, die sich von ihrem rechten Mundwinkel bis hoch zu ihrer Wange zog. Obwohl sie keine Soldatin mehr war, trug sie eine schwere Rüstung in den Farben von Noxus, die mit Nieten und Schnallen verziert war.
Ihr alter Helm, der dem Kopf eines Raubvogels nachempfunden war, lag vor ihr auf dem Tisch. Alte Gewohnheiten konnte man wohl nur schwer ablegen.
Ihre dunklen Augen blickten sie prüfend an. Doch das störte Samira nicht. Sie ließ sich auf einen mit rotem Samt bezogenen Stuhl fallen und legte die Füße auf den Tisch: „Ziemlich langweilig. Hast du was Neues für mich?“
„Allerdings.“, Indari zog ein zusammengerolltes, leicht gelbliches Blatt mit dem Wappen von Noxus aus einer Tasche ihres Rollstuhls. Es war von einem bekannten General unterzeichnet worden und Samiras Augen weiteten sich. Doch ihre ungestüme Freude verwandelte sich schnell in Enttäuschung, als sie sich den Auftrag durchlas. „…eine Eskorte?“, sie versuchte nicht einmal den Unmut in ihrer Stimme zu verbergen.
„So ist es. Ein Trupp soll neue Schürfgebiete in den Eisenstachelbergen erkunden, da die Vorräte der Schürferfeste sich dem Ende neigen. Es ist ein umkämpftes Gebiet –“, die Kommandantin gestattete sich ein Lächeln, „Also keine Sorge. Du wirst schon zu deinem Spaß kommen.“
Die Schürferfeste war eine Bergfestung in noxianischer Hand. Sie lag in Freljord, etwas nordwestlich von hier. Dort wurde das Erz zum Schmieden der noxianischen Waffen gefördert. Und sicher, es gab wohl die Winterklauen, einen freljordischen Stamm, der sich immer wieder mit den Noxianern anlegte, aber diese würden niemals so weit nach Süden vordringen, um eine hochbewaffnete Festung anzugreifen.
Samira wirkte immer noch nicht überzeugt. „Das kann bestimmt jemand anderes erledigen, sagte sie stirnrunzelnd, „Komm schon – gibt es keinen aufregenderen Job?“
Kommandantin Indari ließ sich mit ihrer Antwort Zeit und justierte ihren hölzernen Rollstuhl neu, indem sie ein paar Schrauben anzog. Sie seufzte erleichtert: „Viel besser.“
„Hey!“, sagte Samira, um auf sich aufmerksam zu machen.
Indari seufzte: „Sam… der Auftrag verspricht gutes Geld.“
„Du verheimlichst mir doch was…“, Samira stützte sich auf den Tisch und blickte die Kommandantin eindringlich an.
Sie schwieg. Das gefiel Samira gar nicht. Irgendwas war an diesem Auftrag faul.
„…sag schon.“
„Na schön. Die letzten Auftraggeber waren von deinen Alleingängen nicht besonders angetan. Du hast ihre eigenen Leute bei deinen waghalsigen Aktionen in Gefahr gebracht und das hat sich rumgesprochen. Unter ihnen waren einige hochrangige Personen. Das -“, sie schlug mit der Hand auf das Pergament, „Ist der einzige Auftrag, den ich im Moment für dich an Land ziehen konnte.“
Samira biss sich auf die Lippe, während ihr Blick zu dem Papier schweifte. Wenn das stimmte, hatte sie ein Problem. Sie war auf die Aufträge angewiesen und auch wenn sie als Einzelgängerin bekannt war, gab es nur wenige Missionen, die für nur eine Person bestimmt waren.
Kommandantin Indari wartete auf ihre Antwort.
Sie rollte neben sie und klopfte ihr auf den Rücken: „Bestimmt werden sich die Wogen wieder glätten, aber bis dahin solltest du dich etwas im Hintergrund halten.“
Samira verdrehte angewidert die Augen und schnappte sich das Blatt: „Schön. Wir sprechen uns wieder, wenn ich meinen Auftraggeber vor rauflustigen Elnüks beschützt habe.“ Sie versuchte gar nicht erst, ihren Unmut zu verbergen.
Als sie aus der Tür hinaustrat, blieb ihr Blick an den Bierkrügen auf dem Tresen der Bar hängen. Wenn sie schon einmal hier war…
Sie schnappte sich ein Bier und warf dem Wirt eine Münze hin. Ihre Augen schweiften über die Tische. An einem ging es besonders laut her. Ein paar Soldaten versuchten gegeneinander im Armdrücken zu gewinnen. Also wirklich – mit der Technik wird das nie was!
„Lass mich mal.“, sagte sie und schob den letzten Herausforderer beiseite. Ihr Gegner schnaubte durch seine großen Nasenlöcher, verschränkte die Arme vor der Brust und lachte schallend: „Ein kleines Mädchen will sich mit mir messen?“ Samira grinste: „Die Getränke gehen auf den Verlierer.“ - „Hah! Nimm den Mund bloß nicht so voll!“, sagte er und streckte die Hand aus. Samira ergriff sie – und drückte sie ohne Probleme zu Boden. Sein fassungsloser Blick ließ sie noch breiter grinsen – „DIE GETRÄNKE GEHEN AUF IHN!“
Es wurde ein sehr langer Abend …
Früh am Morgen trat der Rest des Begleittrupps pünktlich zum Appell an. Der Leiter dieser Expedition, eine mürrische Frau mit harten Gesichtszügen namens Alba, deren sandsteinfarbenes Haar bereits einem müden Grau Platz machte, musterte ihre Schützlinge mit prüfendem Blick: „Sollten es nicht sechs Kampfeinheiten sein?“
Plötzlich landete mit einem eleganten Sprung Samira neben ihr. Obwohl sie von einem der höchsten Gebäude in der Umgebung heruntergesprungen war, gähnte sie. Es war nun mal einfacher, über die Gebäude zu springen, statt sich in den engen Gassen zu verlaufen. Besonders, wenn man verkatert war.
„Ah…“, machte Alba und sah sie missbilligend an, „Kommandantin Indari hat mir schon von dir erzählt… Samira, die Wüstenrose.“
Samira stellte sich schulterzuckend zu den anderen und musterte sie, während Alba die Namensliste vorlas.
Es waren noch fünf noxianische Soldaten, vier Männer und eine Frau. Einer war von Kopf bis Fuß in eine gewaltige Stahlrüstung gekleidet und trug eine ebenso gewaltige Axt bei sich. Erst als Kommandantin Alba diese Person als Rosie die Donnernde vorstellte, wurde ihr klar, dass sie ebenfalls eine Frau war.
Rosie fing Samiras Blick auf und schwenkte herausfordernd ihre Axt. Samira grinste – ein kleines Trainingsgefecht konnte bestimmt nicht schaden – doch Kommandantin Alba machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Sie räusperte sich vernehmlich und zog Rosies Aufmerksamkeit erneut auf sich.
Samira verdrehte die Augen und hörte nur mit einem halben Ohr hin. Das meiste hatte Kommandantin Indari bereits erzählt, doch Alba hatte die Ausstrahlung einer strengen Lehrerin und baute sich vor Samira auf: „Wiederhole, was ich gerade gesagt habe.“, verlangte sie.
„Was soll das bringen? Unsere Mission ist es, den Trupp zu begleiten und vor sämtlichen Gefahren zu beschützen. Oder nicht?“, sagte sie.
Die imposante Größe von Kommandantin Alba schien auf sie kaum Eindruck zu machen, obwohl die Kommandantin bestimmt zwei Köpfe größer als sie selbst war und ihr so nahestand, dass sie den Fleischgeruch in ihrem Atem wahrnahm.
Alba sagte mit ihrer knurrenden Stimme: „Ich hoffe, dass du im Kampf aufmerksamer bist.“
Dann wandte sie sich wieder zum Rest der Truppe: „Wir werden über den Fluss in die kleine Stadt Drugne reisen. Sie ist recht isoliert und liegt südöstlich unseres Ziels. Dort füllen wir unsere Vorräte auf und treffen uns mit dem Expeditionstrupp und einigen Arbeitern, die uns bis zur Schürferfeste begleiten. Wir können bis zum Randgebiet der Dalamor-Ebene auf dem Fluss reisen. Von dort aus geht es weiter in Richtung Nordost, über die Berge zur Feste, wo wir weitere Informationen zur derzeitigen Lage erhalten werden. Wenn das erledigt ist, durchkämmen wir mit dem Expeditionstrupp die Berge in Richtung Naljaäg, in der Hoffnung neue Erzvorkommen zu erschließen. Wir beschützen sie vor allem, was ihnen gefährlich werden kann. Wir könnten auf Grellfeen, Barbaren, Bären, Wölfe, oder auf Mitglieder der Winterklaue treffen. Sollte das der Fall sein, habt ihr den Befehl, sie umgehend zu töten. Keine Alleingänge.“, bei diesen Worten ruhte ihr Blick auf Samira, bevor sie sich wieder dem Rest der Truppe zuwandte: „Noch Fragen?“
Allgemeines Schweigen.
„Dann los!“, Alba führte die kleine Truppe zu einem – für noxianische Verhältnisse bescheidenen – Flussschiff. Wobei man es in Noxus eher als Truppenschiff bezeichnen konnte.
Es war massiv aus Eisen geschmiedet und wirkte fast wie aus einem Guss. Anders als die großen Kriegsschiffe, war dieses hier etwas flacher gehalten und hatte weniger Abwehranlagen. Trotzdem waren auf jeder Seite drei Kanonen platziert - eine typisch noxianische Vorsichtsmaßnahme - und an Deck konnte Samira eine Harpune erkennen. Ein Mann mit dichtem Bart stand dahinter und unterhielt sich mit einem Kadetten. Das musste wohl der Kapitän sein.
Alba stieß einen schrillen Pfiff aus, um auf sich aufmerksam zu machen.
Sobald der Kapitän sie erblickte, bedeutete er den Matrosen, sie auf das Schiff zu lassen. Der spitz zulaufende Bug wurde wie eine Art Rampe heruntergefahren, sodass sie Einsteigen konnten. Der Kapitän stand mitsamt seiner Mannschaft in Reih und Glied vor ihnen und salutierte.
„Kommandantin.“, der Kapitän nickte Alba schroff zu.
„Wir können ablegen, Käptain Rogan.“
Sobald das kleine Schiff dann voll beladen war, wurde das gewaltige, blutrote Segel aufgerollt und die Ruder in das Wasser getaucht, um die Reise über den Fluss zu beginnen. Samira warf einen letzten Blick auf die Stadt, die hohen Mauern, die vielen Gebäude, die rasch kleiner wurden und betete, dass dieser Auftrag etwas Interessantes für sie bieten würde.
Sie sollte nicht enttäuscht werden...