Die Tür schwang auf und gab den Blick auf einen jämmerlichen, geistig verfallen Körper frei. Dass mir der Anblick nicht gefallen würde, ahnte ich schon, noch bevor ich in den Bus eingestiegen war und mir überlegte was ich überhaupt zu sagen hatte. Irgendwie ahnte ich, dass das alles kein gutes Ende nehmen würde. Es war ohnehin schon verpatzt.
Das weiß des Kissenbezuges und der Bettdecke ließen die eingefallenen Augenhöhlen mit dem strähnigen schwarzen Haarvorhang noch kränklicher wirken, als sie ohnehin schon aussahen. Nun stand ich hier, in das leere Gesicht starrend dass in den Kissenfluten förmlich zu ertrinken drohte… und ich hatte nicht die leiseste Ahnung was ich sagen sollte. Sekunden des Schweigens vergingen. Sekunden in denen wir uns wortlos anstarrten, nichts sagten… bis sie schließlich den Kopf zum Fenster wand und sich zu den erst besten Worten durchrang die ihr offensichtlich in ihrem ermatteten Hirn herumgeisterten.
„Was willst du?“ krächzte sie und ich glaubte einen Anflug von Tränen in ihrer Stimme zu hören.
Nervös tippelte ich von einem Fuß auf den anderen, durchbohrte den Boden mit meinen Blicken.
„Ich kann auch wieder verschwinden“ brach es aus mir heraus.
Ja, ich verabscheute sie. Ich verfluchte sie dafür, das sie mir die Schuld an ihren Problemen gab… und ich hasste sie dafür, dass sie einfach vor ihnen davon lief, bis sie letztlich in diesem gesperrten Trakt landete, aus dem man sie erst dann wieder entlassen würde, wenn sie augenscheinlich seelisch wieder auf der Höhe war. Das mein Besuch ihre Genesung nicht gerade fördern würde, war mir durchaus bewusst, aber was spielte das für eine Rolle? Was kümmerte mich ihr Zustand, wenn ihr der Meine schon immerzu egal gewesen war.
Lustlos schwang ich den Rücksack von meinem Rücken und legte ihn neben ihrem Bett ab um mich einige Schritte weiter auf den Fenstersims zu lehnen und Gedankenverloren in den Himmel zu starren.
„Ich wiederhole mich nicht gerne“ polterte es wesentlich lebendiger aus dem weißen Grab heraus. „Was willst du?“
Ein Blick über die Schulter verriet mir dass sich meine Gesprächspartnerin gerade aufgesetzt hatte und mir Dolche mit den eiskalten Augen in den Rücken bohrte. Meine Anwesenheit machte sie nervös, reizte sie aufs Blut denn sie begann nervös an dem verfärbten Verband zu kratzen der ihr schmales Handgelenk einengte.
„Muss man immer einen Grund haben, um jemanden zu besuchen?“
Ich wusste dass meine Worte eine einzige Lüge waren und kurz darauf strafte sie mich dafür.
„Ich hab dich gefragt… WAS DU VON MIR WILLST?!“
Der Klang ihrer Worte überschlug sich tausendfach in meinen Ohren und sprengte die Ketten meines Herzens.
„Ich will der Verräterin ins Gesicht blicken, die meine Gefühle in den Dreck wirft“ zischte ich „UND ich will jener Person in die Augen blicken die versucht mich mit ihrem Ableben anzuprangern!“
Das süße Gift des Hasses kochte in mir hoch und beschwor seine tausend kleinen Wortboten herauf, auf das ich der Schlange ihr eigenes Blut ins Gesicht speien konnte.
„Erinnerst du dich noch?“ lächelte ich süßlich „Weißt du noch was du damals sagtest? Ob sich alles um meinen Kopf drehen müsse, hast du gesagt… und ich musste es schlucken, das du meine Gefühle in den Dreck getreten hattest…“
Die Gesichtszüge brachen ihr aus. Ein nervöses zucken umspielte ihren Mundwinkel und allmählich arbeitete sich die Ausgeburt meiner Worte in ihr herauf.
„Ich sehe du verstehst mich“ feuerte ich ihr meinen Hass ins Gesicht und ließ meine Stimme in den Keller fallen.
„Und kurz darauf wagst du es allen ernstes…“ mein Redeschwall geriet ins stocken, den endlich musste auch ich hart schlucken um dem vergangenen Augenblick der Angst keine Träne zu gewähren. „Und kurz darauf wagst du es auch noch, mir die Schuld an allem zu geben und deinem Leben vor meinen Augen ein Ende setzten zu wollen… was BIST du nur für ein Mensch…“
Wehmütiges Schluchzen erfüllte den Raum und rüttelte an meiner Selbstbeherrschung. So wie sie da saß und weinte, tat sie mir schon fast wieder leid. Aber was waren schon die Tränen eines Krokodils wert? Nichts… überhaupt nichts.
„Weißt du…“ sprach ich weiter, als ich endlich selbst die erste Träne in den Raum verlor und schützend meinen Kopf senkte um Fassung zu bewahren „du warst einmal alles für mich. Aber jetzt…“ zielstrebig stolzierte ich an das andere Raumende, schnappte mir meinem Rücksack wieder und griff panikartig nach der Türklinke, in der Hoffnung meine Verzweiflung bliebe unentdeckt.
„Aber jetzt, habe ich nichts mehr.“
Mit aufgesetzten Lächeln blickte ich ein letztes Mal in ihre Richtung.
Ja, ein letztes Mal… das waren die letzten Gedanken bevor ich ein weißes Kuvert aus meinem Rucksack zog, in ihre Richtung warf und lautlos aus der Tür verschwand. Ganz so, als hätte ich niemals existiert. Niemals…
Weißes Grab //Kurzgeschichte/One-shot
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o.O
naja da du so nett warst was zu meinen zu sagen...
erstmal: ich würde nicht sagen das ich sehr viel ahnung habe, von geschriebenen oder sonst was, aber ich darf das ich bin noch jung^^ich mag deinen schreibstil, man kann es sehr flüssig lesen und du umschreibst bestimmte szenen oder kleine details sehr schön
ich selbst kann weder meinen eigenen schreibstil, oder das was ich schreibe richtig einschätzen, hoffe aber das das was ich schreib anderen gefällt.
ich hoffe also das dir mein Text auch wirklich gefallen hat.
ich mag deinen
(aber erwarte keine deutung oder ne interpretation ja :S) -
Aaaaah voll mein Geschmack was Kurzgeschichten angeht, aber ich denke, das konntest du ahnen, nicht? xD
Naja okay, ich habe dazu so meine Assoziationen und gerade weil es sehr lebhaft beschrieben ist und die Situation so furchtbar böse ist hinterlässt es hier auch irgendwie einen bitteren Nachgeschmack, aber das ist natürlich keine Minderung in deinem Schreibstil.
Überhaupt finde ich, was sowas angeht hast du 'ne unglaubliche Entwicklung gemacht (dabei beziehe ich die Gedichte mal mit ein, denn so viele Geschichten habe ich ja noch nicht kennen lernen dürfen haha^^). Es ist so herrlich lebendig und detaillreich. Ich finde, in Kurzgeschichten gibt es nichts wichtigeres als die Details und diese vernünftig zu unterstreichen und das hast du wirklich gut gemacht.
Und -mal ganz untypisch für dich, was?- ohne blutige Einzelheiten xDD Nein, wirklich, ich war echt angetan.
Auch die Personen sind sehr lebendig. Das Ich sowieso und auch die Freundin von dem Ich. Sie hat Charakter, so fern man das nach einem kurzen Text sagen kann... Auch wenn es wirklich kein guter ist, aber sie hat einen.
Also stilistisch einfach toll^^Vom Inhalt her finde ich es furchtbar frustrierend und zeitgleich furchtbar reizvoll nicht zu wissen, was in dem zuletzt erwähnten Brief steht.
Einfach gerade weil der Abgang des Ichs zwar ein Lebewohl ist, aber es ist so verletzt und hat immerhin die Mühe gemacht diese ehemals doch sehr geliebte Person zu besuchen. Und auch dieses "jetzt habe ich nichts mehr" lässt mich zumindest zweifeln, ob das Ich wirklich weg bleibt. Oder besser, weg bleiben KANN. Man neigt nunmal dazu sich an das, was einem wichtig war, egal wie schädlich es auch gewesen sein mag, zu klammern... Zumindest oft.
Andererseits wirkt es nicht, als spiele das ich mit dem Gedanken zurück zu kehren und ich denke es ist als Abschied für immer gemeint.
Weißt du, genau wegen diesem Zwiespalt finde ich den ungeöffneten Brief so interessant, weil er wahrscheinlich Aufschluss geben würde, wie genau sich das Ich in der Zukunft entscheiden wird. Aber genau deshalb will ich diesen Inhalt auch nicht wissen, weil ich glaube eine Geschichte wie diese lebt von den Gedanken, die man sich darum macht^^So genug von meinen konfusen Gedankengängen xDD
Ist eine tolle und interessante Geschichte, die gut umgesetzt wurde^^ -
Geass: Dankeschön ^^ freut mich wenn mein Schreibstil anklang findet ^^
btw: ich schreibe eigentlich nur dann Kommentare, wenn ich wirklich was anzumerken oder zu sagen habe. Ich meine fast alles so, wie ich es loslasse ;)@Malice:
Ahnen... hmmm, ich schätze ja xD ich glaube unterschwellig hatte ich sogar gehofft das es bei dir auf Anklang stößt ^^
Uh, stimmt, du hast Recht xD ich hab tatsächlich auf die schmutzigen, blutigen, kleinen Details verzichtet ^^ frag mich nicht warum, aber irgendwie dachte ich wohl dass diese drückende Stimmung, unterstrichen von Tränen und unterschwelligem Schreien kein blutvergießen braucht xD jaaa, ich kann auch ohne (hab ich das grade wirklich geschrieben? Nein, nein... nein hab ich nicht xD ich bin doch bluuutgeiiiiiiil xDDD) Ne, Spaß beiseite. Ich war irgendwie der Meinung das dieser kontrast aus weißen Wänden, Laken und Kissen mit dunkelrotem Blut einfach nicht passt. Das hätte die Atmosphäre buchstäblich bekleckert.
Der Brief war irgendwie mein letzter, abschließender Kontrast. In einem Brief kann so verdammt viel drin stehen. Man kann ihn als Ankündigung deuten, als Abschied, als Versöhnung oder weiß der Teufel was. Alles ist möglich xD nur glaube ich, es hätte die Stimmung verdorben wenn ich näher darauf eingegangen wäre xD Das war sie die Variante "für jeden was dabei" xD
Was das Ende allgemein betrifft: ich glaube man kann es tatsächlich dabei belassen dass das Ich nicht mehr zurück kehren wird. Das wollte ich im Grunde damit auch aussagen. Aber das Ich fühlt sich ein stück weit ja doch verloren, alleine gelassen xP konträre Geschichte xDZitatWeißt du, genau wegen diesem Zwiespalt finde ich den ungeöffneten Brief so interessant, weil er wahrscheinlich Aufschluss geben würde, wie genau sich das Ich in der Zukunft entscheiden wird. Aber genau deshalb will ich diesen Inhalt auch nicht wissen, weil ich glaube eine Geschichte wie diese lebt von den Gedanken, die man sich darum macht^^
Ja ^^ das stimmt. Da muss ich dir zu 100% recht geben ^^ man hätte es nicht besser ausdrücken können :)
Dankeschön für diesen laaaaangen langen langen Kommentar ^^ du weißt ja, ich lese gerne was ich erreicht habe ^^ <3