Wer von euch schon einmal eine KZ-Gedenkstätte besucht hat?
Wie kam es zu diesem Besuch (Bitte auch die Gedenkstätte benennen)?
Stand dieser Besuch im Zeichen einer schulischen Besichtigung oder fand sie aus rein privatem Interesse statt?
Welche Eindrücke habt ihr von eurem Besuch erhalten und würdet ihr eine solche Gedenkstätten-Besichtigung anderen nahe legen bzw. eine solche nochmals wiederholen? Wenn nein, warum nicht?
Welche Vorstellungen/Vorwissen hattet ihr vor dem jeweiligen Besuch?
Falls ihr noch keine KZ-Gedenkstätte besucht habt: Welche Gründe gab es dafür?
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Ich habe mehrmals eine KZ-Gedenkstätte besucht, allerdings immer die Gleiche. Bergen-Belsen.
Initial kam es zu dem Besuch in Bergen-Belsen über meine Realschule und den Geschichtsunterricht. Einfach auch durch die direkte Nähe dorthin, die nur 10km betrug. Im Unterricht wurde viel besprochen, ich erinnere mich, dass es im Grunde von der 7. bis einschließlich 10. Klasse, kein wirklich anderes Thema gab. (Ist nur ein Gefühl, vermutlich sagt der Lehrplan dieser Zeit - so um 1994 - 1998 - was Anderes.) Und ich fand das gut. Sehr gut sogar, denn so sehr mich Das Thema NS-Zeit auch gegruselt und teils verstört hat, so sehr hat es mich auch fasziniert und interessiert. Unsere Schule hatte ein großes Spektrum an Unterrichtsinhalten über das normale "man liest im Buch" hinaus. Wir haben als Schüler*innen Interviews mit den älteren Menschen der Region (die, die diese Zeit miterlebt haben) geführt, wir hatten eine Überlebende aus dem KZ zu mehreren Gesprächen zu Gast, es wurde gemeinschaftlich im Kino Schindlers Liste geschaut, und in Projektwochen wurden "Ausgrabungen" an freigegebenen Stellen in Bergen Belsen organisiert und auch der Marsch von Celle nach Bergen-Belsen wurde gemacht. Ich habe damals beides mitgemacht und viel gelernt. Entsprechend war auch das Vorwissen groß.
Trotzdem war der erste Besuch... schon eine heftige Sache. Es steht nicht mehr viel Originales von Bergen-Belsen. Vieles ist nur über eine Ausstellung zu erleben, aber allein das, die Bilder, Videos, Ausstellungsstücke, ... es war beklemmend, bedrückend, beängstigend. Alle waren sehr still, und auch das, obwohl es halt für Viele ein "befohlener" Ausflug war und nicht Jede*r Bock auf dieses Thema hatte, aber scheinbar waren sich alle der Ernsthaftigkeit dieser Exkursion bewusst. Die Eindrücke und dieses Gefühl haben mich lange verfolgt und bewegt. Aber genau das, dieses "bewegt sein", ist und war, glaube ich, der wichtige Punkt. Der, der einen zum Nachdenken, Überdenken gebracht hat. Der Punkt, der einen erinnern und gedenken lässt und der dafür sorgt, dass man etwas tun will, etwas sagen will, so etwas niemals selbst erleben will.
Ich bin Jahre später nochmal da gewesen, einfach weil ich einen anderen Blickwinkel (Außerhalb von Schule und Müssen) haben wollte, also knapp 15-20 Jahre später. Es hatte immernoch den gleichen Impact auf mich. Bewegend. Das ist einfach der beste Ausdruck dafür. Mit mehr Wissen, einem größeren Verständnis für die Zusammenhänge, etc war es auch nochmal ne Stufe härter. Dennoch finde ich es wichtiger denn je, zu sehen, was passiert ist, zu sehen zu was Menschen fähig waren. Dazu die Angst im Nacken, dass Teile dieses Gedankengutes gerade eine gruselige Renaissance erleben und die Hoffnung, dass die Menschen heutzutage schlauer und stärker sind, und sich die Geschichte nicht wiederholt.
In naher Zukunft werde ich die Gedenkstätte auch nochmal besuchen. Mein Kind wird das Thema NS-Zeit bald in der Schule haben und da ein Besuch in Bergen-Belsen hier nun nicht mehr zum Unterricht gehört, möchte ich das mit dem Kinde zusammen machen. Sprich: Vorwissen und Zusammenhang durch die Schule und Begleitung und Aufarbeitung (das fehlte mir persönlich damals für mich selbst) mit uns Eltern. Da der Kind ein sehr empathisches Welches ist, ist es mir gerade die gemeinsame Aufarbeitung sehr wichtig.
Ich empfehle, ehrlich gesagt, dass es verpflichtend sein sollte in der deutschen Schulbildung, für alle Jugendlichen, dass man eine KZ-Gedenkstätte besucht. Wichtig aber eben: (sehr sehr wichtig!) Mit Kontext und Aufarbeitung. Lasst die Kids mit ihren Eindrücken nicht allein! Sprecht, begleitet und klärt auf. Da ich selber ja nun auf dem ein oder anderen Neurospektrum rumeiere und mein Kind eben auch so`n Megaempath ist, finde ich das extrem wichtig, die Gefühle und Eindrücke der Jugendlichen ernst zu nehmen. Wenn ich mich an damals erinnere, wurden im Unterricht und auch bei dem Gespräch mit der Überlebenden, viele meiner Klassenkamerad*innen geschimpft für ihre Reaktionen. Es gab Momente, in denen Einige gelacht haben, Witze gemacht haben, was im ersten Moment natürlich als völlig respektlos rüberkam, im Grunde (ich sag mal in 99% der Fälle) aber nichts anderes als eine komplette Übersprungshandlung war. Eine irrationale Reaktion auf schiere Fassungslosigkeit, teils ein Selbstschutzmechanismus weil das Hirn und die Gefühlswelt nicht mit diesem Horror klarkommen und auch gerne mal (hopefully nur sehr sehr Wenige) eine Traumaantwort, weil man die Gefühle der Menschen (des Raumes) um sich herum managen (in diesem Fall entspannen/verbessern/aufhellen) muss/will, auch wieder aus Selbstschutz. Klar, in dem Moment arg unangemessen, aber in so einem Fall eben kein Grund zum Schimpfen/Vorführen und Runtermachen, sondern der Moment, in dem man das Kind kurz mit raus und beiseite nimmt und mit ihm spricht, Möglichkeiten zum Runterkommen und Durchatmen und eventuell auch zum sich erklären gibt. Also vielleicht die ein oder andere Lehrkraft mehr dabeihaben als nur eine Person für vier Klassen. Natürlich aber, denn ich will nicht allen Mist entschuldigen, baut Eine*r bei so einer Veranstaltung wirklich Scheiße (So´n bestimmter Gruß zum Beispiel), dann auch: Beiseite nehmen und beiseite beaufsichtigt lassen, Ansage machen und eventuell nochmal kräftig Nachhilfe im Thema geben.
Aber das sind nur meine paar Gedanken dazu.
Ein imho schwieriges, aber sehr wichtiges Thema. Wir dürfen es niemals vergessen und ganz wichtig: Nie wieder ist jetzt!