...Ich konnte Selbstmörder nie verstehen. Ich sah immer die trauernden und dachte mir wieso man sowas seiner Familie und seinen Freunden antuen kann. Doch ich denke ich verstehe es jetzt ein bisschen. Es ist nicht so das es einem egal ist...doch egal wie viele einem sagen man sollte Leben, wenn man es nicht selbst fühlt hat es einfach keinen Wert....
Das trifft es schon sehr gut, denn all zu oft bekommt man die Aussage zu hören "ich kann Selbstmörder nicht verstehen" oder "Warum denken die nicht an jene die sie hinterlassen?"
Ich denke, Menschen die so denken, können die Gründe, die Gedanken, die Suche nach dem letzten Ausweg eines solchen Menschen auch nicht verstehen, weil sie eben noch nie in eine solche Lage gekommen sind. Darum ist es einerseits sehr schön, dass sie es nicht verstehen, denn sie können dafür dankbar sein, dass ihr Leben nicht so dramatisch verlaufen ist.
Denn wer den Tod als aller letzten Ausweg aus seiner Lage sieht, muss wirklich sehr verzweifelt sein. Denn diese Entscheidung trifft keiner leichtsinnig. Wenn man wirklich absolut keine Hoffnungen mehr hat, noch irgendwie etwas ändern zu können, dass es niemanden mehr gibt, der einem helfen kann, dass es aussichtslos ist, dass es jemals besser werden könnte, so wirkt der Tod als einzige Erlösung welcher den Kummer, den Schmerz und vor allem, die Hoffnungslosigkeit beenden kann.
Wer so verletzt und verzweifelt ist, ohne Hoffnung, ohne Hilfe, voller Angst, der leidet schon sehr lange und darum denke ich, dass all jene, die sowas nicht verstehen, glücklich sein können, glücklich sein sollten, dass sie von einer solchen Erfahrung verschont geblieben sind.
Es ist für einen Außenstehenden immer leicht, die Rolle des Besserwissenden einzunehmen. Es ist also sehr leicht daher zu reden, warum suchen sie keine Hilfe? Warum nehmen sie keine Hilfe an? Warum stellen sie sich so an, es gibt doch Menschen die noch viel schlimmeres erlebt haben?
Es sind die Fragen und Worte von Menschen, die eben noch nicht die absolute Verzweiflung erlebt haben und aus diesem Grund das auch nie verstehen können.
Allgemein mögen die Fragen durchaus ihre Berechtigung haben, diese helfen aber nur in einem sehr frühen Stadium wo man solchen Menschen noch helfen kann. Doch in einem so frühen Stadium ahnen oft die Betroffenen selbst noch nicht, das sie Hilfe benötigen könnten. Sie ahnen oft selbst noch gar nicht, was sie so weit bringen könnte, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sehen.
Dabei glaube ich, dass es keine Rolle spielt, ob jemanden aus einer tiefen Depression heraus den Freitod sucht oder ob es Jemand ist, der an einer unheilbaren und sehr schmerzvollen Krankheit leidet. Es dauert sehr lange, bis Betroffene die Hoffnung aufgeben. Ein kranker Mensch wird sehr lange an der Hoffnung festhalten, dass es eine Heilung für seine Krankheit geben könnte. Auch ein Mensch mit Depressionen hat Höhen und Tiefen und wird auch sehr lange darauf hoffen, dass es vorbei gehen könnte oder es eben doch wieder besser wird.
Beiden gemeinsam ist wohl der Punkt, wo es ein oder mehrere Ereignisse gibt, die einem die Hoffnungen raubt und irgend wann dann auch die Erkenntnis aufkommt, dass es nur noch schlimmer aber niemals mehr besser werden könnte. Egal wie sehr sie sich auch ihren Kopf zermartern, sie können einfach keinen Ausweg aus ihrer Lage erkennen. Es existiert nur noch Schmerz, Angst und Hoffnungslosigkeit.
Darum denke ich, dass man Menschen in diesem Stadium auch kaum noch Hilfe anbieten kann. Denn wer mit seinem Leben abgeschlossen hat, verbirgt sehr oft seine Gedanken und sein Vorhaben. Das unterscheidet sie von jenen, die ihren Selbstmord ankündigen. Für diese Menschen, ist die Androhung ein Hilferuf, sie wollen eigentlich nicht sterben und hoffen, dass es irgend jemanden gibt, der diesen Hilferuf wahr nimmt und sie rettet. Etwas wozu sie sich selbst nicht mehr im Stande fühlen.
Anders ist es bei den anderen. Wenn sie mit dem Leben abgeschlossen habe, wollen sie keines falls, dass jemand etwas von ihrem Vorhaben mitbekommt. Es ist ihre größte Angst, dass man sie davon abhalten könnte. Ein Eingreifen würde also für sie bedeuten, dass sie weiter Leiden müssten. Das ist wohl der gravierendste Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen. Die einen wollen Leben, die anderen fragen sich, warum muss ich leben?
So schlimm es auch klingen mag, aber ich bin dafür, dass man solchen Menschen ihren Wunsch zur Beendigung ihres Lebens nicht verweigern sollte. Ich bin dafür, dass es eine Sterbehilfe gibt, nicht nur für Todkranke sondern auch für jene, die wirklich keinerlei Sinn in ihrem Leben sehen. Natürlich muss sowas wohl durchdacht sein und auch nicht leichtfertig zugänglich gemacht werden. Aber ich denke, wer wirklich so verzweifelt ist, sollte nicht gezwungen werden, ein Leben in Qualen zu führen.
Wir reden oft von Menschlichkeit und können sogar Empathie für leidende Tier empfinden. Wir erachten es als eine Erlösung, wenn wir Tiere den Gnadentod geben, damit sie nicht leiden müssen, wenn sie sehr schwer verletzt und dem Tode nahe sind.
Warum können wir das dann nicht auch unseren Mitmenschen zugestehen? Damit will ich sie nicht auf die Stufe eines Tieres stellen, nein, ich sehe hier nur die Doppelmoral in unserer Denkweise. Einem Tier gestatten wir das es in Würde, schnell und schmerzlos streben darf und können es nur schwer ertragen es langsam und qualvoll verendet. Aber einem Menschen wollen wir das nicht zugestehen? Er soll sich lieber in seinen Qualen winden und auf den natürlichen Tod warten? Nein wir erwarten sogar, dass man alles tut um sein Leben zu verlängern und damit auch sein Leiden und seine Qualen ins unendliche ziehen? Kann man hier noch von Menschlichkeit reden?
Es ist sicherlich ein sehr schwieriges Thema, aber ich denke, dass ein jeder Mensch das Recht auf ein würdevolles und selbst bestimmtes Ende hat, sowie er auch davor das Recht hatte, ein selbst bestimmtes Leben zu führen.