Ich arbeite im Einzelhandel (Lebensmittelbranche) und erkenne einige Muster von meinem Vorredner. Bei uns Personal zu bekommen ist nahezu ein unmögliches Ding. Auszubildende schonmal gar nicht. In meiner Ausbildung wurde ich auch dermaßen ausgebeutet. Der Lohn war absurd schlecht (ist mittlerweile zwar deutlich gestiegen, aber damals hab ich kaum mehr verdient als eine Aushilfe) und dafür musste man immer erreichbar sein, einspringen wo man nur konnte und wage es dir bloß nicht, mal nein zu sagen oder gar krank zu feiern (hatte ich einmal für 1 Tag aufgrund von hohem Fieber und den Anschiss meines Lebens von meiner damaligen Chefin bekommen). Also ja...Auszubildende werden teilweise echt schon mies behandelt. Gelernt habe ich auch nichts in meiner Ausbildung (das hab ich mir selbst alles beigebracht), ich war eine "billige Arbeitskraft". Kann also verstehen, dass viele lieber studieren gehen, als sich eine Ausbildung "anzutun".
Heute stehen wir mit großer Personalnot da und bekommen auch niemanden hinterher. Einzelhandel lebt von Budget. Ich habe ein gewisses Budget und das muss strikt eingehalten werden. Sprich im Klartext heißt das im besten Fall müsste ich meine Filiale ausschließlich mit Aushilfen besetzen, da die nahezu "nix" kosten. Gelernte Kräfte sind zu teuer und werden dadurch nicht eingestellt (da wir nach Tarif bezahlen müssen). Ich musste so oft jetzt schon Personal ablehnen, weil sie den Beruf gelernt hatten und Jahre an Erfahrung und damit waren sie zu teuer. Ich konnte sie mir nicht leisten bzw. durfte sie mir nicht leisten, obwohl mein Personalstamm schon am kriechen war durch Überstunden und teilweise durch Krankheit ausgefallen ist. Als ich mein aktuellen Laden damals als Chef übernommen habe waren 15 Stunden am Tag arbeiten nicht unüblich und wurde erwartet, da es ja nun "mein Laden ist und dadurch meine Verantwortung". Hat man natürlich auch gemacht und ich bin der Letzte, der vor Überstunden zurückschreckt. Aber die Bezahlung ist teilweise grenzwertig und es ist denke mal kein Geheimnis, dass Einzelhandel nicht unbedingt für ein "reiches Leben" steht. Und nein...ich erwarte kein immensen Lohn für einen Beruf, für den ich keine nennenswerten Qualifikation oder überragende Intelligenz brauche, aber es ist ein hart unddankbarer Job (zumindest hatte ich das jetzt während Corona nochmal krass gemerkt) und dafür denkt man sich oft, ob es sich für den Preis lohnt. (Zumal man sich auf lange Sicht körperlich kaputt macht, das ist halt ein Fakt.)
Mir persönlich geht aber eher dieses Profitdenken auf den Geist. Ich hab lieber diesen Lohn, als die ständig schlechte Besetzung, weil Personal aufgrund Qualifikationen zu teuer ist.
Funfakt am Rande: Würde ich, warum auch immer, arbeitslos werden, hätte ich es echt super schwer Arbeit zu finden, da Einzelhandel oft Tarif ist und ich schlichtweg viel zu teuer überall wäre (jahrelange Berufserfahrung und einiges an Fortbildungen). Also haben Personen wie ich oft gar nicht die Wahl des Arbeitsplatzes, weil es super schwer ist überhaupt einen zu finden, obwohl man eigentlich sehr gut qualifiziert ist.