Welch unerwartetes und erfreuliches Thema, da teile ich gerne meine Meinung zu mit, auch in der Hoffnung, dass solche Themen hier reger diskutiert werden.
Generell ist das Thema Tarif-Lohn ein komplexes Thema, ich beführworte Gewerkschaften und auch Tarif-Löhne, oft auch das letzte Mittel um in eingen Branchen einen gerechteren Lohn bezahlt zu bekommen. Auf der anderen Seite missfällt mir allerdings auch immer der Gedanke, dass ich ein Gehalt ohne direkte Einflussnahme durch meine Eigenleistung erhalte. In meiner Branche gibt es keine Tarife, wir haben eigentlich nicht mal eine Gewerkschaft. Es gibt wohl hier und da welche, aber eine Gewerkschaft braucht eine starke Arbeitnehmerbasis, sonst hat sie keine Handhabe gegen die Arbeitgeber. Jedenfalls fahre ich bisher sehr gut damit, dass es in meiner Branche keinen Tariflohn gibt, so kann man bei regelmäßigen Gehaltsverhandlungen seinen Wert aushandeln und "schleppt" keine "underperformer" mit. So etwas funktioniert jedoch mit Sicherheit nicht in jeder Branche.
Aber damit wollte ich nur mal kurz meinen Standpunkt zum Thema Tarif-Lohn und Gewerkschaften niederschreiben. Nun kommt ich zu deiner ( @Libertine ) eigentlich Frage.
Das von der aktuellen Bundesregierung eingebrachte Tarifeinheitsgesetz wird ja groß als Stärkung der Arbeitnehmer-Fraktion beworben, da viele kleine Gewerkschaften gegen wenige große getauscht werden (sollen). Ich sehe in dem Vorhaben jedoch genau das Gegenteil, nämlich eine Stärkung der Arbeitgeber-Fraktion und weniger möglicher Wiederstand der Gewerkschaften sowie eine Eingrenzung des Streikrechts.
Viele der momentanen großen Gewerkschaften verzeichnen einen immensen Mitgliederschwund, alleine ver.di hat seit 2001 knapp 25% Ihrer Mitglieder verloren (Ebenso die DGB). Grund ist bestimmt auch die von vielen als mangelhaft angesehene Meinungsvertretung durch eben diese. Je weniger Gewerkschaften es gibt, desto einfacher ist eine Infiltration und Einflussnahme durch die Arbeitgeber - und das ist mit Sicherheit keine Fiktion.
Das Gewerkschaften keine Wirtschafts-Killer sind, beweisen unsere Nachbarn. Frankreich oder auch Dänemark haben ungemein starke Gewerkschaften, am Hungertuch nagt dort niemand deswegen. Stattdessen werden in den Ländern auch Krankenpfleger und kleine Berufe gut bezahlt.
Ich hoffe das Gesetz wird (abermals) vor dem Bundesarbeitsgericht scheitern. Es ist unglaublich was die Politik seit knapp 15 Jahren gegen die Verfassung und gegen die Menschen arbeitet - die obersten Gerichte haben uns die letzten Jahre vor einigen unglaublichen Gesetzen bewahrt.
Zeitgleich zu der momentanen Gesetzeinbringung streikt ja auch die GDL (knapp 20.000 Lokführer) und möchte auch die Verantwortung für die anderen (140.000 Bahn-Mitarbeiter) übernehmen, da, nach dem Gesetz, nur noch die EVG (bzw. DGB) als Gewerkschaft akzeptiert werden würde. So kämpfen jetzt sogar die Gewerkschaften (auf Arbeitnehmerseite) gegen einander. So sieht wohl kaum eine Stärkung der Arbeitnehmer aus.
Die Vereinigung Cockpit (Flugpiloten-Verbund) streikt momentan ja auch, was eine heikle Angelegenheit ist. Der dortige Tarif ist schon eine sehr luxuriöse Ausführung und in der heutigen Zeit auch etwas Weltfremd - jeder muss oder musste Nachgeben. Das die das nicht wollen, kann ich jedoch auch verstehen. Da in Deutschland aber lieber darüber gemeckert wird, dass andere zuviel verdienen und nicht das man selbst zu wenig verdient, Stichwort Neid, wird da ein weiteres schlechtes Licht auf die Gewerkschaften geworfen.
Sehr schwieriges Thema, wo ein Dialog sinnvoller ist als ein einziger Post, daher hoffe ich mal auf rege Teilnahme. Noch interessante Meinungen kann man sich beim NDR in der Redezeit anhören:
http://www.ndr.de/info/sendungen…dung267344.html