Teil zwei; Gefühlt möglicherweise noch länger - und noch irreleväntererer...
Haggards Tagebuch, Part 2
Beim sechsten Schlag der Turmuhr also packte ich meine Habe, den Lohn meines Tages zusammen, und ich war sogar einigermassen zufrieden. Im ganzen hatte ich fünf Bund Karotten. Noch hatte ich sie sowohl meinem Leib als auch der Grosszügigkeit meiner Arbeitgeber hart abringen müssen - aber wenn sich mein Körper in ein paar Tagen an die zugegebenermassen sehr ungewohnten Anstrengungen gewöhnt hätte, und die gesammelte Erfahrung die Qualität meiner Arbeit verbessern würde könnte ich es mit etwas Glück vielleicht sogar auf sechs bis sieben Bund pro Tag bringen! Und das noch ohne Nachtschicht... an die ich heute aber aufgrund der so schon geschundenen Pfoten und Glieder nicht denken möchte.
Reich würde ich davon nicht werden, selbst um allein nur Erzas Deckungssumme aufzubringen müsste ich viele Monate schuften. Aber es war ein Anfang, und wenigstens der Funke meiner Absicht, das Erste meiner Versprechen ihr gegenüber einzulösen. Ich machte mich also rasch auf den Weg ins Büro, um den Lohn zu verstauen. Allerdings lief ich dabei geradewegs der alten Mascha in die Hände, deren zornvolle Miene sich in funkelnde Vorfreude verwandelte, als sie bemerkte das ich Karotten bei mir hatte. Ich versuchte es mit einem Appell an ihr Verständnis. Ich versuchte es mit investorischer Argumentation. Ich versuchte zu ihrem Mitleid durchzudringen - aber nichts. Die alte Mascha war so schief wie eine libanesische Zeder und so schrumplig wie eine Rosine, aber mit ihrem Hexenstab geschickt wie ein Samurai - und flink wie ein Ninja. Und mir wurde klar... ohne Wegzoll würde ich es diesmal nicht an ihr vorbeischaffen. Nach der Begegnung mit Mascha war ich also wieder um vier Bund Karotten leichter - dafür um eine Mahnung reicher, dass die ganze Angelegenheit nur wenig an ihrer Neumondprophezeiung rüttelte... (Was bezahle ich ihr überhaupt? Miete oder Schutzgeld???)
Ich setzte meinen Weg darauf hin fort, und bemerkte Dinah, die Assistentin des Sheriffs unweit von mir in Richtung des Marktplatzes gehen.
Ich überlegte. Vielleicht wäre es das Sicherste den letzten verbliebenen Bund ihr anzuvertrauen, niemand würde es wagen ihn Dinah wegzunehmen, also rief ich ihr zu kurz auf mich zu warten. Sie tat es, wenn auch widerwillig, und ich erklärte ihr, dass ich ihr gerne einen Bund Karotten anvertrauen wollte und sie um den Gefallen bitten möchte, ihn als Nutzen aus meiner Versicherung Erzas Hinterbliebenen zukommen zu lassen. Sie stimmte trocken zu, und als ich Dinah die Karotten aushändigte hob und senkte sie den Bund kurz in ihrer Pfote, so wie man es macht um ein Gewicht abzuschätzen.
"Ist das alles?" fragte sie, und ihre hochgezogene Augenbraue verriet, das sie keinen Hehl aus der Doppeldeutigkeit machte, die in ihrer Frage lag.
"Ja, und nein." erwiderte ich ihr und zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Schwere Zeiten..."
"Jaja, schwere Zeiten für uns alle..." erwiderte sie vielsagend, dann steckte sie die Karotten in ihren Mantel und lies mich stehen, wo ich stand. Ich hoffte, Erzas Hinterbliebene würden den Bund Karotten als das auffassen was es war - eine Geste meines Willes... nicht als Unverschämtheit, ansonsten hätte ich mir gerade ihren Zorn eingehandelt. Aber das war ein Problem für morgen; Also machte ich mich auf zum Marktplatz, um den anderen Teil meines Versprechens einzulösen.
Dort hatte sich bereits eine unruhige Menge versammelt, auch Katsu, Nox und Fullbuster bemerkten mein Erscheinen rasch, und ebenso rasch war ich Teil der Diskussion, die mal in eine Richtung schwappte, mal in eine andere. Mehr und mehr Theorien wurden entzündet, wie die Fackeln des Platzes mit dem fortschreitenden Einbruch der Dunkelheit. In meinen Augen machte Nox die verwirrendsten Aussagen, Katsu hingegen blieb besonnen, und ich fragte mich, ob die ganze Sache auf eine Guter Cop - Böser Cop- Geschichte hinauslief, oder ob Katsus Art und Erfahrung sie lehrte, dass Stärke, ob als Hase oder Wolf, stets im Garten der Geduld wuchs. Ivy kam zwischendrin vorbei, und war offenbar sehr in Eile. Zu sehr um viele Fragen zu stellen; Ihre Zeit reichte gerade so, um ein Steinchen in die Schale zu legen, auf der Fullbusters Name stand. Seiner Natur entsprechend nahm er diesen Umstand gelassen, während Nox mich nach und nach mehr Leid wurde, je tiefer ich bohrte.
Am Ende trieb ich sie soweit, das Nox, jung, und stolz und heiter in ihrer Art in meinen Augen kleiner und kleiner wurde, und von ihr nicht mehr übrig blieb als ein in Wut und Tränen aufgelöster Schatten ihrer selbst.
Sie hatte nichts mehr ansich, von jenem Wolf, den ich in der Zeitung sah. Und ich fragte mich, liebes Buch, war das wirklich List? Oder war ich zuweit gegangen? War Nox nur ein ängstliches Häschen? Wie Erza voller Furcht, dem Tod zu begegnen..?
Die Unsicherheit meines Herzens quälte mich, ich hatte Erza doch versprochen den Wolf zur Rechenschaft zu ziehen, doch steckte er wirklich im Körper des Häufchens Elend vor mir? Was wenn Nox es nicht war? Wo fand ich Rat? In den Augen der anderen? Hatte Ivy in wenigen flüchtigen Blicken aus der Ferne das ganze Bild erkannt, von dem ich, so nahe davorstehend nur einen Teil erfassen konnte? War es Katsu, weit klüger und aufmerksamer als ich gelungen das Puzzle zu lösen? Schweren Herzens legte ich mein Steinchen in Fullbusters Schale, er nahm es gelassen, doch ich verstand, warum er es als Verrat an ihm empfinden würde, und wunderte mich wenig darüber das er mich dies auch wissen lies, indem er meine Geste erwiderte. Nox tat es ihm gleich, wenn es wirklich Zorn und Verzweiflung war, der ihren Blick trübte - dann mochte ihre Entscheidung kindlich sein, letzten Endes aber nur die Ernte meiner eigenen Saat.
Plötzlich huschte ein Schatten durch die Menge, SelY tauchte auf und verpasste mir mit ihren kurzen, aber ungeheuer sehnigen Waschbärpfötchen einen Schlag in meine Magengrube, der mich auf die Knie sinken lies. Dann warf sie ein Steinchen in meine Schale und während ich noch dahockte - mit weit aufgerissenen Augen vorne über gebeugt - gab SelY mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange, nur um einen Wimpernschlag später wieder eins mit den Schatten einer dunklen Gasse zu werden. Hustend und verwirrt richtete ich mich auf und bemerkte dabei, das Katsu ihr Steinchen gerade in Fullbusters Schale legte.
Die Rechtfertigung hierfür mochte nicht ganz uneigennützig für sie sein, und ihren Blick hielt sie wie eh und je im Schatten ihres Hutes verborgen, dennoch fand ich nach SelY seltsamer Attacke Trost in dem Umstand, dass Katsu den Ausgleich zwischen mir und Fullbuster wiederherstellte.
Vielleicht würde ich dennoch sterben, vielleicht würden die Würfel gegen mich fallen, vielleicht würden meine Versprechen einmal mehr nicht mehr sein als leere Worte - aber noch gab es ein Vielleicht. Die Worte wurden weniger, derer waren genug gefallen - nun verharrte man in stiller Anspannung, bis die Zeit des Spektakels gekommen war.
Der Sheriff trat in gewohnter Selbstgerechtigkeit an uns beide heran - und holte Fullbuster mit sich... Und Fully starb aufrecht, aber sinnlos, als Hase.
Und nun, am Ende der Geschichte, gutes Buch? Welchen klugen Rat kannst du mir geben? Welche Weisheit, um mich zu erleuchten? Ich verstehe; Keine - und keinen. Du kannst mir nichts geben.
Aber... du hast mir etwas genommen, wie mir scheint, oder? Etwas von meinem Zorn? Etwas von meinem Kummer? Ist das dein Geschenk an mich..?
...
Danke, liebes Tagebuch!