Ich spür den Rost an meinen Fingern kratzen, während ich hier versuche, einen Kommentar zu schreiben, man sehe mir bitte meine Ungelenkheit nach. x_X
Auch bin ich mir nicht so ganz über das Gedicht im Klaren - nicht, ob es gut oder schlecht ist! Ich finde es bezaubernd! Aber diese letzten zwei Zeilen hinterlassen bei mir irgendwie einen negativen Nachgeschmack. Irgendwie etwas Hoffnungsloses ganz am Ende (Wer mich noch kennt, worauf ich jetzt gar nicht mal mehr hoffen will, der weiß vielleicht, dass ich total auf solche Enden stehe! Aber es ist eben eine überraschende Wende.) und vielleicht laufe ich damit vollkommen in die falsche Richtung und die letzten beiden Zeilen sollen das Gesamtwerk eigentlich nur perfekt abrunden und ich haue eine vollkommen falsche Interpretation raus, aber... Hrm.
Wenn ich mal von oben bis unten durchgehe... Ich glaube, damit würde es mir leichter fallen.
Der Anfang!
Ich liebe den Anfang. Es hat ein bisschen was Naives und Unschuldiges und ganz und gar auf-dem-Boden-Gebliebenes zu sagen, dass es einem "dumm" vorkommt oder eben "seltsam" - aber dass man eben zeitgleich das Gefühl hat, dass die ganze Welt anders ist. Ich meine... Wer kennt dieses Gefühl nicht? Dass man selbst merkt, wie komisch es eigentlich ist, und man wahrnimmt, DASS da etwas komisch ist, dass man sich aber nicht helfen kann und dem Gefühl einfach nachgeben muss? Dass man dann merkt, dass die Welt schöner ist - in deiner Wortwahl "heller, | viel bunter - und frei;", was es wirklich wunderschön umschreibt: Licht, Farbe und Freiheit. Irgendwie das Gefühl, besser atmen zu können. Und ich mag, dass du "heller" und "bunter" als Steigerungsformen gewählt hast, eben um den Unterschied zum vorherigen Zustand deutlich zu machen, dass das "frei" in seiner reinen Form aber irgendwie etwas Absolutes bringt. Dass man denkt, vorher war es gar nicht frei, kann es nicht gewesen sein, denn NUN ist es so. Nun erst ist die Welt frei. Nun erst sieht man eben neben allem Schlechten ganz plötzlich und ganz unvermittelt und ganz ohne eigenes Einlenken erst Hoffnung.
Und dann, ganz plötzlich, kommt dann dieser Einbruch.
Die Welt ist es gar nicht.
Die Welt ist wie immer.
Oder sie KÖNNTE es sein.
VIELLEICHT ist es so - und was sich geändert hat (und ich liebe diese Stelle, denn ich wäre niemals auf so etwas gekommen oO), ist in Wahrheit... das lyrische Ich selbst. Was man als Leser gar nicht sicher weiß, denn selbst das lyrische Ich kann nur spekulieren, aber nach der Einleitung, die man ihm irgendwie geglaubt hat, weil man selbst dieses Gefühl kennt, steht man plözlich da und diese Wandlung (des Ichs, nicht der gesamten Welt) ist mit einem Mal doch viel logischer und wahrscheinlicher. Ja, es muss das lyrische Ich sein, das gewandelt ist, denn die Welt als Ganzes kann nicht einfach so gut und schön und frei sein.
Und DANN kommt die Erklärung dafür, denn nun kommt die andere Person ins Gedicht. Und du hast wirklich zauberhafte Worte dafür verwendet: Der Zauber, der den Augen entsprang, in die er sich aber im selben Augenblick verloren hat. Das ist so viel an Information und ist gleichzeitig so schön ausgewählt, weil es gar nicht viel an Erklärungen braucht. Man hat den Zauber, das Übernatürliche, nicht Logische, nicht zu Erwartende, Fantastische. Man hat die Augen, das Tor zur Seele, wie man sagt, und kann auf Details wie sinnliche Lippen oder dergleichen völlig verzichten und hat dennoch den Effekt - und diese Augen, genau dieselben, auf die sich doch eigentlich der Zauber bezieht, werden am Ende nochmal genutzt, um zu sagen, dass sich das lyrische Ich in ihnen verloren hat. Ein Symbol für gleich zwei vollkommen aussagekräftige Bilder (drei sogar, sieht man die Augen als eigenes Bild, und ich persönlich habe es vor mir gesehen). Und dann ist da noch der Einschub, quasi die Parenthese, die die Spannung aufrecht erhält und den Zauber nachwirken lässt, die das Bild im Grunde durch eine persönliche Auffassung ("So kommt es MIR vor") schmälert und es gleichzeitig doch zu einer persönlichen, individuellen Empfindung macht. Denn andere haben diesen Zauber nicht gesehen. Andere haben nicht gesehen, dass die Welt mit einem Mal heller und farbenfroher und frei ist. Aber gerade diese individuelle Empfindung, gerade diese Begrenzung der Erfahrung der freien Welt, verschärft das Bild eigentlich und verleiht ihm einen besonderen Wert. Als würde man ihm eine Signatur aufdrücken. Es wird besonderer, vertrauter und intimer. Es wird eine Empfindung, die so speziell ist, dass sie nur einer wahrnehmen kann.
Und passend dazu kommt auch sogleich ohne unnötige Überleitung die wahre intime Szene. Die schweißnasse - ich habe beim ersten Lesen spontan an Nervosität und damit verbundene Schüchternheit gedacht - Hand, das Haar, der Kuss der (jetzt kommen sie nämlich doch, um das erste Bild des Zaubers weiter auszuprägen) Lippen und dann als großes Finale natürlich das Herz. Hand, Haar, Kuss der Lippen und Herz. Darf ich das als Steigerung bezeichnen? Denn ich finde, in dieser Strophe ist eine Steigerung vorhanden, eine sehr perfide und sehr inhaltsträchtige sogar. Von Zeile zu Zeile hat man eine Steigerung der sinnlichen Konnotation der Begriffe: Hände allein sind nicht rein sinnlich, aber das Haar ist sinnlich konnotiert. Die Lippen sind sinnlicher als das Haar, denn sie verteilen Küsse, ein deutliches Zeichen der Zuneigung und/oder Liebe. Und dann kommt das Herz, das als DAS Symbol der Liebe schlechthin steht. Eine perfekte Steigerung innerhalb der Wortbedeutungen!
Und in dieser Situation kommt theoretisch ein Strophenenjambement - Die Erfahrung des Moments wird in die letzte Strophe mit hinein getragen. Eigentlich schade, dass du da am Ende der vorletztes Strophe kein Komma statt eines Punktes gesetzt hast, denn wenn ich es lese, könnten die ersten zwei Zeilen der letzten Strophe noch mit zur vorletzten Strophe gehören. Denn das lyrische Ich nimmt Hände und Lippen wahr und sein Leid wird durch sie geheilt, ALS sie (zeitlich) zusammen lachen und tanzen - ebenfalls schöne Begriffe und vielleicht ist der Tanz hierbei auch metaphorisch gemeint. Und dann - BÄM! - ... der Eimer Eiswasser.
Und hier bin ich mir unschlüssig. Denn für mich ist es definitiv Eiswasser.
Aber ja, ich sehe ein, dass man die letzten beiden Zeilen als optimistische Fortsetzung des Gedichtes sehen kann. Das ganze Gedicht hat sich so perfekt aufgebaut. Von einer globalen Szene zur persönlichen Erfahrung zur Zweisamkeit und dann am Ende hängt er der Erinnerung noch in Gedanken nach und träumt für sich allein und sieht einem Wiedersehen entgegen. Wenn du es so schreiben wolltest... kaufe ich dir ab! :D
Aber so lese ich es nicht.
Für mich kommen die letzten zwei Zeilen so plötzlich wie eben ein Eimer Eiswasser. Gerade noch tanzt und lacht man mit dem lyrischen Du und dann liest man von einer Sekunde auf der nächsten, dass dieses Du schon jetzt ... gar nicht mehr da ist. Weg. Einfach entschwunden. Man weiß nicht, wie. Man weiß nicht, wohin. Und ganz sicher erfährt man auch nicht, wieso. Man tanzt noch, in einem Moment tanzt man noch selbst mit und dann merkt man: Huch? Ich bin ja allein!
Und irgendwie hat der Traum in der Nacht für mich etwas von einer kalten, dunklen Kammer und einem leeren, ebenfalls kalten Bett, das ganz im Gegensatz zur "bunteren, helleren, freien" Welt steht, wie sie am direkten Anfang des Gedichtes beschrieben wird.
Mit einem Mal hat man rückblickend einen golden leuchtenden Gedichtanfang und ein kaltes, dunkles Gedichtende. Und es kommt so plötzlich und bleibt einen mit den drei Pünktchen am Ende noch irgendwie hängen. Es gibt keinen direkten Abschluss, es ... läuft zum Ende irgendwie aus. Ich fands schon immer schwierig, dafür einen deutschen Begriff zu finden, was die Engländer so treffend als "fade away" oder "fade out" beschreiben. Es verblasst einfach irgendwie, aber hängt noch nach.
Und das hat mich eben am Gedicht so gefesselt UND es mir gleichzeitig so schwierig gemacht, direkt was zu schreiben.
Denn es gibt hier eine wirklich perfekte Steigerung mit allen Mitteln der Kunst (und stilistischen Mitteln!) und gerade, wenn man von der Euphorie gepackt wird und einem ganz warm ums Herz wurde und man im Licht badete... das Dunkel. Einfach so. Ohne Erklärung. Ohne Erzählung. Ja, selbst ohne NACHFOLGENDE Gedanken, die das Gefühl des lyrischen Ichs nun erklären, wie allein man sich fühlt. Es sind nur die zwei Zeilen und sie lassen einen sprachlos und ohne Anhaltspunkt allein. Und genau dadurch fühlt man sich so allein gelassen. Wie das lyrische Ich im Gedicht. Und man ertappt sich dabei, wie man an den leuchtenden Gedichtanfang zurückdenkt und noch einmal in der Sinnlichkeit, dem Licht, den Empfindungen baden will.
Ich bin völlig verzaubert und verliebt und auf eine seltsame Art und Weise schwer ergriffen.
Zauberhaft, wirklich!