Traumestrunken
Kaum ein Wind wird nicht verwehen,
Ohne dass er Nachricht bringt,
Niemals wird die Sonne gehen,
Wenn der letzte Vogel singt.
Und im Abendrot die Sterne
Glänzen noch bis in die Nacht.
Jede Nähe, jede Ferne
Hat dich noch zu mir gebracht.
Lache über alle Winde,
Die dich so weit fort geführt.
Denn was ich für dich empfinde,
Hat dich längst im Traum berührt,
Trägt die Worte, noch verschwiegen,
Bis zu dir, gleich, wo du bist,
Lässt die Botschaft schweben, fliegen,
Bis zu dir, den ich vermisst.
Während aus der tiefsten Seele
Dir ein Feuer leuchten wird,
Dass es flammend dir erzähle,
Wie die Sehnsucht mich gefriert.
Glänzt wie eine zweite Sonne
Golden schon am Horizont.
Trügt doch auch die Lebenswonne,
Die mir nie mehr fehlen konnt'.
All die hunderttausend Sterne,
Die schon längst am Himmel stehen,
Leuchten mir wie die Laterne,
Die wir auf dem Feld gesehen,
Sollten schützen, stützen, scheinen
Und mit wachem Auge schauen,
Wie sich auf den kalten Steinen
Zwei nur langsam anvertrauen.
Wahren in dem letzten Funkeln
Ihres Lichts den Vogelsang,
Der noch in dem tiefsten Dunkeln
Seicht aus meinem Herzen klang.
Langsam senken sich die Blicke,
Langsam nur und viel zu spät,
Hunderttausend Augenblicke,
Die kein and'rer je errät.
Hunderttausend Augenblicke -
Jeder einzelne für dich! -,
Den ich dir vergeblich schicke;
Keinen lasse ich für mich.
Hunderttausend stumme Tränen,
Nie geweint und nie gesehen,
Werde ich niemals erwähnen,
Mache sie stumm ungeschehen.
Denn ich warte auf die Nähe,
Die doch jeder Ferne folgt.
Bleibe starr, dort, wo ich stehe
Nur vom Mondenschein verfolgt,
Der sich, kaum dass er gesunken,
Für die Sonne neu verzehrt,
Ja, hier steh' ich, traumestrunken,
Wart' auf den, der wiederkehrt.
Lausche aller Vögel Klänge,
Die die Winde weiter tragen,
Die, so sehr ich hoff' und dränge,
Langsam bleiben, trotz der Klagen,
Die - und es wird noch geschehen! -
Ihren Weg bald zu dir wählen,
Traumestrunken niemals stehen,
Bis sie mir von dir erzählen.