• Galgentanz


    Reiß mir mein Herz ’raus und lass es verbluten!
    Schmetter’ es nieder auf kalten Asphalt!
    Wendet das Böse sich endlich zum Guten?
    Reißt du sie nieder, die kalte Gestalt?


    Wünsch dir so vieles, was du immer wolltest!
    Zögere nicht einen Augenblick lang!
    Jeder Respekt, den du mir einmal zolltest,
    Flechtet sich nun, wird verdichtet zum Strang.


    Leg mir die Seile fest um meinen Nacken,
    Leg mir den Strang zärtlich um meinen Hals!
    Will ich auch fliehen, so musst du mich packen!
    Greif mich, zerreiß mich - ein Tanz wie zur Balz.


    Führe mich hoch auf die hölzernen Stufen
    Treibe mich vorwärts, hoch auf das Schafott
    Lass mich nicht stolpern, nicht stocken, nicht rufen,
    Treibe mich weiter und führ mich vor Gott!


    Hast du die Predigt für mich schon bereitet?
    Treibst du ein Possenspiel, narrenhaft vor?
    Fängst du den bitteren Geist, der mich reitet?
    Jagst du mit Hunden mich durch’s Höllentor?


    Reiß mir den Kopf ab, zerschlag ihn zu Erden!
    Reiß mir mein Herz aus, durchstech’ es noch mal!
    Sag mir, was soll aus uns beiden noch werden?
    Schubs mich vom Schemel, beende die Qual!


    Doch wenn die Spiegel der Massen zerbrechen,
    Splitter schon über dem Boden verstreut,
    Wird sich dein bitteres Spielchen gleich rächen.
    Hast du den Strick, den du flechtest, bereut?


    Kippe den Himmel zu Erden herunter,
    Regen fällt aufwärts, gespiegelt im Glas.
    Vögel besingen die Tote dort munter,
    Fern von den Bäumen, den Büschen, dem Gras.


    Lasset den Körper im Winde sich wiegen,
    Herz auf dem Boden, das Haupt noch gesenkt.
    Dachtest du wirklich, du würdest mich kriegen?
    Mir wurd’ ein weiteres Leben geschenkt!


    Drehe mich um und verlasse die Scherben,
    Verlasse die Welten, den Welten entrückt.
    Dachtest du wirklich, ich würde heut’ sterben?
    Dachtest du wirklich, es wär dir geglückt?


    Tanz hoch am Galgen, den du dir gezimmert!
    Starre den Lebenden in ihr Gesicht!
    Du hast dein Leben dir selber zertrümmert.
    Klage mich an! Doch die Schuld trifft mich nicht!

  • Phu o.o mir fehlen die Worte. Meine spontane Interpretation deines Gedichtes: man könnte meinen gerade eben wird jemand hingerichtet, vielleicht zu unrecht, das kann ich nicht so ganz beurteilen. Aber der Henker hat wohl nicht mit dem Aspekt der Widergeburt gerechnet. Und so beginnt das Treiben (ob gut oder schlecht sei nach wie vor einfach so dahin gestellt) des lyrischen Ichs von neuem.


    Ich finds mal wieder einfach nur genial ^^

  • Hm... manchmal gibt es Menschen die es nicht ertragen können jemanden lachen, glauben oder hoffen zu sehen, nur weil sie selbst es nicht mehr können und so wie sie getreten wurden, so treten sie weiter auf die über die sie richten können im heissen Zorn ihrer eigenen Erinnerung... und so oft es ihnen gelingen mag, denn auch das ich in dem Gedicht verliert, jedoch, besiegt wurde es nicht...
    Denn für das Du wurde es zum unauslöschlichen Mahnmal seiner eigenen Schande und was es für immer in dem Du hinterlässt ist das brennende Gefühl der Schwäche und Ohnmacht, das Wissen nicht gesiegt zu haben - und es nie zu können, die Strafe seiner eigenen Schuld...
    Ein verdammt gutes Werk..!

    I see the lights of the village

    gleam through the rain and the mist

    and a feeling of sadness comes o´er me

    that my soul cannot resist

    Einmal editiert, zuletzt von Haggard ()

  • Lucy: Oh danke ^^ Deine Interpretation soweit ist echt gut, nicht nur weil du dir überhaupt Gedanken gemacht hast, sondern weil ich nicht erwartet hätte, dass es jemand rausbekommt, ich persönlich hätte nämlich eher gedacht, dass ich es nur mangelhaft beschrieben habe - und ich denk es noch immer, weshalb wohl keiner auf meine Art der Interpretation kommen wird xD Zumindest kommst du ihr verdammt nahe o_O
    Denn es ist ja so, das lyrische ich wird anfangs scheinbar hingerichtet, es kommt allerdings was dazwischen - und wenn du es als Wiedergeburt sehen willst, dann verneige ich mich hutziehend, ich mag diese Interpretation ^^
    Danke aber generell für den Kommentar! T^T
    *knuff*



    Haggard: Danke ^____^ Wie auch bei Lucy, find ich es immer wieder interessant, was für Gedanken einem bei einem gedicht kommen können, so schnöde es auch an manchen Stellen verfasst wirkt oo
    Und es ist ja wahr, die wahre Schuld - zumindest aus Sicht des lyrischen Ich, wobei das meine vollste Unterstützung hat xD -, liegt ja letztlich beim lyrischen Du, weswegen dieses Du auch seine Niederlage einsehen muss. Denn letztlich kann es nicht gewinnen, kann es auch nicht mehr in Zukunft. Es ist geschlagen ^^
    Zumindest, wenn man das Ende so optimistisch sieht wie ich xDDD
    Danke o_o
    *knuff*

  • cazuh lynnchen, du hast es einfach drauf!!
    Dein Schreibstil ist unübertrefflich, dein Vokabular mundet richtig gut auf der Zunge.
    Das Reimschema ist klasse und die Länge des Gedichts ist auch nicht von schlechten Eltern. Insgesamt ein Meistergedicht. Goethe und Schiller würden sich dreimal im Grab umdrehen vor Eifersucht. Und das Beste, die Qualität deiner Gedichte steigert sich von Mal zu Mal.
    Einfach nur Hut ab^^



    vlg Anubis

  • Oha, wow xDD Damit hab ich ehrlich gesagt nicht gerechnet *___*
    Danke dir <3 Na, ob sich Schiller und Goethe dreimal im Grab umdrehen, sei ihnen überlassen xD Wenn sie es aber tun, dann muss es ihnen ja richtig wehgetan haben, dass wir - ich mit Unterstützung zweier Freundinnen - uns letzten Sommer zu den Füßen ihrer Statue in Weimar eigene Gedichte (von zweien von uns) vorgelesen haben. Pfoahahaha! xDDD Geschieht denen recht ûû
    Erm... Ehrlich gesagt, weiß ich nur nicht, ob das Vokabular in diesem Gedicht so ausgeprägt ist, aber wenn du meinst, ich akzeptier es gerne so! xD *sich verneig* Danke dir T____T"


    <- hat eher mit einem "Früher warst du definitiv besser!"-Kommentar gerechnet xDDD

  • ach iwo, wirst immer besser und besser, ich weiß überhaupt nicht wie du des immer wieder schaffst dich jedes mal zu übertreffen^^