Vor einiger Zeit habe ich die Bücher gelesen und die haben mich schon so fasziniert, dass ich eine Fanfic angefangen habe, die mir aber leider überhaupt nicht leicht von der Hand ging. Damit war das Thema eigentlich mehr oder weniger für mich abgeschlossen... bis der Film in die Kinos kam. Da redeten plötzlich alle wieder darüber. Ich habe mir den Film nicht angeschaut, weil ich erstens mehr Negatives als Positives gehört habe und ich mir Filme zu Büchern generell selten anschaue. Einer Bekannten gefällt "Tribute von Panem" aber so gut, dass sie sich eine FF dazu von mir gewünscht hat. Sie hatte Geburtstag und da wir eigentlich nicht mehr als lose Bekannte sind, habe ich sie ihr geschenkt und irgenwie fanden sie alle toll. Also habe ich mich spontan entschlossen, sie auch hier zu posten.
Es gibt insgesamt drei "Teile", die ich in den nächsten Tagen hochlade. Je nach dem, wie ich Zeit habe.
Über Kommentare freue ich mich!! ^_^
xXx
HOPOPHOBIA
(Die Angst vor der Hoffnung)
- Vormittags -
Mir ist langweilig. Ich sitze im Unterricht und versuche, Menne McTarsh zuzuhören, wie er den gleichen Vortrag wie jedes Jahr hält, weil das Kapitol es jedes Jahr in den Lehrplan schreibt: Über die Dunklen Tage, die Zerstörung von Distrikt 13 durch das Kapitol. In der ersten und zweiten Klasse, vielleicht auch noch in der dritten, war es interessant, aber mittlerweile kann ich den Inhalt von McTarshs Rede fast auswendig herunterbeten.
Ich muss an Prim denken, meine kleine Schwester, die es zum zweiten Mal hört. Letztes Jahr ist sie total hysterisch nach Hause gekommen und es hat ziemlich lange gedauert, bis wir sie beruhigen konnten. Vater hat ihre Ziege Lady dazu gebracht, ihr an den Fersen zu lecken, als sie sich ins Bett verzogen hat, das hat sie dann wieder aufgemuntert.
Wie jedes Mal, wenn ich daran denke, muss ich lächeln.
Ich liebe meinen Vater für die Art, wie er uns immer wieder dazu bringt, finstere Gedanken ganz fest in einer Schublade im hintersten Teil unsrer Köpfe wegzuschließen.
Ich zucke zusammen, als ich auf die grausamste Art aus meinen Gedanken gerissen werde, die es für uns Schüler gibt: Der Alarm geht los. Ohrenbetäubend laut sorgen die Sirenen dafür, dass wirklich jeder aufschrickt.
Augenblicklich bricht Chaos aus. McTarsh versucht erfolglos, uns ruhig und zusammen zu halten, aber die Schüler stürmen davon, allen Angst und Verwirrung ins Gesicht geschrieben, nur eine Frage, die gestellt wird: Was ist passiert?
Ich renne ebenfalls aus dem Raum, sprinte den Gang hinunter und rempele Leute an; unfähig, viel zu denken. Vor Prims Klassenzimmer komme ich schlitternd zum Stehen, reiße die Tür auf und finde meine kleine Schwester genauso vor, wie wir es abgemacht haben, als sie in die Schule kam: Still sitzt sie auf ihrem Platz, beobachtet den Tumult um sich herum aus weit aufgerissenen Augen und wartet auf mich. Sie vertraut mir. Ich nehme sie an der Hand und gemeinsam drängen wir uns zum Ausgang, lassen uns von der Menge mitnehmen.
Es ist unmöglich, mit Prim zu reden, wir sind von zu viel Krach umgeben, obwohl ich sie am liebsten in den Arm nehmen und beruhigen möchte, als sie zu wimmer anfängt. Aber so verstärke ich nur meinen Händedruck, um ihr zu zeigen, dass sie sich auf mich verlassen kann.
Erst jetzt gestatte ich mir, mich zu fragen, was los ist.
Warum wurde der Alarm ausgelöst?
Was ist so schlimm, dass die Sirenen losgehen?
Wir sind an Gewalt gewöhnt, jedes Jahr schauen wir den Tributen von Panem bei den Hungerspielen zu, jedes Jahr weinen wir um die beiden, die vom Kapitol in den Tod getrieben wurden. Auch mein Name wird ab dem nächsten Mal in der großen Urne zu finden sein, denn ich bin fast zwölf.
Was also kann nur geschehen sein?
Ich beiße mir auf die Lippe, lasse Prim nicht los und das Gefühl ihrer kleinen Hand in meiner hilft mir, ruhig zu bleiben. Zumindest äußerlich.
Denn als ich erkenne, wohin wir gehen, atme ich hektisch und zittere.
Es ist das Bergwerk, in dem Vater arbeitet.
Nur dass es kein Bergwerk in dem Sinne mehr ist, ich erkenne es kaum noch. Überall sind Steinbrocken, Trümmer, weinende Menschen.
Prim beginnt, zu wimmern.
Ich halte meine kleine Schwester fest an der Hand und plötzlich wird mir schlecht. Ich presse meine freie Hand auf meinen Bauch, kämpfe gegen den Würgedrang an.
Wo ist Mutter? Ist sie auch hier?
Ich suche sie, suche und suche, finde jedes bekannte Gesicht, nur ihres nicht.
Es ist Prim, die sie entdeckt. Sie zieht an meinem Arm und wir kämpfen uns durch das Gedränge.
Als wir sie erreichen, frage ich schreien, um den Lärm zu übertönen: „Was ist passiert?“
Aber meine Mutter antwortet nicht. Ich runzele die Stirn, frage mich, ob sie mich nicht gehört hat, und will gerade noch einmal rufen, als Greasy Sae mich von hinten an der Schulter packt. Ich kenne sie seit ein paar Monaten vom Schwarzmarkt, den mein Vater mit frisch geschossenem Fleisch beliefert, wobei ich ihn manchmal begleite.
„Katniss“, sagt sie.
Prim lässt meine Hand los und wirft sich in Mutters Arme, ich wende mich Greasy Sae zu.
„Was ist hier los?“
Sie muss nicht schreien, um sich hörbar zu machen, denn für mich hält die Welt an, als sie mir antwortet und ihre Worte hallen wie ein Echo in meinem Innern nach.
„Es hat eine Explosion gegeben, Katniss. Die Bergarbeiter sind unter den Trümmern gefangen.“
Die Welt bewegt sich wieder, sie zittert. Und zerbricht dann in Tausende von Scherben.
Das Erste, was ich als nächstes vernehme, ist Prims Schluchzen. Das Wimmern ist dem Weinen gewichen und die Tränen quellen aus ihren Augen wie kleine Wasserfälle.
Ich öffne den Mund, um zu schreien, weinen, irgendwie meine Gefühle aus mir herauszulassen – aber es kommt nichts. Stumm wie ein Fisch stehe ich da, starre Greasy Sae an, meine Mutter, die auf die Knie gesunken ist, Prim, die sich noch immer in ihren Armen befindet und sie beide schüttelt. Alle anderen Menschen, auf deren Gesichtern das pure Entsetzen, die blanke Angst zu sehen sind.
Die Helfer, die Friedenswächter, die scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht sind und uns zurückdrängen, die Steine und Trümmer beiseiteschieben, zerstören, um irgendwie die verschütteten Arbeiter zu erreichen. Verzweifeltes Handeln, überall.
Und ich? Ich stehe wie angewurzelt da, kann es nicht fassen, bin nicht ganz bei mir.
Ich habe das seltsame Gefühl, lachen zu müssen, ein paar erstickte Laute kommen mir über die Lippen und eine Sekunde später schäme ich mich zutiefst.
Was ist los? Was ist los mit mir?
Warum kann ich meiner Trauer nicht Ausdruck verleihen, wie all die anderen auch?
Etwas drückt gegen meine Brust, drückt, drückt, drückt mich zu Boden, aber ich falle nicht. Ich stehe noch immer an der gleichen Stelle, aufrecht und bewegungslos.
Meine Gedanken fahren Karussell in meinem Kopf, drehen sich um ein Wort, ein zentrales Wort meines Lebens.
Vater.
xXx
- Danke für's Lesen!