Shuusei Totsuka (Mittag - Esszimmer -> Küche)
Meine scherzhafte Antwort scheint Kegan etwas verwirrt zu haben; letztendlich freut er sich dennoch von uns so akzeptiert worden zu sein. Dennoch ist es mir immer noch ein kleines Rätsel warum ihn das so sehr beschäftigt, denn wie Takeru schon meinte haben wir ganz andere Probleme und eins davon ist direkt vor mir und ist gerade dabei eine Salbe auf mein angeschwollenes Schienbein zu verschmieren.
Takeru hat schon das Haus verlassen. Sorgen mache ich mir zwar trotzdem noch aber das Haus ist ja nicht weit weg und das offene Feld sollte eine Flucht leicht machen.
Ich schaue zu dem Alten, der sich den Rest der Salbe an seinem Ärmel abreibt.
»So schlimm ist es gar nicht. Einfach nur verstaucht und angeschwollen. Mach dir jetzt noch nen Verband drum und mit ein wenig mehr Schonung sollte es in ein bis zwei Tagen geheilt sein«, erklärt mir der Alte.
»Woher können sie das so genau sagen? Sind sie Arzt oder so?«
»Nicht wirklich, also ich war Lehrer in einer Schule nicht weit von hier. Neben dem Unterrichten war ich auch für die verletzten und kranken Schüler verantwortlich. Sozusagen kenne ich mich mit solchen Verletzungen schon gut aus.« Ein Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht. //Armer Mann. Und jetzt soll ich ihn erzählen, dass seine so schöne Welt nicht mehr existiert... Fuck...//
Mit dem Schließen seines "erste Hilfe" - Koffers, beendet er meine Behandlung und ist auch schon dabei Kegans Auge unter die Lupe zu nehmen. Zwar meint er, dass er sich mit Augen nicht so gut auskennt, aber - so denkt er - sieht das Auge nicht weiter schlimm aus.
»Etwas ausgetrocknet«, kommt er zum Schluss, »mit ein wenig Augentropfen, sollte das wieder geregelt sein. Ich glaube, ich habe sogar noch welche im Bad. Ich hole sie mal schnell.« Und so verschwindet er auch schon aus dem Esszimmer.
Ich habe schon beinahe vergessen, dass es auch freundliche Menschen gibt. Der Alte weiß zwar von der Apokalypse noch nichts, aber selbst wenn er bösartig werden sollte, wird es noch andere Menschen geben, die genauso freundlich sind, wie er jetzt. //Das sollten wir wohl niemals vergessen//, sage ich mir und mache mich bereit ihm alles zu erzählen.
Nachdem er die Augentropfen Kegan verabreicht hat, frage ich ihm, ob er sich nicht mit mir ein paar Minuten alleine unterhalten möchte. Sichtlich verwundert willigt er natürlich ein und führt mich in die Küche.
»Was liegt denn auf deinen Herzen Junge? Ich bin ganz Ohr.«
Ob er eine Vorahnung von dem hat, was ich ihm jetzt erzählen werde?
»Sie haben doch vorhin von den brutalen Übergriffen im Fernsehen erzählt, richtig?« Er nickt. »Was wenn ich ihnen jetzt erzähle, dass es sich bei den Menschen, von denen die Übergriffe ausgegangen sind, um von den toten auferstandene Untote sind.«
Die Augen des Alten wurden größer und sein Oberkörper richtet sich langsam auf.
»Ich weiß, es klingt verrückt und es ist für mich auch verdammt schwer in Worte zu fassen, aber ich habe etliche von ihnen gesehen, musste mit anschauen wie Fremde, sogar Freunde von diesen Untoten getötet worden. Haben sie sich denn nicht gefragt, warum ich ein Schwert bei mir trage? Haben sie denn je eine Gruppe an Jugendlichen gesehen, die völlig verdreckt und mit roter Flüssigkeit beschmiert sich in einem Wald verirrt und an ihrer Haustür klingelt?« Ich stoppe für einen kurzen Moment.
Sein Ausdruck ist geprägt von Verwirrung.
»Wenn sie mir nicht glauben wollen, verstehe ich das natürlich zu hundert Prozent. Auch ich würde jeden für Bescheuert erklären, der mir so einen Scheiß verkaufen will; aber bitte lassen Sie sich meine Worte durch den Kopf gehen. Die Untoten sind echt! Und irgendwann werden sie es auch an ihre Haustüre schaffen und vielleicht ist es dann schon zu spät. Verbarrikadieren Sie sich oder fliehen Sie bitte! Sie sind ein gutmütiger Mensch und ich könnte es nicht ertragen sie hier sterben zu lassen.«
Mein Hals ist trocken vom reden und trotzdem schlucke ich ein großen Batzen an Angst hinunter.
Der Alte reibt sich mit den Händen übers Gesicht und wendet seinen Blick zum Fenster hinaus.
»Irgendwie, habe ich es mir schon gedacht, dass da irgendwas Komisches an den Übergriffen dran ist. Dass mein Fernseher kaputt ist, habe ich mir auch nur eingeredet. Der Kasten ist zwar alt, aber er hatte noch nie Probleme und dass er gerade jetzt den Geist aufgibt, fand ich schon sehr merkwürdig. Auch meine Nachbarn wollten eigentlich schon seit zwei Wochen wieder zurück sein... Zuerst habe ich versucht dieses mulmige Gefühl zu verdrängen, aber nachdem ich euch gesehen hatte, ist es wieder zurückgekommen. Wenn ich ehrlich bin, dann bleibt mir praktisch nichts anderes übrig, als dir zu glauben. Die Schaufel stand auch noch nicht immer neben meiner Haustür. Erst nachdem ich die Nachrichten gehört hatte, habe ich sie dort hingestellt.« Er schaut wieder zu mir. »Danke, Junge. Mach dir keine Sorgen um mich. Ich bin alt genug, um mich selbst aufzupassen. Würde mich auch schlecht fühlen, wenn ich mein Leben einem Jungspund wie dir in die Hand geben würde.«
Ein Lächeln. Um genau zu sein ein verzweifelndes Lächeln, dass versucht Zuversicht zu übermitteln.