Wie steht ihr zum Thema Mobbing?
Natürlich lehne ich Mobbing ab. Obwohl ich Ursachen und Gründe durchaus verstehen kann, heiße ich sie dennoch nicht gut. Vielleicht bin ich in der Hinsicht einfach zu lieb, da ich stets darum bemüht bin niemandem Schaden zuzufügen, aber jemand anderem das Leben schwer zu machen oder gar zu versauen? Nein, das käme mir nie in den Sinn.
Was sind eurer Meinung nach die Ursachen?
Sämtliche meiner Mobber hatten starke Probleme mit sich selbst, ihrem Umfeld oder ihrer Familie. Da war beispielsweise dieses Mädchen, das von ihrer Mutter ständig zu schulischen Höchstleistungen angetrieben wurde und riesigen Ärger bekam, wenn jemand besser in einer Klassenarbeit abschnitt als sie selbst - und das tat ich oft. Für mich ist es darum kein Wunder, dass ihr Ausweg darin bestand den Rest Klasse gegen mich aufzuhetzen und mir dadurch meine Noten zu vermiesen. Jemand, der noch so jung ist und derart unter dem Pantoffel seiner Helikoptereltern steht, der weiß sich einfach nicht anders zu helfen. Ihre Aktion war definitiv daneben, heute bin ich ihr aber deswegen nicht mehr böse. Sie wusste es eben nicht besser und wollte ihre strenge Mama stolz machen.
Dann gab es da diesen Jungen, der ständig ziemlich konservativ herumlief, damit er bloß nicht auffiel und nicht aus seiner Clique verstoßen werden würde. Allerdings - und das gab er selbst zu - wollte er anders sein, einen besonderen Kleidungsstil tragen und sich künstlerisch an sich selbst ausleben. Als er mich damals sah, wie ich mit bunten Haaren und zerrissenen Hosen in die Schule kam, wurde er schrecklich neidisch, denn ich kümmerte mich nicht um Meinungen anderer und hatte einen sehr toleranten Freundeskreis, der mich so akzeptierte wie ich war. Sein Neid hat ihn letztlich dazu gebracht mir ständig irgendwelche blöden Sprüche an den Kopf zu werfen, mich hässlich zu nennen, meine Schulsachen zu verstecken... Und natürlich auch wieder andere gegen mich aufzuhetzen, die sich daran beteiligt haben. Auch ihm kann ich nicht mehr böse sein. Zwar hat sein Verhalten ziemlich an meinem Selbstbewusstsein genagt, letztendlich jedoch weiß ich wie es ist, wenn man gefangen in einem Körper ist, wenn man doch ein ganz anderes Bild von sich selbst hat. Das ist frustrierend und das macht traurig und wütend. Und wenn dann jemand daher kommt, der sich all das traut und nichts zu befürchten haben muss... Nun, das schafft definitiv Frust.
Wurdet bzw. werdet ihr selbst gemobbt?
Wie bereits in der vorherigen Antwort angedeutet wurde ich selbst gemobbt. In den ersten acht Schuljahren sehr heftig, danach ging es allmählich. Inzwischen sind ich und meine Klassenkameraden in einem Alter, in dem man so etwas normalerweise nicht mehr macht, weil man eben möglichst erwachsen wirken möchte. Klar gibt es auch unter älteren Leuten die ein oder andere fiese Ausnahme, diese ist mir bisher aber zum Glück noch nicht begegnet.
Mir ging es während der Zeit des Mobbens und auch noch Jahre danach extrem schlecht. Ich war so verschüchtert, dass ich nicht einmal mit einem Kassierer sprechen konnte, aus Angst von diesem ausgelacht zu werden - total verrückt. Meine Sachen habe ich darum immer online bestellt und bin generell nur dann vor die Türe gegangen, wenn ich unbedingt musste.
In den letzten zwei, drei Jahren jedoch habe ich einiges an Aufholarbeit geleistet und mich darum bemüht, das Vergangene hinter mir zu lassen. Was mir sehr geholfen hat war eines: Zu verzeihen. Das ist gewiss nicht einfach, aber nach langen Überlegungen warum das Ganze geschehen war und was meine Mobber damals gedacht haben mussten, da hatte ich dann doch ein wenig Mitleid für diese Menschen - letztlich waren sie damals genauso unglücklich wie ich.
Darüber hinaus hat mir das Mobbing sogar geholfen. Das soll den vergangenen Schmerz nicht relativieren, aber ich bin mir sicher, dass ich meine Mitmenschen heutzutage anders behandeln würde, hätte man mich nicht gemobbt. Ich habe eine ziemlich hohe Toleranzgrenze, komme inzwischen quasi mit jedem Typ von Mensch gut aus und weiß ganz genau, wie ich mich ihnen gegenüber verhalten muss. Und diese Menschenkenntnis, obgleich sie auf unschönen Geschehnissen beruht, möchte ich definitiv nicht missen - lustigerweise bin ich heutzutage nämlich diejenige, die alle besonders gut behandeln.
Mobbt ihr sogar selbst bzw. habt ihr gemobbt?
Ich selbst habe niemals aktiv jemanden gemobbt, allerdings auch nicht das Mobbing einer Mitschülerin lautstark verhindert. Wir waren mehr oder weniger befreundet (wie eben typische Schulkameraden, die in der Pause miteinander rumhängen), sodass ich ihr im Stillen Mut zusprechen konnte und sie aufzubauen versuchte, aber vor der Klasse habe ich sie nie verteidigt. Dafür schäme ich mich heute noch, denn letztendlich habe ich keinen meiner Mitschüler je wiedergesehen - mir hätte es also vollkommen egal sein können, was sie danach von mir denken mochten.
Kann Mobbing verhindert werden?
Nein. Es liegt in der Natur des Menschen nach Macht zu streben und um sich zu schlagen, sobald seine Führungsposition in Gefahr gerät. Hinzu kommen Neid, Frustration, Druck von außen... Eine Mischung, die sich selten gegen einen selbst und sehr häufig gegen andere entlädt, weil das meistens wesentlich schmerzloser und einfacher ist. Mobbing kann nur dann verhindert werden, wenn man andere Wege findet um mit dieser Mischung umzugehen. Gerade junge Personen haben jedoch weder die Möglichkeit noch die Lebenserfahrung, um einen solchen anderen Weg zu finden. Verhindern kann man also nichts, aber es durch entsprechende Angebote und Aufklärung zumindest ein wenig besser zu machen.