(...) doch man, das ist eine Form, sie der Mitschuld zu bezichtigen. Solche Vorwürfe sind entmächtigend, entmenschlichend und im Fallen des Mannes auch psychisch emaskulierend.
Dieses Narrativ, es wäre grundsätzlich verkehrt das Opfer zu kritisieren, halte ich nicht für zielführend. Dass das Opfer das Opfer ist, bedeutet nicht, dass es alles richtig gemacht hat, dass es sich nicht falsch verhalten hat. Es ist sehr wohl ein Unterschied, ob man einem Opfer sagt: "Du bist doch selbst schuld!" oder: "Du hast falsch gehandelt". Das Opfer ist daran, dass es zum Opfer wurde nie schuld, es ist aber manchmal mitverantwortlich, da sein Verhalten zu dem ganzen Unerwünschten beigetragen hat - und das kann und soll man ansprechen. Wenn man jemandem nicht erklärt, das er falsch gehandelt hat, kann es sehr gut sein, dass er beim nächsten Mal ähnlich handelt und ähnliche Früchte ernten muss. Und es geht nicht nur um das Opfer, sondern auch um jeden anderen, der potentiell Opfer werden könnte.
Und entmenschlichend ist daran gar nichts. Der Aufruf zur männlichen Charakterstärke ist keine Dehumanisierung. Ich würde auch bitten, mir so was nicht vorzuwerfen.
Es ist ja schön und gut, wenn du diese Kraft hast, in jeder Situation und in jeglicher Hinsicht deine persönlichen Grenzen klarzumachen und dich nicht von irgendwem manipulieren zu lassen, aber die meisten Leute haben diese Kraft nicht, wenn der Täter jemand ist, denen sie nahestehen.
Diese Kraft habe ich auch nur bedingt, aber darum geht es nicht. Es geht konkret um ein reales Extrembeispiel: Ein Mann lässt sich von seiner Frau schlagen. - Eine innere Kraft zu haben, das zu unterbinden ist nicht zu viel verlangt.
Solche Dinge passieren. Und in der Regel weiß man zu Beginn einer Beziehung nicht, dass die Person, mit der man genannte Beziehung beginnt, Tendenzen in diese Richtung hat. Wahrscheinlich zeigen sich solche abusive tendencies auch erst nach Monaten oder gar Jahren, die man mit dieser Person hinter sich hat; und wenn man so viel Zeit mit miteinander verbringt, einander liebt... glaubst du wirklich, dann ließe sich so einfach mit der Situation umgehen, als einen plötzlichen, klaren Schlussstrich zu ziehen?
Du hast in deiner Argumentation nicht unrecht. Würde es um Kleinigkeiten gehen, würde ich dir zustimmen. Aber... Aber es geht darum, dass ein Mann von seiner Frau geschlagen wird. Daher: Ja, ich glaube, es ließe sich ein Schlussstrich ziehen. Wer (gerade als körperlich Überlegener) so etwas hinnimmt, duldet, geschehen lässt, hat - wie ich das sehe - keine Achtung vor sich selbst, keine Achtung vor seiner Würde und gehört dafür kritisiert. Damit sich wohlmöglich bei ihm, aber vor allem bei anderen potentiellen Opfern etwas im Kopf tut.
Eine gesellschaftliche Atmosphäre, in der es als in Ordnung gilt, sich von seiner Frau schlagen zu lassen, ist eine ungesunde gesellschaftliche Atmosphäre. Willensschwaches Verhalten ohne Rückgrat und Souverän führt zum Untergang und muss kritisiert werden, damit sich was ändert. Zu wem sollen nur die folgenden Generationen heranwachsen?
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Ich muss ehrlich sagen, ich habe gestern Abend lange überlegt, ob ich eine Antwort schreiben soll, weil mich dein Post ziemlich geärgert hat, habe mich jedoch letztlich dafür entschieden und lege meine Meinung zu einigen deiner Punkte dar:
Ich hoffe, dass zukünftige Generationen in einer Atmosphäre aufwachsen, wo derartige Stereotype nicht benötigt werden und toxische Männlichkeit ein Fremdwort ist. Ich wünche mir, dass zukünftige Männer Emotionen und Gefühle zeigen, sowie schwach sein können ohne verspottet zu werden, sie weinen können, wenn ihnen danach ist und zugeben können auf Kuscheln zu stehen ohne eine Lachnummer zu sein., etc. ... .
Gewalt in der Beziehung ist mMn nie in Ordnung, da spielt es keine Rolle, ob man Mann oder Frau ist. Beiden Geschlechtern kann es passieren, dass hat nichts mit Achtung, Selbstwert oder ähnlichem zu tun.
Du schreibst in deinem ersten Absatz ständig, dass du kein Victim Blaming betreiben willst, tust jedoch genau das. Schon irgendwie witzig. Du betreibst hier genau jene Relativierungen, die das Problem sind: "Sie hat doch einen zu kurzen Rock an", "Er ist ein Mann, er hätte sich doch wehren können". Auch Teilschuld zuschreiben ist Victim Blaming!
In deinem vorigen Post schreibst du von Gewalt außerhalb von Selbstverteidigungssituationen. Wie meinst du das? Im Ring, wo beide zustimmen? - Bin ich voll bei dir, mache ich auch. Überall anders, außerhalb des genau definierten sportlichen Rahmens? Nein, geht gar nicht. Insbesondere weil Gewalt meistens von einer Seite ausgeht und du sie damit dem Gegenüber aufzwingst (Der Attackierte ist meist der Schwächere, ebenso der Gemobbte - sonst würde der Angriff ja gar nicht erfolgen), ist sie nie die Lösung um Probleme zu lösen. Da darf das Gesetz und soziale Konventionen ruhig mit voller Härte dagegen vorgehen.
PS: Ich bin mal darauf gespannt, wann wir ein Thema gleich sehen