Ich empfinde Politik als ein ausgesprochen faszinierendes und unterhaltsames Feld, nicht zuletzt, weil sie den Kern gesellschaftlicher Entwicklung berührt. Umso bedauerlicher erscheint mir die Tatsache, dass politische Debatten häufig von Emotionen überlagert werden. In meiner Überzeugung sollten Emotionen nicht nur in der Politik, sondern in allen wesentlichen Fragen des menschlichen Zusammenlebens nicht das primäre Steuerungsinstrument sein.
Stattdessen sollten Entscheidungen auf Grundlage empirischer Erkenntnisse, rationaler Abwägung und langfristiger Wirkungsanalyse getroffen werden. Sobald emotionale Affekte wie Angst, Wut oder moralische Selbstüberhöhung dominieren, droht eine Polarisierung der Gesellschaft, die sachliche Auseinandersetzung unmöglich macht.
Deshalb ist es essenziell, bereits früh in der Erziehung Werte wie Toleranz, Akzeptanz und die Fähigkeit zur Ambiguitätstoleranz zu vermitteln. Also die Kompetenz, unterschiedliche Meinungen auszuhalten, ohne sie sofort emotional zu bewerten oder abzulehnen. Es ist in Ordnung, wenn jemand eine andere Sichtweise vertritt, auch wenn diese provokativ oder unangenehm ist.
Wenn mir beispielsweise ein Rechtspopulist ablehnend begegnet, weil ich ausländische Wurzeln habe, nehme ich das nicht persönlich. Es ist gut möglich, dass seine Haltung auf negativen Erfahrungen beruht, die ich ernst nehme, auch wenn ich sie nicht teile. Solange die Grenze zur Gewalt nicht überschritten wird, halte ich es für produktiver, aufeinander zuzugehen als sich abzuwenden.
Was meine Beobachtungen zur politischen Landschaft in Deutschland betrifft, fällt mir auf, dass rechtspopulistisch eingestellte Menschen häufig von Ängsten und Unsicherheit getrieben sind. Sie empfinden Veränderungen als bedrohlich und reagieren aus einem tief verwurzelten Bedürfnis nach Stabilität heraus.
Linkspopulistische Positionen hingegen scheinen sich stärker um Fragen der sozialen Zugehörigkeit und moralischen Selbstvergewisserung zu drehen. Denkweisen wie „Ich gehöre zu den Guten, also bin ich gut“ deuten darauf hin, dass das eigene Selbstbild durch politische Haltung aufgewertet wird, oft verbunden mit einem gewissen Maß an Selbstdarstellung oder ideologischer Überhöhung.
In den extremen politischen Rändern, sei es bei rechtsextremen Gruppen oder bei Antifa-Strömungen, ist die psychologische Dynamik verblüffend ähnlich:
- Der Rechtsextreme sagt: „Alles, was so ist wie ich, ist gut.“
- Der Linksextreme sagt: „Alles, was so denkt wie ich, ist gut.“
Beide Haltungen folgen letztlich einer identitären Logik, die auf Abgrenzung, Selbstwertstabilisierung und Ausgrenzung des „Anderen“ beruht, nicht auf politisch-konstruktivem Dialog. In diesem Sinne besitzen extreme Gruppierungen keinen nennenswerten politischen Wert, da sie nicht zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen, sondern diese eher verschärfen.
Politische Relevanz beginnt dort, wo kollektiver Fortschritt ermöglicht wird – nicht für einzelne Gruppen, sondern für die Gesellschaft als Ganzes. Eine Partei, die lediglich bestehende Verhältnisse konserviert, zurück in die Vergangenheit blickt oder ausschließlich Partikularinteressen bedient, verliert langfristig an Bedeutung.
In Deutschland sehe ich in der SPD die einzige größere politische Kraft, die grundsätzlich auf Zukunft und Fortschritt ausgerichtet ist. Allerdings scheint jeder Schritt nach vorn mit einem Schritt zurück einherzugehen was im Endeffekt politischen Stillstand erzeugt. Die Herausforderung besteht darin, Kompromisse zu finden, ohne die Richtung zu verlieren.