Nach gefühlten 1000 Ansätzen versuche ich nun, meine Meinung auch mal vernünftig abzuschliessen.
Mich fasziniert an diesem Anime die Tiefe.
All die Millionen, kleinen Hinweise und Andeutungen,
und die Tatsache, dass es hier nicht nur um einen Jungen, seine Vergangenheit, das Klavier und die erste Liebe geht.
Es geht um alles in dieser Geschichte.
Selbstverständlich spielt die Musik eine sehr grosse Rolle,
zum einen das Dilemma von Kousei, dass er sein Spiel nicht hören kann und daran verzweifelt.
Aber auch die Schwierigkeit, von Musik zu leben, vorallem als junger Mensch.
Das "human metronome" vs. die rein gefühlsgeleitete Spielweise Kaoris,
welches in höheren Ligen der Klassischen Musik tatsächlich Streitpunkte sind.
Folge den Noten bis auf den letzen Ton, lass dich nicht von deinem Inneren leiten, sonst kassierst du schlechte Benotung.
Daraus resultierend eben auch das Problem, als emotionaler Musiker weniger Verdienst zu erhalten.
(Vorallem im OVA) wird ausserdem auch das Thema Freizeit & Spitzenmusiker angesprochen,
in Form von Takeshi, der seine komplette Zeit dem Piano widmet und ziemlich desillusioniert wird von der Tatsache,
dass er trotzdem nicht besser ist als Kousei.
Selbstverständlich auch Kousei selber, der Tsubaki des öfteren versetzen muss.
Was ich auch sehr schön gemacht finde ist die Tatsache, dass Statisten nie "spielen".
Ganz zu Beginn irritierte mich das unheimlich und ich fand es sehr schade, dass die Figuren beim spielen offensichtlich nicht animiert sind,
sondern nur aus verschiedenen Winkeln gezeigt werden.
Bis ich irgendwann festgestellt habe, dass dies nur bei nicht weiter wichtigen Personen der Fall ist.
Die Hauptfiguren, vorallem natürlich Kousei, Kaori, Emi und Takeshi (sowie seine Schwester) werden immer in Bewegung dargestellt.
Nicht einmal Miike-kun hat eine Spiel-Animation erhalten.
Das ist meiner Meinung durchaus sehr bewusst so dargestellt.
Der Anime spricht generell von Verlieren und Gewinnen - wie minimale emotionale Zustände alles verändern können,
siehe Watari und Tsubaki, die ihre Chance im Sport verpassen weil ein winziges Detail nicht hingehauen hat.
Eine unheimlich schöne Szene diesbezüglich war für mich jene mit Watari, der vorne rum die Teamkameraden versucht weiter zu motivieren es in der High School erneut zu probieren,
um nachher, wenn er alleine ist, genauso zu verzweifeln. Nun, so ist es eben, oder?
Die Liebe wird thematisiert, auf eine sehr unschuldige, weltliche Art und Weise.
Natürlich, Kousei ist so DÄMLICH, dass er einfach nicht erkennt, was in Tsubaki vorgeht,
aber um Himmels Willen, ist es im echten Leben nicht auch viel eher so, als die einzig grosse leuchtende Liebe und alles ist gut?
Irgendwo las ich einen Kommentar dazu, welche sich darüber beschwerte, dass es sich hier um eine Dreiecks-Beziehung handele und man die Schnauze voll davon habe.
Ja, nun.. wie oft ist denn Liebe vollkommen einseitig und problemfrei?
Das Thema Liebe wird sehr viel realitätsnaher beschrieben als in manch anderem Anime, den ich so gesehen habe.
Es geht um selbstvertrauen und sicherheit.
Hinein spielt natürlich auch Kouseis Unfähigkeit ehrlich zu Kaori zu sein,
im Irrglauben, dass sie auf Watari steht. Sehr schön sieht man hier auch,
wie sehr Kousei im Verlaufe der Story wächst, schafft er es am Ende tatsächlich, wenigstens zu Watari ehrlich zu sein.
Auch die offenherzige, selbstbewusste Tsubaki wird plötzlich ganz kleinlaut, wenn es darum geht,
ehrlich zu sich zu sein. Ihr Ausbruch gegenüber Kousei, als diese Schutz vorm Regen suchen ist sehr schön zu beobachten.
War einfach irgendwie fällig, ne?
Eine meiner Lieblingsszenen bezogen auf das,
ist jene mit Kaori und Kousei,
also Kao-chan feststellt, dass Kousei nicht gewachsen ist, sondern einfach nur aufgehört hat, nach unten zu sehen.
Unheimlich schön!
Die Thematik um das runtersehen wird generell oft gebracht, wenn auch nicht immer offensichtlich.
Faszinierend ist der Vergleich des ersten Auftrittes von Kousei mit dem letzen der Serie.
Beim ersten - als Pianist von Kaori, als sie nach vorne treten um sich nach getaner Arbeit zu verneigen, gibt es einen Augenblick,
in welchem beide von der Seite zu sehen sind. Und - überraschung - Kaori guckt nach oben, Kousei nach unten.
Beim letzen Auftritt am 18ten beginnt seine Performance komplett unten. Schon im Flur bei der Begegnung mit Takeshi und Emi.
Und dann, in seiner Vision mit Kaori schaut er kein einziges Mal nach unten.
Auch bei seinem ersten Einzelauftritt fressen sich Kouseis Augen an der Klaviatur fest, und er gerät wieder total in Stress.
ERST als er aufsieht, zu den Lampen an der Decke fängt er an, frei weg vom Herzen zu spielen.
Ist übrigens in dieser Reihenfolge auch während anderen Auftritten von ihm zu beobachten.
Kaori fordert ihn unheimlich oft unbewusst dazu auf, nach oben zu sehen.
Nicht nur indem sie auf den Mond und die Sterne hinweist, sondern auch durch die Flugzeug-Szene.
Das erste Mal nach oben sehen tut Kousei, als er Kaori mit der Harmonika auf dem Spielplatzdingens sieht.
Ebenfalls ein sehr symbolträchtiger Moment.
Ebenfalls schön vertreten Thema Freundschaft. Und zwar auf mehreren Ebenen.
Angefangen bei der Dreiergruppe Watari-Kousei-Tsubaki, die sich kennen seit sie denken können,
dementsprechend einiges erlebt haben zusammen.
Schön dargestellt in vielen Szene, unter anderem jener, in welcher Kousei Watari um einen Gefallen bittet,
und dieser sofort Zusagt, ohne überhaupt zu wissen, worum es geht.
Die Gegenüberstellung von zweier Personen, der eine kennt Kousei ewig, der andere erst kurz,
und wie da gegenseitig die Eifersucht auf verschiedene Weise greift.
Tsubaki, die Kaori dafür beneidet die Musik mit Kousei gemeinsam zu haben,
und auf der anderen Seite Kaori, die Tsubaki für all die Erinnungen beneidet, die sie mit Kousei verbindet.
Plus das Tsubaki alles weiss von Kousei, von Anfang an.
Im Bief an Kousei lässt Kaori sich bei Tsubaki entschuldigen, dafür, dass sie diese nicht direkt nach Kousei gefragt hat,
sondern den Umweg über Watari gegangen ist - weil sie wusste, dass es Tsubaki nicht gefallen würde, dass Kaori interesse an Kousei hat.
Selbiges mit Kousei und Watari - der eine hält sich zurück aus Rücksicht auf den anderen und die Freundschaft. Klassiker.
Noch gar nicht angesprochen das Thema um Kousei und seine Mutter.
Tatsächlich ein Klischee des Drama-Genre, toter Elternteil kommt da sehr oft vor.
Shigatsu wa Kimi no Uso erzählt das meiner Meinung nach aber auf einer ganz anderen Ebene.
Im Vordergrund steht vorallem der Zweifel und die Schuldgefühle von Kousei,
weil er verzweifelt versucht alles zu vergessen und zu verlassen, was ihn an seine Mutter erinnert.
Nicht umsonst fragt Kousei Hirakawa-san danach, ob seine Mutter ihm das wohl je wird verzeihen können.
Ich denke, genau darin liegt auch das eigentlich schmerzhafte für Kousei an dem ganzen Kabuff um seine Mutter und deren Tod.
Das er, irgendwo tief in sich drin, sich genau daran erinnert hat, wie seine Mutter eigentlich wirklich war.
Dass die projektion, welche er von seiner Mutter kreiert hat - eine schlagende, schreiende, böse Mutter, eben nur seinem Wunsch entspricht,
der Musik den Rücken kehren zu können. Dass das nicht klappt versteht sich ja irgendwie von selber.
Ich finde es unfassbar gut gemacht, dass der Zuschauer völlig von dieser krampfhaft aufrechterhaltenen Erinnerung an eine schlechte Mutter eingenommen wird,
und erst durch Hirakawas Erinnerung zu verstehen beginnt, dass es eigentlich ganz anders war.
Das so zu schaffen ist wirklich eine Kunst.
Ach, es gäbe noch so vieles was angesprochen gehört zu diesem Anime -
Kaoris Krankheit und ihre Eltern,
ihre generelle Lebenseinstellung, dass ich die Referenz zum japanischen Roman "Alliance of the 15s" sehr treffend fand,
Die schwarze Katze und generell das aussen/hinten/nebendrumherum.
Die Faszination Feinde stärken einander und die absolut grossartige Szene mit Takeshi, Emi und Kousei und den "super soften Eiersandwiches".
Aber ich denke, für einen Einblick in meine Sicht auf Shigatsu wa Kimi no Uso reicht das bisher geschriebene auch.
Als Jemand, der in manchen Teilen eine Ähnliche Biografie vorzuweisen hat, hielt dieser Anime Antworten bereit.
Kritikpunkt für mich: Zu wenig Watari-Action ._.
Nein, im Ernst - ich hätte mir mehr Alltag gewünscht, generell von allen Figuren (ausser Kaori),
einfach ihr gemeinsames Beisammensein.
Aber nicht, dass auf Kosten der bisherigen Story was weggekürzt wird, sondern das es mehr oder längere Folgen sind,
wo solche Aspekte mehr angesprochen werden.
Selbstverständlich geht es Hauptsächlich um Kousei - er ist die Hauptperson, um Himmels Willen!
Aber einige Extrafolgen hätten nicht geschadet.
Soviel dazu von mir.