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Kapitel 1) Hibiko


Ich lebte stetig in einem eingerosteten dreckigen Käfig, ohne den Willen nur einmal zu versuchen diesem zu entkommen, doch dann kamst du.


Ich war schon immer kein Junge von großen Worten oder Taten, ich lebte in den Tag hinein und dachte nur an meine eigenen Sorgen und nicht an mein Umfeld. Die Schule plätschert vor mich her ohne mich groß zu unter- oder überfordern. Doch wirklich zu Ruhe kommen kann ich nur an Abenden, wo ich alleine die Sterne betrachte und der Wind mein Haar durchweht. Leute wie mich gibt es wie Sand am Meer, ich falle weder auf, noch möchte ich wirklich auffallen, ich bin einfach einer dieser Statisten in diesen coolen realitätsfernen Kinofilmen. Wenn ich mich wohl beschreiben müsste, würde das Wort "Langweilig" wahrscheinlich ausreichen. Ich weiß nicht was ich will und lasse mich einfach vom Strom der Zeit nach vorne schleifen.


Mein Leben ist in meinen Augen wie das von vielen, was wahrscheinlich daran liegt, das es eben so ist. Wann ich das letzte Mal mit meiner Familie geredet habe, ist mir nicht bewusst. Anfangs lebten wir zu dritt, waren glücklich und nichts schien dies ändern zu können. Meine Mutter, welche bereits oftmals versuchte schwanger zu werden, beschloss eines Tages zusammen mit ihrem Mann mich zu adoptieren, mich – der Sohn, der von seiner eigentlichen Familie abgestoßen wurde. Die Tage mit meiner "Familie" waren immer schön, doch mir schien etwas zu fehlen, etwas ... das ich nicht beschreiben kann. Nachdem meine "Mutter" dann doch nach vielen Jahren schwanger wurde, schien ich immer weiter in den Hintergrund gedrängt zu werden, alles drehte sich um meinen kleinen Bruder. Alle meine Bilder verschwanden, man vergaß für mich einzudecken, selbst bei der Urlaubsplanung wurde ich ausgelassen und dann hieß es nur: "Es tut uns leid, aber du kannst ja die Katze füttern, nicht wahr Schatz?" Dieses beklommene Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden, zog mich förmlich in seinen Bann, doch je mehr Zeit verging, desto mehr schien es gleichgültig für mich – denn immerhin hatte ich ein Dach über dem Kopf. Als ich jedoch alt genug war, langsam selbstständig auf mich aufzupassen, wurde ich wie Luft behandelt. Ich habe meine Eltern kaum gesehen, nur das Geld, das sie mir gaben, ließ mich nicht an ihrer Existenz zweifeln. Mein kleiner Bruder war ebenfalls nicht von mir begeistert und wünschte sich, mich nicht sehen zu müssen. So lebte ich jeden Tag weiter, gelangweilt vom Alltag wachte ich immer ohne Tatendrang auf und legte mich unruhig schlafen. Ich fragte mich, ob es einen Ort gibt, an dem ich willkommen bin, immer wenn ich mir diese Frage stellte, wurde ich bloß noch melancholischer. Auf der einen Seite war mir alles gleichgültig, aber es gab Momente, da träumte ich in das Weltall fliegen zu können und die Zeit anzuhalten, auch wenn es nur für einen kleinen Augenblick war. Aber ohne weiter darüber nachzudenken, was dies für mich bedeutete, schlug ich mir das sofort wieder aus dem Kopf und widmete mich der Realität. Doch ich hatte immer ein unstillbares Verlangen, das ich nicht in Worte fassen konnte.


Ich stehe sehr oft vor dem Spiegel, streife mir durch mein schwarzes wuscheliges Haar und schau an mir herunter, langweilig und unbedeutend – genau so sehe ich aus und genau so bin ich auch. In diesem Haus, mit den mir fremd gewordenen Personen zu leben ist jedes Mal eine Überwindung für mich, ich will weder die gleiche Luft einatmen noch die gleichen Dinge sehen wie sie. Doch mich, ... mich möchte ich ehrlich gesagt auch gar nicht sehen. So gewöhnte ich mir an, einen Mundschutz zu tragen. Oft frage ich mich, ob ich überhaupt weiß was ich wirklich will, weil die Gedanken in meinem Kopf sich jedes Mal wiedersprechen. Ich wäre gerne jemand anderes, doch wäre ich jemand anderes, würde mein jetziges Ich verschwinden, heißt das ich würde sterben oder einfach in einer anderen Form weiterleben? Gleich nach solchen Gedanken werfe ich einfach alles über den Haufen und zieh mich zurück und denke an Dinge wie ... Ich schlafe ein und denke nicht weiter darüber nach.


Eines Nachts wachte ich schweißgebadet auf und zitterte am ganzen Körper, wankend schliff ich mich an mein Fenster für etwas Frischluft, ... kaum hatte ich das Fenster geöffnet erblickte ich eine Art Sternschnuppe, sie war deutlich größer und leuchtete blau und lila. Ich verfolgte sie mit meinem Blick, bis sie hinter einem Berg am Firmament verschwand. Ganz perplex was ich dort gerade erblickte, dachte ich schnell noch an einen Wunsch, bis ich ein dumpfes Geräusch hörte. Ich schlüpfte schnell in meine Schuhe und lief nach draußen, um nachzusehen, aber ich konnte nichts erblicken. Ich schaute mich um, die Laternen tauchten die Straße in ein Orange und da stand ich nun. Da verharrte eine kurze Zeit und starrte auf den Boden, bis ich wieder hineinging. Wieder in meinem Zimmer schaute ich mich auch dort um, meine Augen hatten sich langsam an die Dunkelheit gewöhnt und so betrachtete ich mein tristes Zimmer und wurde erneut melancholisch. Ich zog die Schuhe und mein T-Shirt aus, sah in den Spiegel und sah etwas Unbedeutendes: mich. Ich legte meine Hand auf den Spiegel, er war glatt und ganz kalt. Ich betrachtete mich weiter und legte die andere Hand auf meine Brust. Im Gegensatz zum Spiegel war ich ganz warm. "Möchte ich überhaupt jemand anderes sein?" Ich schloss die Augen und dachte laut "Ich weiß wieder nicht was ich eigentlich will."


Seit dem Tag, an dem ich diese Sternschnuppe sah, wurde ich immer wieder von Kopfschmerzen geplagt und versuchte stressigen Situationen aus dem Weg zu gehen. Ich konnte noch schlechter schlafen als zuvor und mich begleitete stets eine unangenehme Appetitlosigkeit. Immer wenn ich Stress ausgesetzt war, bekam ich Nasenbluten und Kreislaufprobleme. Ich fehlte häufiger in der Schule und war "zu Hause", an einem Ort, an dem ich gar nicht sein wollte. Die meiste Zeit lag ich gedankenlos in meinem Bett und starte die Decke an, das Einzige, woran ich dachte war, wie ich wohl am besten aus diesem tristen Alltag entkommen könnte. Ich würde gerne in Richtung Unendlichkeit, an einen Ort, an dem die Sterne weiterleben können und nicht erlöschen, ich denk nicht lange nach und spaziere in den Nächten meiner Träume durch einen Dschungel voller Hindernisse, aber ich bin in meinen Träumen der Protagonist, der alles kann und alles mit Leichtigkeit überwindet. Ich reise durch Zeit und Raum, bis mich dieser Traum alleine zurücklasst und die Nacht wieder über mich kommt. Ich hoffe, dass meine Zukunft bald kommen wird und ich nicht länger warten muss. Ich warte auf die Person, die mir die Hand ausstreckt und mir neue Wege zeigt. Doch dann verbringe ich meine Zeit doch lieber in diesem kupfernen Vogelkäfig, selbst wenn dort die Tür offen stände, hätte ich weder antrieb noch einen Grund diesen zu verlassen. Man sollte nicht immer darauf warten gerettet zu werden, aber mir fehlt diese Kraft, Dinge umzusetzen. Bin ich verflucht oder überdramatisiere ich bloß? Immer wenn ich versuche etwas zu ändern, werden mir noch mehr Steine in den Weg gelegt, wieso also versuchen? Meine Gedanken sind so wirr und widersprechen sich, ich will einfach nur noch die Zeit anhalten und sie nicht mehr weiter laufen lassen.


Ich entschied mich, einmal etwas zu versuchen. Meine jetzige Familie beachtet mich nicht, aber was ist mit meiner wirklichen, realen Familie? Es war nie ein Geheimnis, dass ich adoptiert bin und es war immer ein offenes Thema, dementsprechend wäre es sicher auch nicht schwer diese ausfindig zu machen, leichter getan als gedacht, denn nach ein paar Recherchen saß ich im Zug Richtung hoffentlich anderes Leben. Ich dachte, wenn ich einen Ort finde, an dem ich willkommen bin, werde ich sicher meine Ruhe finden. Ich pakte alles Nötige ein, ich hatte nämlich vor, nicht wieder zurückzukommen. Auf der Fahrt spielte ich alle möglichen Szenarien durch und war im Endeffekt nervöser, als ich dachte. Die Fahrt fühlte sich deutlich länger an, als sie eigentlich war und ich fragte mich, warum ich nicht früher auf diese Idee gekommen bin. In einer mir fremden Stadt mit dem Blick weitgehend zu Boden gerichtet, machte ich mich auf die Suche, meine Mutter zu finden. Das Problem ist jedoch das ich nicht weiß, wie sie aussieht. Wie wird sie wohl reagieren? Gedankenverloren lief ich durch eine Wohnsiedlung, als eine Frau Arm in Arm mit einem Mann an mir vorbeilief. Ich blieb kurz stehen und schaute Ihnen nach. Es war so, als hätte mich ein kleiner Impuls aus meinen Gedanken gerissen. "Ayumi?",rief ich laut hinterher und hoffte auf eine Reaktion, es schien so, als würde die Zeit stillstehen denn sie liefen nicht weiter und die Frau drehte sich verwundert zu mir um. Perplex richtete ich meinen Blick immer wieder abwechselnd auf die Frau und den Mann. "Bist du Ayumi?" Der Mann und die Frau schauten sich verwundert an und tuschelten ein wenig, dann machte die Frau einen schritt nach vorne. "Ja, die bin ich, kennen wir uns?" Für einen Augenblick fand ich keine Worte, ich wollte so viel sagen, doch konnte es nicht. Nervös stotterte ich "I...ich bin Hibiko, dein S..." "Ich habe keinen Sohn", brachte eine harsche, laute Stimme hervor. Ich schreckte zurück, die Frau, die gerade noch so entspannt und locker wirkte, sah mich nun total angespannt und wütend an, sie drehte sich um, nahm den Mann an die Hand und ging mit schnellen Schritten, um die nächste Ecke. Noch vollkommen überrascht stand ich dort wie versteinert, nach ein paar Sekunden konnte ich wieder einen klaren Gedanken fassen. Was für eine Reaktion habe ich erwartet? Natürlich bin ich hier nicht willkommen, die Reaktion war zu erwarten, was dachte ich mir hierbei überhaupt? Als ich gerade wieder losgehen wollte, kam die Frau wieder auf mich zu, dieses Mal ohne den Mann. Sie drückt mir einen Zettel in die Hand "Das ist die Adresse von deinem Vater, sein Name ist Amida, erwarte keine bessere Reaktion. Ich möchte dich nicht mehr wieder sehen, meine Vergangenheit habe ich hinter mir gelassen". Danach kehrte sie mir wieder den Rücken zu, ich griff mir ans Herz und ging an ihr vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Die Abendsonne tauchte den Weg erneut in ein Orange und es wurde still um mich herum.


Die Nacht verbrachte ich an einem naheliegenden Flussufer, ich legte mich nieder und streckte meine Hand nach den Sternen aus, doch natürlich waren sie zu weit entfernt. Ehrlich gesagt war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt zu meinem Vater gehen möchte, was würde mir das bringen? Genau, nichts. Aber andererseits habe ich weder etwas zu tun, noch einen Ort, an dem ich willkommen bin, also habe ich so oder so nichts zu verlieren, doch bevor ich weiter nachdenken konnte, brachen die Wolken hinein und überraschen die Nacht mit einem kühlen Schauer. Pitschnass stand ich nun, wie ein verlorenes Kätzchen unter einer Brücke, grübelnd, wohin ich nun gehen sollte. Zurück nach "Hause", zu meinem wirklichen Vater, oder sollte ich doch eher einen komplett eigenen Weg einschlagen,weit weg von allem. Im Endeffekt wandelte ich mehrere Wochen lang umher, auf der Suche nach Neuem, denkend über meine alternativen. Viele Dinge gingen mir in der Zeit durch den Kopf, ebenso das Zitat "Mann merkt erst was einem bedeutend, wenn man dies nicht mehr hat", vielleicht machen sich meine "Eltern" ja doch sorgen um mich, sitzen verzweifelnd zu Hause und warten, dass ich wiederkomme, immerhin haben wir vor vielen Jahren noch so sorglos zusammengelebt. So stieg ich nun also in den nächsten Zug Richtung Heimat. Nachmittags angekommen, schlurfte ich Richtung altbekanntem Vogelkäfig. Unsere Umgebung war generell sehr ruhig und menschenleer, auch an diesem Tag sah ich keine Menschen auf den Straßen. Als langsam die Sonne unterging, kam ich am Haus an. Die Lichter waren aus, kein Geräusch zu vernehmen, keiner zu Hause.


Da ich eh nichts machen konnte und keine andere Wahl hatte, versuchte ich an einem der Fenster mein Glück, man kann ja immer mal Vergessen eines zu schließen, jedoch kein Erfolg. Mühsam kletterte ich auf das Dach des Hauses, mit vorsichtigen Tritten näherte ich mich meinem Fenster, die Laternen auf den Straßen gingen bereits an und das Licht reflektierte sich in den Scheiben. Was ein Hindurchsehen nur schwer ermöglichte, das es bereits dunkel wurde half auch nicht sonderlich weiter. Mit angestrengtem Blick versuchte ich im Zimmer etwas zu erkennen. Auf meinen Blick konzentriert bekam ich wieder Kopfschmerzen. Als ich langsam etwas erkennen konnte, fiel ich quasi in ein dunkles Loch, alles was ich erblickte war gähnende Leere. Wer räumt denn bitte das komplette Zimmer seines Sohnes aus, wenn man damit hofft, dass er zurückkommt? Letzten Endes hatte ich wohl doch recht mit der Annahme, das ich nicht mehr gebraucht werde in diesem Haus. Erschüttert tastete ich mit meinem Fuß langsam den Weg Richtung Abstieg, als ich jedoch plötzlich etwas hörte, rutschte ich aus, ein Ziegel löste sich und schon lag ich im nächsten Gebüsch. "Hast du das gehört?" Vernahm ich von einer altbekannten weiblichen Stimme. "Das war sicher nur eine Katze." Entgegnete eine raue Männerstimme. Meine "Eltern". "Sicher? Nicht das sich Hibiko noch hier herumtreibt.", meinte meine Mutter mit leisen Worten."Der kommt sicher nicht mehr zurück.", sagte er, um meine "Mutter" zu beruhigen. "Ja – besser wäre es.", sagte mein Bruder spöttisch. Empört von den Worten von Ichiro, weist Yayoi, meine Adoptivmutter ihn zurecht. "Ichiro! Sag doch so was nicht über deinen großen Bruder.", beleidigt machte er daraufhin schnippische Bemerkung: "Das war doch gar nicht mein richtiger Bruder! Der kann mir gestohlen bleiben." Das Gespräch verstummte für einige Sekunden. "Nun ja, das ist für alle besser so.", meinte Yoshiyuki zu seiner Frau. Hibiko, das habe ich lange nicht mehr gehört, ... meinen Namen. Als die Geräusche langsam verschwanden, schlich ich mich langsam hinfort. In der Dunkelheit war ich kaum zu erkennen, nur meine blauen Augen ließen sich in dieser Nacht erahnen.


Ich lief die ganze Nacht umher, sortierte meine Gedanken, überlegte meine nächsten Schritte.

Meine Familie will mich nicht sehen, meine Mutter auch nicht ... Ich könnte zu meinem Vater oder mein Leben alleine weiter gehen. Beides hat sicherlich seine Vor- und Nachteile. Letzten Endes beschloss ich mich dazu, meinem Vater einen Besuch abzustatten. Den Zettel, den ich von meiner Mutter bekommen habe, ist mittlerweile schon ganz dreckig und zerknickt. Ein Wunder, das man darauf noch etwas erkennen konnte. So machte ich mich also auf dem Weg. Im Zug betrachtete ich mich wieder in der Scheibe. Berührte mein kaltes Spiegelbild und krallte meine andere Hand in mein Knie. Ist das alles Fiktion, ... oder doch die Realität? Ich fühle mich wie in einem Abgrund gefangen. Ich sehe die Tage an mir vorbeiziehen, ohne dass sich etwas ändert. Meine Gedanken verblassen immer mehr. Denke ich wirklich, dass es besser werden kann? Die Nächte kommen, die Tage gehen ... Wie immer schwirren mir so viele Dinge im Kopf umher. Ehe ich mich versah, fühlt es sich so an, als würde ich Schweben, der Zug hebt ab, die Sitze lockern sich und alles zerfällt in ihre Einzelteile. Die Lila Sternschnuppe zischt an mir vorbei und ich fühle mich so, als würden mir Flügel wachsen. In rasender Geschwindigkeit weht mir der Wind durch da Haar, unstoppbar fliege ich Richtung Himmel, durchtauche eine Wolke und tränkte mich in fluffig weichen Wassertropfen. Der Mundschutz weht hinfort und lauthals lachend fliege ich in Richtung Galaxie, Ich tauche in die Atmosphäre und verstumme. Langsam schwebe in im zeitlosen Raum, betrachte die Welt unter meinen Füßen schmunzelnd mit dem Gedanken meine Ziele erreichen zu können. Alles ist so ruhig und wunderschön. Ich schließe meine Augen, drehe mich im Kreis und Genieße diesen Augenblick. Bis mich plötzlich etwas stoppte. Ich trieb bereits so lange im All, mich umgab nur noch ein schwarzer Raum voller glühenden Punkten, von Planeten keine Spur, ich drehe mich und sehe erneut eine Scheibe. Dort sehe ich mich. Ein monotoner Blick starrt mich an, das Spiegelbild zeigte auf mich und schüttelte den Kopf, nahm den Mundschutz ab und sagte wortlos etwas zu mir, er drehte sich um, lief hinfort und verschwand. Ehe ich mich versah, spürte ich eine warme Hand auf meiner Schulter, öffnete meine Augen und blickte der Realität ins Gesicht. Wieder auf dem Boden der Tatsachen wurde ich höflich darum gebeten den Zug zu verlassen: Endhaltestelle.


Erneut machte ich mich auf den Weg in eine Fremde Stadt, um mein Glück zu finden. Warum versuche ich das nochmal? Ich werde doch eh nur enttäuscht. Ich könnte auch einfach mit der Unwissenheit statt mit der Enttäuschung leben. Doch so gehe ich wieder leise Schritte, eine fremde Stadt, eine fremde Umgebung. Die ganzen lauten Stimmen der Menschen um mich herum blende ich aus, fühle mich wie durch Wellen aus Menschen getrieben meinen Weg gehend. So gehe ich weiter, bis mich die lauten Hupen und Bremsen der Autos des Verkehrs aus den Gedanken reißen. Ein paar enge Straßen weiter, lösen sich die Menschenmassen langsam, bis wieder allmählich Ruhe einkehrt. Ohne Orientierung suche ich den Namen auf dem Zettel, das mit den Hausnummern ist immer so eine Sache. Bereits relativ nah am Stadtrand klappere ich die letzten paar Häuser ab, bis ich dann endlich am äußersten Haus der Straße den Namen Amida stehen sehe. Unsicher, ob ich dies nun wirklich tun soll, gehe ich schwankend auf die Klingel zu, doch bevor ich diese erreiche höre ich eine Stimme: "Hibiko, ich habe dich erwartet, komm doch bitte herein." Perplex wendet sich mein zuvor zum Boden gerichteter Blick direkt zu den Augen des Mannes, der im Eingang steht. Langsam öffne ich das kleine Tor und sah mich zögernd das erste Mal genauer um. Viele gut gepflegte Blumen zierten den Garten, auch Bienen, Schmetterlinge und Hummeln erfreuten sich daran. Wieder abschweifend stehe ich dort für ein paar Minuten, bis ich wieder zur Besinnung kam und langsam auf den Mann zugehe.


Der Raum, den ich betrat, löste solch eine innere Ruhe in mir aus, in der ich mich geborgen fühlte. Nun nahm ich jedoch aller erst den Mann unter Betracht. Ungefähr 35 Jahre würde ich ihn schätzen, ein paar weiße Haare durchpflügen bereits sein schwarzes dünnes Haar. Ein sowohl ernster, als auch sanftmütiger Gesichtsausdruck wird von einer alten Brille untermalt. Bevor ich etwas sagen kann, werde ich jedoch durch eine Handbewegung gestoppt. "Das letzte Mal, das ich mit deiner Mutter Kontakt hatte, ist bereits viele, viele Jahre her, 17 Jahre um genau zu sein." Mit einem wehmütigen Blick greift er nach meiner Schulter. "Das ich dich jemals sehen kann, das habe ich nicht einmal zu träumen gewagt."Er bat mich sich zu setzen, was ich darauf hin natürlich tat, jedoch immer noch ohne ein Wort gesagt zu haben. "Du kommst sicher von weit her, hätte ich dich gesehen, hätte ich dich nämlich sicher erkannt. Dieses Schwarze strubbelige Haar und diese kräftig blauen Augen ..." Seine Worten verstummten einen Moment, bis er weiter redete. "Du hast sicher viele Fragen, die ich dir leider nicht beantworten werde, stattdessen werde ich dir etwas erzählen."


"Deine Mutter Ayumi und ich kannten uns bereits aus Kindertagen, nichts schien uns trennen zu können, egal ob Kindergarten oder Schule, wir waren wirklich immer zusammen. Als wir jedoch auf der Oberschule waren, heiratete ihre Mutter einen reichen Bankkaufmann worauf sich ihre Lebenssituation von den einen auf den anderen Tag änderte. Sie sollte auf eine Privatschule, neuer Wohnort, die üblichen Komplikationen. Das größte Problem war jedoch, dass ihre Familie der Meinung war, dass solch ein armer Junge nicht der richtige Umgang für sie sei. Anfangs haben wir uns gewehrt, uns heimlich getroffen. Sie ist wirklich oft ausgebrochen. Ihre Eltern ließen sie nach einigen Wochen nicht mehr alleine zur Schule gehen, doch selbst dann hat sie es immer noch geschafft eine Lücke zu finden und zu entkommen. Die letzte Aussicht, die ihre Eltern sahen, war also Privatunterricht. Trotz alledem schlich ich mich immer wieder zu ihrem Fenster, wo wir heimlich reden konnten, bis auch dies irgendwann herauskam ... Als ich dann eines Abends wieder an ihr Fenster kam und sie schon freudestrahlend auf mich zukam, sprang die Tür auf und ihre Mutter sah uns. Sie zog Ayumi an den Haaren aus dem Zimmer, ich hörte nur noch Schreie, Gefluche und Wimmern. Danach war ich eine lange Zeit nicht mehr da. Erst ungefähr ein Jahr später traf ich sie zufällig bei einem Schulausflug. Sie war immer noch so wunderschön wie immer. Wir setzten uns das Wochenende ab und hatten eine wirklich schöne Zeit. So schön und unbeschreiblich. Wir hatten uns wirklich viel zu erzählen und sind zu dem Entschluss gekommen, einfach zusammen abzuhauen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Wir machten einen Zeitpunkt aus an dem wir beschlossen sie von ihren Ketten zu befreien. So weit hat das auch geklappt, am begesagten Tag, zur abgemachten Uhrzeit schlichen wir uns zusammen davon. Wir waren bereits auf dem Weg zum nächsten Bahnhof um endlich in Richtung neues Leben zu fahren, ohne die Regeln, Bestimmungen und Grenzen. Doch auch dort wurden uns wieder Steine in den Weg gelegt.


Das Schicksal meinte es wohl einfach nicht gut mit uns. Als wir auch dort erneut von ihren Eltern abgefangen wurden, habe ich es aufgegeben. Ich war so Feige und mein Durchhaltevermögen hat einfach nicht ausgereicht. Ich habe sie nur sehr Selten danach noch gesehen und dort schien sie wie ein komplett anderer Mensch zu sein. Als hätten ihre Eltern sie umgepolt. Viele Jahre verstrichen, in denen ich nie wieder etwas von ihr gehört habe. Ich fing an einem langweiligen Bürojob nachzugehen, lebte gefühlt den gleichen Tag immer wieder erneut. Ich hatte längst gedacht, der rote Faden sei bereits gekappt, doch sah ich sie eines Tages bei uns im Büro, voller Freude auf sie zugehend wies sie mich ab, erzählte mir an einem Freien Nachmittag ihre Geschichte und wie es ihr ergangen sei. Sie ist längst über mich hinweg, meinte sie. Sie steckte mir einen Brief zu, welchen ich doch bitte in einem Monat lesen sollte. Als hätte ich es gewusst, war sie nach einem Monat wie vom Erdboden verschluckt. Als ich den Brief las brach ich in Tränen aus, kündigte meinen Job und lebte lange Zeit in den Tag hinein ohne etwas zu tun, bis ich mich dem Lieben Gott und der Probleme anderer widmete. Leute verändern sich, weißt du. Das ist unumgänglich, man muss sich dieser Bestimmung einfach stellen. Somit habe ich also meine komplette Vergangenheit abgeschlossen und möchte auch dich bitten, wieder zu gehen. Ich bin nicht mehr der, der ich einst war. Deswegen kann ich leider keine Verantwortung für dich übernehmen."


Von seinen Worten und der Geschichte geblendet, drückt mir Amida den Brief in die Hand und bittet mich zu gehen. "Ich möchte deine Stimme bitte nicht hören, das würde in mir nur alte Wunden wieder aufreißen". Ohne zurückzuschauen, schließt der Mann, mein Vater, die Tür hinter sich und ich werde erneut draußen stehen gelassen.


Entgeistert steckte ich den Brief in meine Jackentasche, gerade ist nicht der Moment ihn zu lesen, da würde ich zu viele Emotionen hineinlegen. Ich machte mich wieder auf den Weg zu dem Ort, von dem ich kam. Klar, hier könnte ich auch bleiben, aber in meiner alten Heimat kenne ich mich wenigstens au, generell: wie soll ich nun weiter machen? Nach "Hause" kann ich nicht, dort bin ich mir selber fremd. Ein kleiner Windzug kitzelte meine Nase, welche ich darauf etwas rümpfte. Da bemerkte ich, dass ich auf einmal Nasenbluten bekam, meine Beine wurden etwas zittrig und ich musste mich erstmal kurz hinsetzen. Einen kurzen Moment achte ich auf die wenigen Leute in der Umgebung, welche mich allesamt ignorierten. Verkorkste Gesellschaft. Noch etwas wackelig stemme ich wieder auf und stolpere gegen einen Laternenmast. Ich wartete noch ein paar Minuten und machte mich wieder auf den Weg.


Es sind jetzt bereits ein paar Monate vergangen. Ich halte mich gerade noch so über Wasser und jobbe in einer Tankstelle als Teilzeitkraft. Meine Nächte verbringe ich an verschiedenen Orten, unter der Brücke, heimlich in fremden Gartenhäuschen und selten auch mal in einem Internetcafé.

Zur Schule gehe ich nicht mehr, da ich dies einfach nicht mehr als nötig erachte. Eigentlich habe ich momentan nichts im Leben, das mir Freude bereitet. Nicht so, als wäre das vor einem Jahr anders gewesen, aber nun habe ich absolut nichts. Ich lebe nur noch, weil ich atme. Nach einem stressigen Arbeitstag laufe ich spät Abends auf einen Hügel in der Nähe, welcher eigentlich von Zäunen und Bändern abgesperrt ist, da es gefährlich ist, diesen zu betreten. Das ist mir allerdings ganz recht, meine Ruhe zu haben. Auf der Arbeit habe ich eh genug Menschen um mich herum, ziemlich dumme auch noch dazu. So schlich ich mich nun zwischen den Zäunen hindurch und erhaschte den lohnenswerten Anblick der Stadt bei Nacht. Hinter dem Hügel lag nur Wald, man sah regelrecht den Vergleich des Himmels. Über der Stadt waren kaum Sterne zu sehen, über dem Wald dafür umso mehr. Mit etwas Kopfschmerzen setze ich mich auf das leicht feuchte Gras und halte kurz inne. Der Schwindel und das Nasenbluten wurden seitdem nicht besser, mich zieren seitdem immer mehr blaue Flecken. Ich erinnerte mich wieder an den Brief in meiner Tasche und zog den mitgenommenen, etwas zerknitterten Umschlag hervor. "Wahre Stärke beweist nicht Standhaftigkeit bei Dingen, die man ergreift und nicht loslässt, sondern Dinge, die man treiben sieht, obwohl man sie hätte festbinden können. Manchmal muss man Dinge geschehen lassen damit diese erblühen, selbst wenn es einen selbst welken lässt." Das ist alles? Ich hätte mit allem gerechnet aber nicht mit solch einem Mist. Mürrisch zerknüllte ich den zettel und stopfte ihn wieder in die Jackentasche. Ich habe nichts im Leben, also auch nichts zum Festhalten oder loslassen. Ja, welch egoistische Denkweise.


Ich verbrachte noch ein paar Stunden auf dem Hügel, die Zeit schien mir so endlos, zäh wie Kaugummi. Der Himmel färbte sich langsam in einen Lilaton und eine leichte Brise ließ die Vögel in den Bäumen erklingen. Apathisch stand ich auf und lief an den Rand des Hügels, mit leerem Blick sah ich auf den Boden der Tatsachen. Ich bin alleine. Ich habe nichts. Ich habe keinen Grund warum ich mich bemühen sollte. Dann hob leicht das linke Bein und möchte noch einen weiteren Schritt tun. Meine Schuhe verloren leicht den Halt auf dem feuchten Gras. Innerhalb weniger Millisekunden bemerkte ich, was ich da gerade tue und es war mir gleich, wenn nicht sogar recht, deswegen wehrte ich mich nicht... Doch dann hörte ich einen lauten Aufschrei und ein ruckartiges Ziehen nach hinten. "Pass auf! Was tust du denn da?! Das ist gefährlich!". Perplex stolper ich nach hinten und falle zu Boden. Mit einem etwas schmerzerfüllten blick schaue ich über mich. "W... was?"


Kapitel 2) Vergissmeinnicht


Die Prunkwinden räkeln sich in den seichten Sonnenstrahlen eines frühsommerlichen nachmittags, während sich mit lauten Donner ein Schauer ankündigt. Die großen Tropfen kullern die Regenrinne entlang und das leichte prasseln entwickelt sich langsam zu einem angenehmen plätschern auf den Dachfenstern des Hospitals. Diese Atmosphäre wird jedoch ein paar Stunden später von einem lauten schreien erlöst. Ein Kind war geboren. Voller Erschöpfung liegt der kleine neugeborene Junge in den Armen der Mutter. Der Mann kann seine Freudentränen nicht unterdrücken und wehmütig schaut sich das Pärchen an, als sei ihnen eine riesige Last von den Schultern gefallen.


Eifersucht auf das Nesthäkchen der Familie ist bei Geschwistern keine Seltenheit, mit meinen noch zarten 5 Jahren war mir die Nähe zu meinen Eltern natürlich auch sehr wichtig gewesen. Doch ich lernte schneller damit umzugehen, als es mir lieb war. Ich war nie sonderlich sozial arrangiert, doch selbst an dem Tag der Geburt meines jüngeren Bruders widmete ich meinen Blick dem Mondlicht das durch die großen Scheiben des Hospitals schien. Als Kind war ich schon immer sehr schnell von Dingen abgelenkt, vielleicht viel es mir deswegen anfangs nicht auf, weniger beachtet zu werden als zuvor. Im Endeffekt frage ich mich, ob nicht eher ich derjenige war, der seiner Familie keine Aufmerksamkeit schenkte statt andersherum. Mit 13 verschrieb ich meiner ganzen Freizeit dem Lesen von Büchern über Astronomie, die Sterne und der Mond schienen mich förmlich anzuziehen. Das Mysterium dieses weiten raumes, welcher gänzlich unenddeckt ist, zog meine Gedanken und Fantasien förmlich in seinen Bann. Wie weit ist diese Galaxie und was hält sie für uns bereit? Gibt es dort draußen noch mehr als uns? Sicherlich! Nachts fühlte ich mich einfach wohler, konnte die Sterne betrachten und darüber philosophieren. Als ich eines Nachts einen Albtraum hatte, eine Eruption würde den Mond verschlingen schlich ich mich in unseren Garten, um mich der Existenz des Mondes zu vergewissern. Ich sah seine Reflexion in unserem Gartenteich, als wäre ein Stein von meinem Herzen gefallen, lächelte ich voller Erleichterung. Während ich diese Reflexion weiter betrachte, saust etwas im hohen Bogen knapp in mir vorbei und platscht in den Teich, woraufhin sich das Bild des Mondes wellen schlägt. Völlig aufgelöst dachte ich, der Mond sei vor meinen Augen zerstört worden, hätte ich doch bloß meinen Blick heben müssen um ihn dort oben am Himmel sehen zu können. Als ich mich umsah erblickte ich meinen Jüngeren Bruder Ichiro. "Hibiko, du bist echt komisch!", jammerte er drauflos. In dem Moment konnte ich allerdings an nichts anderes denken, als das mein Bruder mir nach meinen Eltern auch noch meinen geliebten Mond genommen hat. Wutendbrand renne ich auch ihn zu und stoße ihn zu Boden und packe ihm am Kragen seines Shirts. "Ich hasse dich Ichiro! Warum nimmst du mir alles was mir lieb und teuer ist? Ich wünsche mir, du würdest einfach aus meinem Leben verschwinden." Schluchzend und schreiend versucht sich Ichiro von meinem Griff zu lösen. "Du bist doch hier der Verrückte! Ich hab dir nie etwas getan! Warum hasst du uns so sehr?". Durch den Lärm geweckt kommt meine Mutter angerannt und hält uns auseinander und nimmt Ichiro in Schutz: "Hibiko, was tust du denn da? Was ist los mit dir?". Der Moment kam mir vor wie eine Ewigkeit, ich verstand einfach gar nichts mehr. Ichiro war doch derjenige, der angefangen hat. Ichiro ist doch an allem schuld. Mit zittrige Stimme sprach meine Mutter und drückte Ichiro an ihre Brust, "Hibiko, du machst mir angst." Es kam mir vor wie eine verschobene Realität. Waren es nicht meine Eltern, die mich allmählich aus ihrem Leben strichen? War es nicht mein Bruder, der all die Aufmerksamkeit bekam? Warum bin ich allmählich derjenige, der an allem schuld ist? Ich verstehe das nicht. Danach wurde die Beziehung zwischen mir und meinen Eltern nur noch schlimmer. Ich bin ja so ein armer Junge.


Ja, manchmal überstreicht man die Dinge mit falschen Erinnerungen, um sich die Realität so geradezubiegen wie man sie gerne hätte und manchmal verdrängt man Erinnerungen, die man nicht wahrhaben will.


Solange ich ein Mensch bin, werde ich weiterhin auf ein anderes Selbst vertrauen. Ich versuche, so weit zu kommen wie es mir möglich ist, doch ich weiß bereits das sie mich einholen werden. Einmals fühlte ich all die Trauer, all die Dinge, welche sich so falsch anfühlten.

Ich kann sie einfach nicht Fassen, ich fühle mich verloren.


"Hibiko? Hörst du mir überhaupt zu?" Verärgert schiebt sich mein Lehrer die Brille wieder zurecht und verschränkt seine Arme. "Weißt du noch nicht, wie du nach der Schule weitermachen willst? Du weißt schon, dass du nicht mehr so viel Zeit hast." Anteilnahmslos sitze ich gegenüber vom Lehrerpult und starre aus dem Fenster. "Wenn du so weiter machst, sehe ich langsam wirklich keine Perspektiven mehr für dich, was ist denn mit deinen Vorsätzen geworden?" Langsam richte ich meinen Blick in die Richtung meines Lehrers, wenig interessiert an dem, was er mir gerade vorträgt. "Ich werde mich einfach bei jeder stelle in der Nähe bewerben und nehme das, was ich bekomme.", erweiterte ich auf die lästigen Fragen meines Lehrers. Enttäuscht von meiner Antwort lehnt er sich zurück, "Wolltest du nicht Astrologie studieren? Klar, das Studium ist nicht das günstigste, und die nächste Uni ist auch nicht um die Ecke, aber könnte man das nicht irgendwie realisieren? Deine Noten reichen im Moment zwar nicht ganz aus, aber ich sehe, dass du eindeutig Potential hättest, wenn du dich denn bemühen würdest." Egal wie sehr ich mich für das Thema interessiere, irgendwie kann ich mich dazu aufrappeln, mir fehlt einfach die Energie, mich weiter darin hinein zu steigern. Vielleicht liegt es an meiner Depression, mich nicht mehr so für Dinge begeistern zu können wie früher. "Das möchte ich nicht mehr machen.", meinte ich und blickte wieder aus dem Fenster. Seufzend bittet mich mein Lehrer, der offensichtlich nicht von meinen Worten überzeugt war, den Raum zu verlassen. Warum können Leute nicht die Meinung anderer einfach akzeptieren, ich weiß ja wohl besser, was ich wirklich will, nicht? Nach dem Gespräch mit meinem Lehrer hörte ich komplett auf, Astrologie weiterzuverfolgen. Ein anderes Hobby hatte ich nicht, aber eigentlich wollte ich auch gar kein neues.


Nach einem langen Schultag lief ich wieder trottend nach Hause, wühlte in meiner Hosentasche nach meinem kleinen Haustürschlüssel. Nachdem ich Tür aufschloss, schlurfte ich erstmal in Richtung Küche. Wie immer empfing mich ein Kuvert mit etwas Geld. Gleichgültig ignoriere ich diesen und laufe Richtung Treppe wo ich bereits meinen Bruder Ichiro sitzen sehe, während er an seinem Gameboy daddelt. "Du gehörst hier nicht hin", Ichiro hebt leicht seinen blick und schaut mich mit einem genervten blick an. Ohne ihn weiter zu beachten, drücke ich ihn beim Hochgehen der Treppe einfach beiseite und gehe in mein Zimmer. Ich verbringe meine Tage immer gleich, ein Wunder, das ich noch nicht vor langeweile umgekommen bin. Ich liege oft in meinem Bett und frage mich, was falsch gelaufen ist. Liegt es an mir? Ich wüsste nichts, was ich da groß beigetragen hätte. Wer sagte einst, ich hätte mich verändert? Letzten Endes bin ich immer noch genau so wie zuvor. Ich kann mir eine Welt vorstellen, in der ich nicht existiere. Ich kann mir keine Welt vorstellen, in der ich sie verdiene, die Geborgenheit. Warum diese Welt so hässlich aussieht, liegt daran, dass wir versuchen all das was uns nicht passt zu übermalen, und wie man weiß, entsteht meist keine sonderlich schöne Farbe, wenn man viele Töne mischt.



Kapitel 3) Sternenfänger


"Du scheinst mir so, als wärst du von einer anderen Welt."

Ich erwecke aus meinen Apathischen Gedanken und sah ein Mädchen über mir, das mich verschmitzt ansieht, bis sich mein Nasenbluten wieder bei mir meldete. Hastig schmierte ich es mir mit dem Ärmel aus dem Gesicht. Ich habe mich mittlerweile hingesetzt und mustere das Mädchen das nun neben mir stand. Es war jedoch dunkel, weswegen ich nicht besonders viel erkennen konnte. Sie hatte Lange glatte haare, einen Roten Schal und war nicht besonders auffällig gekleidet, ihr Gesicht war auf die Lichter der Stadt bei Nacht gerichtet, wodurch ich ihr Gesicht nicht besonders gut erkennen konnte. "Fühlst du dich manchmal auch, wie ein Vogel? Eingesperrt in einem Käfig…" Ehe ich antworten konnte, verschwand das Mädchen im Dickicht der Nacht.


Mein Job im Kiosk lief nicht besonders Gut, mein Aussehen war den meisten Kunden nicht geheuer. Sehe ich wirklich so schlimm aus? Auch eine Gruppe Schläger hat mittlerweile meinen Schlafplatz gefunden, weswegen ich dort nicht länger bleiben kann. Seid jenem Tag, frage ich mich, was das für ein Mädchen war. Warum war sie dort und verschwand so schnell. Was meinte sie mit "Vogel in einem Käfig", sah ich so mitleiderregend aus? Nein… Das war es nicht, sie hat es ganz offensichtlich nicht abwertend gesagt. Aber warum geht mir diese Silhouette nicht aus dem Kopf? Seid dieser Nacht, verschlägt es mich immer wieder auf diesen Berg, welcher einen wundervollen Blick auf die Stadt ermöglichte, auch wenn er ziemlich Weit weg war, von den Orten an denen ich mich sonst aufhielt. Unsere Stadt liegt in einem Tal, man könnte es sich, wie eine Mondsichel vorstellen, am äußerem Rand ist eine Bergkette, im Inneren Liegt dieser vom Wald bedeckter Hügel. Dort hinauf zu kommen ist nicht besonders leicht und verboten ist es eigentlich auch, da er oft von Suizidgefährdeten Menschen aufgesucht wird, auch wenn ich manchmal anders wirke, bin ich aber nur hier um die Sterne anzuschauen, nicht um mir das Leben zu nehmen. Ich stehe also auf dem Hügel, an der Linken Spitze der Stadt, liegt das Haus in dem ich früher Wohnte. Um aus dem Tal zu gelangen, muss man durch den Tunnel, welcher durch die Bergkette führt. Entweder mit dem Zug oder dem Auto. Bislang habe ich die Stadt jedoch nur Verlassen um meine richtigen Eltern zu treffen.


Aber irgendwie überkommt mich immer wieder das Gefühl, das ich dieses Mädchen nochmal treffen möchte, einfach, weil sie so rätselhaft war. Normalerweise, interessiere ich mich nicht für andere, aber dieser Moment war anders, es war gar so, als hätte sich in diesem Moment ein Band um uns gelegt. Seid diesem Tag, erklimme ich diesen von Bäumen bewucherten Hügel, und warte dort. Ich weiß nicht, ob ich das Hoffnung nennen kann, denn diese ist bereits gestorben, viel zu früh. Dennoch kann ich nicht anders als zu Warten. Ich habe dafür keine Worte und selbst wenn, wüst ich nicht woher, wärst du da, hätte ich einen Grund. Mein Blick ist verschwommen, vom vorüberziehen der Sterne, sieht es so aus als würden sie Fallen. Die Sterne fallen vom Himmel und ich schau dabei zu. Ich bin schon so lange alleine, sag mir, wer bist du. Es kommt mir so vor, als wären wir nur ein Punkt in der Unendlichkeit, die Welt verschlingt uns, ich glaub mir gefällst. Mir ist so, als ob es tausende Universen gäbe, doch hinter Tausend Sternen keine Welt. Die Welt ist nur ein Punkt in der Unendlichkeit. Eines Abends, nach einem sehr anstrengendem Tag, erklomm ich erneut diesen Hügel. Ich hatte wieder Nasenbluten, auch wenn nur sehr leicht. Ich habe mich wohl wieder überanstrengt. Ich setzte mich nah an den Abgrund und richtete meinen blick Richtung Sterne, in die Unendlichkeit mit den tausend Universen. Mit den tausend leuchtenden Punkten, mit meinen Blicken, möchte ich sie einfangen. Es war bereits tiefste Nacht und sie nagten an mir, meine Gedanken, in meinen Träumen. Frühs weckten mich die Tiergeräusche des Waldes, es stand kurz vor Sonnenaufgang. Noch ganz verschlafen, mit verschwommenem Blick gewöhnte ich mich an das Licht. Doch plötzlich verstummte alles in meiner Wahrnehmung. Dort saß sie, neben mir, ihr Blick wieder auf die Stadt im Tal gewidmet. Die ersten Sonnenstrahlen Reflektieren sich im Bernstein ihrer Halskette, in diesem Moment schaut sie zu mir, ihre Augen hatten die gleiche Farbe wie der Bernstein. Sie hatte ein Pflaster auf ihrer Backe und sie sah mich so wehmütig an. "Lass uns fliegen".


Kurze Zeit später ruckelt das Mädchen mich aus meinen Gedanken, "Ich habe dich gefragt, warum du hier bist", der Zuvor wehmütige Gesichtsausdruck sah nun ganz freundlich aus, habe ich mir das etwas gerade nur eingebildet? Ehe ich was sagen konnte , stand das Mädchen auf und geht langsam wieder Richtung Wald. "Warte!" Ehe ich es selbst realisierte, kamen diese Worte aus meinem Mund. Das Mädchen blieb stehen, drehte ihren Kopf leicht zur Seite und wartete anscheinend auf meine nächsten Worte. "Wer bist du?". Sie fing leicht an zu Kichern und erwiderte darauf nur, "Oh, du kannst also doch Sprechen?"


Dieses Mädchen hat etwas an sich, das einen nur faszinieren konnte, sie schien gleich Alt, oder sogar etwas jünger. Doch sie sah ebenfalls bereits so … Reif aus. Also nein, ich… habe nicht nur auf ihren Körper geachtet! Also, ich meine im generellen! Ihr Schal wog sich leicht im Wind und ihre Augen glichen Kristallen, ihre braune Jacke sah schon etwas älter aus, aber wie sich ihr Rock an ihre Schenkel schmiegte und die Bluse ihre zarte Statur um barg, sie sah zauberhaft aus. Sieh sah irgendwie … so zierlich und zerbrechlich aus, tun das alle Mädchen? Bis jetzt habe ich darauf noch nicht wirklich geachtet. Sie schien mir wie ein Vogel, wenn ich sie nicht ergreife, fliegt sie davon, ohne die Chance, das man hinterherkommt.


"Obwohl du reden kannst, bist du aber ziemlich schweigsam", die sanfte Stimme durchbrach erneut die Stille. "Bist du einer dieser Leute die … hierherkommen um…" ihre Stimme wurde ganz leise, "… sich umzubringen?" Wie ein Schauer prasselten ihre Worte über meinem Rücken, in meinen Gedanken bin ich zwar Gesprächig, aber in wahren Worten bekomme ich kaum ein Wort heraus, doch um Missverständnisse zu vermeiden, sprudelten die Worte aus mir Heraus, wie ein Wasserfall, oder eher … wie das Wasser durch einen alten Gartenschlauch voller Löcher. "Was? Nein! Ich bin nur hier, um mir die Sterne anzusehen und um ehrlich zu sein, habe ich auf dich gewartet!" Sie sah mich sehr verdutzt an. "Sag ich doch! Du bist wie von einem anderen Stern, du bist echt komisch, wer sagt denn sowas zu jemanden, den man gar nicht kennt, ist das nicht etwas Naiv?" mit lautem Gelächter lässt sie sich ins Gras fallen und reißt mich mit. Wir lagen uns so nah, auf dem Weichen Gras, bei Sonnenaufgang und sie sah mich an. "Hier bin ich, du Sternenfänger".


Auch wenn ich keine Erfahrung mit anderen Leuten habe, bin ich mir ganz sicher, dass sie anders ist, anders als die Standard-Bevölkerung. Sie nahm mir meine Maske ab, "Wenn du die aufhast, muss man sich echt nicht wundern, das du kaum redest." … Verwirrt schaue ich sie an, "Was ist, wenn ich krank bin, hast du mich mal genauer angeschaut? Am Ende stecke ich dich noch an…" Sie grinste kurz und erwiderte nur "Na, dann steck mich doch an" und steckte die Zunge frech heraus. Wir lagen gemeinsam im Gras und sahen uns an, bis sie wieder anfing zu reden, "Ich weiß, das du jeden Tag hier warst, ich habe dich zwar gesehen, was mir allerdings unsicher ..." "Du schienst so unerreichbar, so wie die Sterne". Selbst wenn es etwas ungewohnt war, musste auch ich anfangen zu lachen," Ich und ein Stern? Auch wenn ich so gerne einer Wäre, ich muss dich enttäuschen, ich bin so wie du, ein Mensch auf diesem Punkt in der Galaxie." Wieder begleitete Blickkontakt die Stille. Ihre Hand kam meinem Gesicht näher, sanft streichen ihre Fingerspitzen über meine Wange, bis hin zu meinem Haar. "Tatsächlich, du bist so nah, ganz anders als die Sterne."

Ich bemerkte die Pflaster an ihren Händen, "Bist du nicht auch ziemlich naiv? Außerdem – warum hast du Überall Pflaster, hast du um die Uhrzeit nichts zu tun?" Sie nahm ihre Hand wieder zu sich, "Ich bin nun mal, ziemlich ungeschickt, hast du nicht ebenfalls etwas besseres zu tun als hier zu sein?" Sie stand wieder auf und geht langsam wieder Richtung Wald. Verblüfft springe ich auf, waren wir gerade nicht noch in einem Gespräch vertieft? Warum ergreift sie auf einmal die Flucht? "Habe ich irgendwas Falsches gesagt?" Sie schüttelt sacht ihr Kopf, "Nein, du hast mich nur daran erinnert, das ich eigentlich noch etwas zu tun habe." So sah ich sie also wieder fortgehen, wegfliegen wie einen Vogel. Kurz bevor sie in den Büschen verschwand, rief ich ihr nach: "Wie heißt du?". Nach etwas Stille höre ich nur noch ein "Tori". Mit der Hoffnung das sie mich noch hört, schreie ich in den Wald "Ich warte hier auf dich! Tori!"



Kapitel 4) Vogel


Tori, wo gehst du nur hin, egal wo du bist, ich wäre dir gefolgt, hättest du mich nur bei der Hand genommen. Sag etwas, ich gebe mich gerade auf. Niemand will in einem leeren Haus aufwachen. Niemand will je für immer allein sein. Es gab nie jemand, der mir aufhalf als ich fiel. Aber du bist wie ein Vogel, man darf dich nicht daran hindern hinfort zu gehen. Ich wäre bloß der Käfig, der deine weiten schwingen eingeschnürt. Dennoch bereue ich, dich gehen zu lassen. Ich habe da diese leere Stelle in mir und es zerreißt mich. Im Dunkeln des dunkelblauen Nachthimmels werde ich verweilen, bis du wieder zu mir stoßt.

Ich kann mir eine Welt vorstellen, in der ich nicht existiere. Ich kann mir keine Welt vorstellen, in der ich sie verdiene. Du meintest, ich sei so weit entfernt, doch auch du bist für mich so ungreifbar. Ich wünschte, ich könnte diese Distanz überwinden. Auch, wenn man nichts sehen kann. Auch, wenn ich nichts sagen kann. Auch, wenn es niemand merkt. Oh, die Wolken, sie sind so weit oben. Die Nachtwolken verdecken meinen Blick auf die Sterne. Die Szenen, die die Zukunft vorhersagen, will ich nicht sehen müssen. Es gibt niemanden, der es mit mir aushält.


Es ist wieder so lange her, das ich dieses Mädchen traf, ich weiß ehrlich gesagt selbst nicht, warum ich überhaupt noch warte. Immerhin kannten wir uns nicht einmal und sie denkt sich sicherlich, dass ich ein komischer Typ bin. Auch wenn ich sie vielleicht nie wieder sehe, ist dieser Berg für mich wie ein Zufluchtsort, es ist ruhig, man hat nicht mehr den Lärm der Stadt. Wenn ich mich hier so fremd fühle, was hält mich dann überhaupt an dieser Stadt? Warum bin ich nicht längst fort gegangen? Auch wenn ich wahrscheinlich nicht mal das Hälfte meines Lebens gelebt habe, was hält es überhaupt noch für mich bereit, kann jemand wie ich, überhaupt sein Glück finden? Es ist bereits Nachmittag und ich gehe etwas im Wald spazieren, bis ich Vogelgezwitscher und einen herum pöbelnden Mann höre, ich verstehe zwar nicht genau was er sagt, aber ich folge ihm vorsichtig. Sollte es jemand sein, der sich das Leben nehmen will, wie würde ich dann reagieren? Still sitze ich im Dickicht, während ich einen Mann beobachte, der einen Vogelkäfig bei sich hat. „Du raubst mir den Schlaf! Du bist nur laut, machst Dreck und kostest mir auch noch Geld! Ich hätte dich damals meiner Tante niemals abnehmen sollen, du machst nichts als ärger.„ Wütend ruckelt er am Käfig bis er die Fassung verliert und den Käfig von der Klippe schmeißt. Ich höre nur noch klappern, laute Fiep Geräusche bis hin zu einem dumpfen Schlag. Der aufgebrachte Mann lief darauf eilig davon. Als der Mann weg war, nahte ich mich langsam der Klippe und sah hinunter. Das geschieht also mit jemanden, wenn man zu nichts mehr zu gebrauchen ist. Man wird einfach fort geschmissen. Alle schönen Erinnerungen noch dazu.


Ich wollte nachsehen, den armen Vogel, kann man ja nicht einfach so da unten liegen lassen. Also bin ich wieder den Hügel hinunter gelaufen, zu der Stelle an dem der Käfig lag. Dort angekommen wurde ich von einem nicht allzu schönen Blick begrüßt. Der Käfig war komplett verbogen, der Vogel offensichtlich tot. Ich versuchte vorsichtig den Vogel durch die Stäbe zu bekommen, an solch einem Ort sollte sich ihn nicht die wilden Tiere holen. Als ich mich umdrehte, sah ich jemanden, den ich eigentlich nicht nochmal sehen wollte.


„Hibiko?„, ich trat zurück, der schweiß breitete sich auf meinem ganzen Körper aus. „Du bist immer noch hier? Wir dachten, du bist …„ mein Gegenüber verstummt. „Lass mich in Ruhe.„ Mit dem kleinen Vogel zwischen meinen Händen laufe ich an ihm vorbei. Offenbar zornig zieht er an meinem Ärmel, um mich aufzuhalten. „Jetzt bleib doch mal stehen! Schon immer hältst du von uns Abstand, wo ist eigentlich dein Problem?„ Wie lästiges Beiwerk schüttel ich ihn von meinem Ärmel ab. „Ob ich ein Problem habe? Du bist das Problem, ihr alle seid mein Problem. Ich hasse euch … ich hasse dich Verschwinde, … Ichiro!„ Wütend geht Ichiro einen Schritt zurück, „Alle haben sich Sorgen gemacht! Aber du siehst immer nur dich selbst und lebst in deiner komischen Welt! Du hast uns doch immer wie Luft behandelt, wolltest nichts mit uns zu tun haben, hast immer nur auf deine blöden Sterne geachtet! Nichtmal bei meinem richtigen Namen hast du mich je genannt. Du und dein komisches Persönlichkeitsstörungs-Dingens.„ er hält kurz inne und blickt auf den toten Vogel in meinen Händen, „Was tust du da mit diesem armen Vogel? Du bist echt geisteskrank!„ schnell drängt er sich an mir vorbei und rennt davon. Seinen letzten Satz habe ich gar nicht mehr mitbekommen.


„Wir wissen nicht mehr was wir tun sollen„, verzweifelt schaut die Frau rüber zu ihrem Mann. „Als Kind, war alles noch ganz normal, aber mit den Jahren wurde es immer schlimmer, vor allem nach der Geburt seines Bruders. Er will nichts mehr essen was ich gekocht habe und ignoriert uns, in der Schule findet er keinen Anschluss…, die ganze Zeit ist er nur auf seine blöden Sterne fokussiert. Wenn ich mich ihm nähern will, behandelt er mich wie Luft. Oder sagt Dinge, die alle nur verletzten. Er behauptet die ganze Zeit, wir würden ihn hassen und uns nicht um ihn kümmern, einmal sah es sogar fast so aus, als würde er seinen Bruder umbringen wollen!" Die Frau bricht in tränen aus und fällt ihren Mann um den Hals, der versucht sie zu trösten. Er führt das Gespräch fort: "Wir wissen wirklich nicht wie wir weiter machen sollen, wir kommen wirklich langsam an unsere Grenzen." Nickend füllt der Arzt die letzten Zeilen seines Formulars aus. Hibiko sitzt derweil unbeteiligt neben dem Fenster und schaut hinaus. Bei ihm kommt das Gespräch gar nicht wirklich an. Alles, was er hört, ist ganz anders. "Wir wissen was wir tun.„… “Das Kind ist Schlimm. Nicht so wie sein Bruder. Er bekommt nichts mehr zu essen, wir ignorieren ihn besser. In der Schule wird er ausgeschlossen. Wir hassen ihn und wollen uns nicht mehr um ihn kümmern, am besten bringen wir ihn um" ... "Wir wissen jetzt wie wir weiter machen, wir bringen ihn an seine Grenze." Der klick des Kugelschreibers durchbohrt die Stille. "Ihr Sohn, verdrängt eindeutig geschehenes, wahrscheinlich eher unbewusst als bewusst. Dass er die Dinge anders wahrnimmt als wir, liegt eindeutig auf der Hand, durch die anderen Gespräche, die wir bereits hatten, kann ich sehr sicher eine SPS Diagnostizieren." Langsam legt er das Dokument beiseite. "SPS ist eine schizoide Persönlichkeitsstörung, etwas dagegen unternehmen kann man jedoch nicht. Leider muss man sich damit abfinden und versuchen damit zu leben. Ich würde jedoch empfehlen ihn für Kurze Zeit bei uns in Behandlung zu geben. Generell würde ich ihre beiden Kinder nicht allein lassen. Die Erwachsenen führten noch ihr Gespräch fort, bis sie sich verabschiedeten und Hibiko von einem Arzt in die Psychiatrie begleitet wird.


Plötzliche Kopfschmerzen plagten mich, die Gedanken, die ich zuvor hatte, lösten wich wie Schaum auf, mein Kopf schmerzte so sehr, ich dachte, er würde gleich explodieren. Meine Gedanken waren wie aufgelöst, ich wusste, da war etwas, aber ich konnte mich nicht erinnern, egal wie sehr ich es versuchte. Langsam laufe ich raus aus dem kleine Waldstück, zurück auf die Straße, ein ruhiges Wohngebiet. Von Weiten hörte ich viel lautes Gelächter, etwas nähe, hörte ich schritte. Die Schmerzen waren so groß, dass ich die Augen zusammenkniff. Ehe ich mich versah, zog etwas an meiner Hand, und zog mich mit sich, ohne zu wissen, was passiert rannte ich hinter, in der anderen Hand, immer noch der Vogel.


Mehrere Straßen in einer kleinen Hintergasse hielten wir an, ganz aus der Puste lehne ich mich gegen die wand und verschnaufe erstmal. Ich öffnete wieder ganz meine Augen und war vom hellen Licht geblendet, mir wurde ganz schwarz vor Augen und ich sackte etwas in mich zusammen. Mein Begleiter schaute noch ein paar mal nervös um die Ecke. „Das war echt ein wilder Lauf.“ Die Worte legten sich sanft wie Federn um mich und der Schmerz war wie verflogen, leicht schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. „Unfassbar“. Sie kommt und geht wie der Wind. Sie geht auf mich zu und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Na? Erinnerst du dich an mich? Und ob, ich kann an gar nichts anders mehr denken. Sie hatte im Vergleich zu den letzten malen zwar immer noch die gleiche Jacke an und auch ihren Roten Schal, darunter verbarg sich jedoch eine Schuluniform. Bevor ich etwas sagen konnte, fokussierte sie ich auf meine Hand, „Oh, was trägst du denn da mit dir herbei, ist das etwa ein blauer Wellensittich?“ Sie zieht meine Hand zu sich und erblickt den Vogel nun komplett. Auf einmal schien sie wie ausgewechselt. Ihr blick, leer und nichtssagend. „Wo hast du den her?“, ganz verwirrt von der Situation erwider ich bloß: „Ich habe ihn unten an der Klippe gefunden, jemand hatte einen Vogelkäfig vom Hügel geworfen, ich bin direkt hin, aber konnte nichts mehr machen, ich wollte aber nicht ...“ Sie schloss meine Hand und sah mich mit einem sanften Lächeln an. „Du wolltest nicht, das er dort allein einfach so verwest?“ Es schien gar so, als könnte sie meine Gedanken lesen. „Komm mit mir.“ Sie nahm mich an der Hand und lief mit mir ein weites Stück, ohne mit mir ein Wort zu wechseln, der Wind umspielte ihren Schal, selbst von hinten war sie atemberaubend. Wir liefen ein Stück in einen Wald, so ein kleiner Bach lag. Sie ging an einen nahe gelegenen Baum und fing an, mit bloßer Hand zu graben. „Was machst du denn da? Lass mich das machen, deine Hände!“ Ohne auf mich zu hören, machte sie einfach weiter. „Gib ihn mir bitte.“Ich legte den kleinen Vogel in ihre Hände. Er sah nun schon viel friedlicher aus, sie streichelt ihm sanft über das Federkleid und gibt ihm einen zarten Kuss, bis sie ihn in das Loch legt und verbuddelt, als sie fertig war, murmelte sie etwas Unverständliches und stand direkt auf. „Begleitest du mich?“ Ich nickte nur und folgte ihr Blind. Sie ging mit mir den Hügel hinauf, mittlerweile war es schon später geworden und die letzten Sonnenstrahlen verabschiedeten sich bereits. Sie setzte sich auf das Gras und blickte zur linken Seite der Stadt und streichelte dabei sanft über das Gras.

Ich blieb hinter ihr stehen, ich hatte das Gefühl, das sie einen Moment für sich braucht.


„Wo bist du nun?“ … Sie griff sich an die Brust und sah Richtung Bergkette. Ich hielt die Stille nicht mehr aus. „Warum bist du hier?“ ohne lange zu überlegen, sagte sie sofort, „Ich habe einen Wunsch. Vor einiger Zeit, ist dort hinten, ein Stern vom Himmel gefallen.“ Ein Stern? Sie meint doch nicht etwa diese Art Sternschnuppe, welche ich damals gesehen habe. „Meinst du etwa diese Sternschnuppe?“ Sie sah mich verwundert an „Du hast sie auch gesehen?“ „Ja klar“, erwiderte ich ohne Umschweife „Das konnte man ja schlecht übersehen.“ Sie verschwand kurz in Gedanken, „Alle die ich kenne, meinten, sie hätten damals nichts gesehen.“ „Es zählt nicht, wer es gesehen hat, das wir es gesehen haben, reicht vollkommen.“ mein Blick wanderte wieder Richtung Himmel, wo sich die Sterne schon langsam erkennen lassen konnten. „Hast du dir etwas gewünscht?“ Tori drehte sich zu mir und sah mich so lieb an wie immer. „Ich habe mir etwas gewünscht, doch es ist nicht in Erfüllung gegangen, am liebsten würde ich mich aufmachen und den Stern suchen, aber … leider ist mir das nicht mehr möglich denke ich.“ Es wirkte so, als ob sie nicht wirklich darüber Sprechen wollte, deswegen wollte ich das Thema kurz halten. „Ich habe mir auch etwas gewünscht und sollte es jemals wahr werden, werde ich es dir sagen.“ Sie sah mich erneut an, dieses Mal, jedoch war das Lächeln eher Falsch als Echt. „Wirst du auch mich warten?“ Kurze wurde es still um uns herum. „Ich weiß, ich lasse dich ziemlich viel warten und ich kann dir auch nicht sagen, ob und wann wir uns wiedersehen.“ sie lächelte mich süß an „Du bist der einzige Mensch, dem ich viel zu sagen habe.“ Sie stand auf und klopfte sich den Dreck von ihrem Po. Ohne auf meine Antwort zu warten, sprach sie weiter. „Ich muss nun leider gehen, sonst bekomme ich noch ärger. Auf Wiedersehen Hibiko.“ Für einen Moment sah sie so traurig aus und ging wieder fort. Erneut stand ich wieder nur da und sah zu wie sie verschwand. Ich konnte mich einfach nicht regen.


Mitten in diesem riesigen Universum haben wir uns getroffen. Gibt es Worte, dessen Klang keine Bedeutung haben? Alles auf dieser Welt hat eine Botschaft. Es gibt tausende von Wegen, die wir beschreiten können und tausende von Arten diese zu überwinden. Vor uns liegen Tausende Anfänge und tausende Enden. Nur die Zukunft weiß wie wir uns entscheiden. Nur wir zusammen, sonst niemand, beschreitet diesen einen Weg von Tausend. Das Geheimnis unserer Begegnung liegt tief in uns verborgen. Mitten in diesem riesigen Universum trafen wir einander. Zwei Individuen harmonisieren und ziehen einander an. Ich fange an, die unbeschreibbare Kraft zu spüren, es muss der Akt des Glaubens an die eigene Existenz sein. Jedes Mal, wenn ich meine Erinnerung aufspüre, verliere es an derselben Stelle aus den Augen. Ich glaube, dass irgendwo auf dieser Welt mein wahres Selbst, lauert, in der Dunkelheit und der Stille, in den Schatten, in denen die Sorgen geboren werden. Man sollte keine Angst haben verletzt zu werden, denn jemand der keinen Schmerz fühlen kann, ist auch nicht gewillt liebe zu empfangen. Man muss sich alles ansehen, auch die hässlichen Seiten des Lebens, wenn man sich dann selbst entscheidet, wird dies einen stärker machen, es ist ein Akt von Freiheit. Die Antwort liegt irgendwo in mir, das macht mir nichts aus, auch wenn ich in meinen Gedanken ertrinke. Irgendwann werde ich dich wiedersehen, vielleicht morgen, vielleicht in 50 Jahren, du bist so schnell hier, doch ebenso schnell wieder entschwunden. Deine Präsenz brannte sich in meine Gedanken, ich glaube, selbst wenn ich irgendwann neu geboren werden, könnte ich mich in meinem neuen Leben an dich erinnern.

Wirklich Spektakulatius

I can imagine a world where I don't exist.
On the last day of my life, I live it anew.
Let it ruin me, the dreams, the ipomoea that lull in the morning sun,

the water that pours down the rain gutter.
The people with the antidote, still amused, watch the dreamers die.


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Kommentare 5

  • Kapitel 4 ist nun auch da :3

  • Neues Kapitel

  • wirklich schön und spannend zu lesen :D hat mich gefesselt.

    • freut mich :3
      Ich Sitze auch weiterhin an neuen Kapiteln

    • Oh cool :3 bin schon gespannt