Am 19.08.2021 hatte ich die Ehre gehabt bei den deutschen Synchronarbeiten zur Animeserie Shakugan No Shana dabei sein zu können. Diese Möglichkeit ergab sich Ende letzten Jahres im Rahmen einer Crowdfunding Aktion von emania, die in Zusammenarbeit mit FilmConfect Anime Shana u.a. bei uns veröffentlichen. Über die Crowdfunding Aktion, wo man verschiedene Goodies erwerben und auch Shana vorbestellen konnte, sollten die finanziellen Verluste von emania hinsichtlich ausgefallener Veranstaltungen, darunter auch die Anime Messe, die auch von emania veranstaltet wird, ausgeglichen und auch die Veröffentlichung von Shana mitfinanziert werden.
Das teuerste Goodie war hierbei die Möglichkeit eines Besuchs des Synchronstudios wo die deutsche Synchro von Shana bearbeitet wird. Als Synchronfan war das für mich eine ziemlich verlockende Geschichte und ich hatte einige Wochen gegrübelt ob es das wirklich Wert war. Am Ende hatte ich mich dafür entschieden. Eine solche Chance kommt für einen Außenstehenden nicht alle Tage und es war für mich auch eine gute Möglichkeit die Arbeit von emania zu unterstützen die mit Animeradio.de und der Anime Messe Babelsberg was schönes geschaffen haben und mit AnimeFanShop.de eine durchaus gute Adresse für japanische Snacks und Süßigkeiten zu guten Preisen und eine breite Auswahl an Anime Merch bieten. Ebenfalls zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis. Ich hätte es Schade gefunden wenn emania ohne Eigenverschulden trotz all dem in finanzielle Schieflage geraten würde und zukünftige Projekte so erschwert werden würden. Das dürfte denke ich den letzten Ausschlag für gegeben haben warum ich für 250€ mir den Spaß eines solchen Besuchs gegönnt habe zusätzlich zu der Tatsache das ich mich brennend für die Synchronarbeit interessiere.
Da die Corona Lage auch über das Jahr 2021 nicht wirklich besser geworden ist war es mit einem Termin für den Studiobesuch schwierig. Es sollten mehrere Monate vergehen bis der erste mögliche Termin eintrudelte und dieser war sehr kurzfristig. Gerade mal knapp eine Woche vor dem geplanten Termin kam das Angebot eingetrudelt. Für mich war die Gelegenheit günstig, ich konnte an dem Tag Zeit für freiräumen und noch länger auf einen anderen Alternativtermin warten wollte ich nicht. Also sagte ich zu.
Per E-Mail erfolgten weitere Rücksprachen mit Michael Klement, dem Geschäftsführer von emania. So vergingen die wenigen Tage bis zum Studiobesuch wie im Fluge ehe es los ging nach Potsdam auf dem Gelände des Studio Babelsberg wo sich die Synchronfirma TNT Media befand bei dem u.a. Shana auf deutsch synchronisiert wird.
TNT Media wurde 2008 von Moritz Weilandt und Martin Irnich gegründet. Irnich ist zugleich auch Geschäftsführer von FilmConfect und FilmConfect Anime und so ist es nicht verwunderlich das anfangs vor allem Lizenzen aus dem Hause FilmConfect dort synchronisiert wurden. Über die Jahre konnte TNT Media jedoch auch andere Auftraggeber für sich gewinnen. So gehören mittlerweile Kazé Anime ("Comic Girls", "Triage X", "Highschool DxD", "JoJo's Bizarre Adventure"), Crunchyroll ("Meine Wiedergeburt als Schleim in einer andere Welt" aka "TenSura",), Animoon ("Is This A Zombie?", "Kuroko's Basketball", "Haganai", "Konosuba" u.a.) und zuletzt Polyband Anime ("Arte", "Appare-Ranman") zum Kundenkreis von TNT Media.
Zwar werden bei diesem Synchronstudio nicht nur Animes synchronisiert, aber ein überwiegender Teil der Projekte dort sind tatsächlich Animes. Da dürfte u.a. die von Anfang an große Nähe zu FilmConfect Anime beigetragen haben. Dazu gleich mehr.
Ein herzlicher Empfang
Dank der guten Hinweise und Wegbeschreibungen von Michael konnte ich ganz gut zum Zielort finden. Die Fahrt über die Dauerbaustelle Berlin mit den ganzen Staus nach Potsdam war zwar alles andere als angenehm, dafür aber der Empfang. Gegen 11 Uhr sollten wir uns vor dem Eingang des fx.Center Babelsberg einfinden wo u.a. auch TNT Media beheimatet ist. Michael stand schon vorm Eingang und empfing uns mit Shana Beuteln in denen sich kleine Snacks wie japanische Milchbrötchen, Pocky und dazu kühler grüner Tee befand. Dazu noch Werbeflyer für Veranstaltungen und Produkte von emania und ein Shikishi mit Shana Motiv das man sich von den Synchronsprechern signieren lassen kann.
Recht zügig hatte sich die erste Gruppe der Crowdfunder, mit mir bestehend aus 5 Leuten, vor dem Eingang eingefunden. Daneben gibt es noch weitere 5 Crowdfunder, die ebenfalls den Anspruch auf einen Studiobesuch erwarben, aber an jenem Tag keine Zeit hatten. Für diese wird sicherlich ein späterer Termin gefunden der auch frühzeitiger angekündigt wird. Die erste Gruppe war aber auch so schon bunt zusammengewürfelt. Sie alle kamen aus den verschiedensten Ecken Deutschlands. Nur einer hatte es nicht so weit gehabt, denn er kommt aus Berlin. Da war ich doch etwas überrascht. Dachte zunächst das doch eher die Leute so kurzfristig erscheinen können die nicht allzu weit weg vom Studio wohnten.
Gemeinsam gingen wir dann rein in das Bürokomplex. Michael führte uns über den Fahrstuhl direkt in den Bereich wo FilmConfect seine Büroräume hat. Dort befindet sich alles an einem Fleck. FilmConfect, FilmConfect Anime und eben auch TNT Media. Alles unter einem Dach und wo auch dieselbe Person verantwortlich ist: Martin Irnich.
Dieser empfing uns direkt im Foyer, wo wir es uns zwischenzeitlich gemütlich gemacht hatten auf den Sofas. Sein Auftreten war mir auf Anhieb sympathisch. Er strahlte direkt eine angenehme Ruhe aus, war gastfreundlich und zuvorkommend. Bot uns auch Kaffee und Wasser an das er direkt an der Bar im Foyer einige Meter weiter von den Sitzgelegenheiten für uns besorgte.
Während wir auf die erste Synchronsprecherin warteten erzählte Irnich noch was zum Ablauf des Tages. Kurze Zeit danach gesellte sich auch noch Moritz Weilandt zu uns. Der Geschäftsführer von TNT Media an dem Irnich als Mitbegründer auch beteiligt ist. Er macht u.a. auch noch die Aufnahmeleitung. Das heißt er fragt die gewünschten Sprecher an, bucht sie und koordiniert die Aufnahmetermine. Ein durchaus stressiger Job wenn man mehrere Projekte zu betreuen hat und nicht Gefahr laufen möchte durch Fehlplanungen Sprecher die man an bestimmten Tagen braucht nicht zu bekommen. Er erzählte uns auch von seiner Arbeit und wie die Organisation so abläuft. So ist der Markt in Berlin sehr groß. Es gibt sehr viel Konkurrenz und so sind gewisse Voranmeldungen erforderlich um sich die gewünschten Leute zu sichern. Die genauen Termine werden 1-2 Tage vorher festgelegt. Eine Arbeit bei der mir schon beim zuhören ganz mulmig wird. Da braucht man schon viel organisatorisches Geschick. In kleineren Synchronstädten wie Hamburg oder München mit geringerer Auftragslage soll es aber etwas entspannter sein.
Zwischen Aufnahmeatelier 1 & 2 befindet sich das Büro von FilmConfect Anime.
Die eigentliche Synchronarbeit beginnt
Mit kleiner Verspätung kam dann die erste Synchronsprecherin an, der wir bei der Arbeit zuschauen werden. Ronja Peters heißt sie die u.a. in Shana die Figur Wilhelmina Carmel spricht. Nach einer kurzen Begrüßung mit ihr ging es für uns weiter in den Regieraum des Aufnahmeateliers 1, der zugleich auch der größte bei TNT Media ist. Es gibt auch noch deutlich kleinere. Bei diversen Synchronstudios konnte das Aufnahmeatelier schon mal so groß wie eine kleine Besenkammer sein. Im Atelier 1 gab es hingegen noch genügend Platz für einen Arbeitsplatz für die Cutterin. Die ist dafür zuständig auf die Lippensynchronität zu achten. Zudem bietet dieses Atelier auch Platz für mehrere Personen hinterm Mikro.
Auf dem Weg in den Regieraum direkt neben dem Atelier fielen mir auch noch die zahlreichen Anime Poster an den Wänden auf mit den Charakteren der Animes aus dem FilmConfect Anime Portfolio. Der Regieraum war auch besonders groß. Es gibt zentral angeordnet mehrere große Lautsprecher und einen großen Fernseher wo wir die gerade synchronisierten Takes sehen konnten. Während die Sprecher im Atelier auf Nachfrage nur in den O-Ton reinhören können und es während der Aufnahme sonst still bleibt hört man in dieser Zeit im Regieraum alles. Sprich Musik und Soundeffekte in dieser Zeit und die Aufnahmen der anderen Kollegen und Kolleginnen sofern sie bereits schon dran waren und mitten drin den Satz den die Sprecher die gerade im hinterm Mikro stehen sprechen. Auf diese Weise bekommt man in der Regie einen vorläufigen Gesamteindruck wie es fertig in etwa klingen würde.
Als erstes auf dem Programm standen Aufnahmen für die Animeserie "The Slime Diaries" an. Das ist die Spin-Off Serie zu "Meine Wiedergeburt als Schleim in einer andere Welt". Peters spricht hier diverse Kleinstrollen und Komparsen. Synchronregie führt hier Jermain Meyer. Je nach Bedarf erläuterte er ihr worauf es ihm bei der einen Rolle ankommt oder wie sie angelegt werden sollte. Meist probierte Peters aber erst mal nur herum und fand zunächst erst mal einen eigenen Weg ehe in Zusammenarbeit mit der Regie da was angepasst werden musste bezüglich Spiel und Betonung. Synchronisiert wurde dabei so ziemlich alles was diese Figuren so von sich gaben. Ob nun einzelne Sätze, Stöhner, Ausrufer, Atmer, Schreie oder sonstige Geräusche die sie von sich gaben.
Es gibt auch Synchronproduktionen wo darauf verzichtet wird alles zu synchronisieren und wo man sich nur auf den Text konzentriert, ob nun aus Kostengründen oder weil man das nicht für nötig erachtet. Je nachdem kann das für den Zuschauer schon störend sein, wenn auffällt das plötzlich die Stimme bei den Schreien oder Lachern irgendwie anders klingt oder eben nicht wirklich "deutsch". Das wäre nicht gut.
Ehe wir es uns versahen war Peters Teil bei Slime Diaries fertig und es ging direkt weiter mit den Synchronarbeiten zu Shana, wo sie mit Wilhelmina eine größere Rolle hat. Flugs nahm dann auf dem Regiestuhl ein anderer Platz und zwar Martin Irnich, der auch seit vielen Jahren bei TNT Media die Synchronregie macht und das Shana Synchronprojekt betreut. Falls ihr euch fragt warum die Regie nicht von Jermain Meyer weiter fortgeführt wird: Die einzelnen Regisseure haben sich entsprechend in die Serie oder den Film eingearbeitet und kennen die Handlung, Charaktere und haben auch in etwa eine Vorstellung wie diese auf deutsch klingen sollten. Das versuchen sie dann mit den jeweiligen Sprechern künstlerisch umzusetzen. Da Irnich sich mit Shana auseinandergesetzt hat kennt er sich auch damit aus.
Im Atelier 1, dem größten Aufnahmeatelier bei TNT Media, finden die Synchronaufnahmen zu Shana
statt.
Auf dem Plan standen die Synchronarbeiten für die letzten beiden Folgen der 1. Staffel. Ein guter Teil des Casts hatten ihre Rollen da schon fertig synchronisiert. Da Peters mit ihrer Rolle bereits vertraut war ging es direkt los. Was dann folgte war ein fließendes abarbeiten der noch zu erledigenden Takes. Peters schaute sich die entsprechenden Takes kurz im O-Ton an, dann ging ihr Einsatz los sobald die Balken auf dem Bild links und rechts sich mittig trafen und für sie das Signal darstellten loszulegen. Danach kam von der Cutterin das Signal ob alles in Ordnung war oder nicht. Wenn alles Lippensynchron war kam vom Regisseur entweder auch noch das ok oder die Bitte es etwas anders zu machen. Je nachdem meldete sich auch noch der Tonmeister neben dem Regisseur zu Wort, der damit beschäftigt ist die Aufnahmen abzunehmen, passend zu schneiden und zu schieben und die Takes einzuspielen, falls die Aufnahme an sich nicht optimal aufgenommen wurde.
So läuft es bei jedem Take ab und es geht ziemlich schnell zur Sache. Die erfahrenen Profis ziehen die Takes in höchstens 30-60 Sekunden durch. Bei längeren Sätzen auch ein paar Minuten mehr. Die Aufnahmeleitung berücksichtigt bei ihren Terminplanungen auch wie viel Zeit die jeweiligen Sprecher bei ihrer Arbeit brauchen. Wer noch nicht so erfahren ist braucht logischerweise mehr Zeit, weil man noch nicht so routiniert ist, die Anweisungen nicht ganz so schnell umsetzen kann, mehr Hilfestellungen braucht und eben auch mehr Fehler macht so das Takes öfters wiederholt werden müssen. Würde entsprechend mehr Zeit und damit Geld kosten. Auch das kann bei der Sprecherwahl je nach Projekt eine Rolle spielen.
Peters macht die Arbeit jedenfalls ganz professionell zügig. Wie am Fließband ohne das jedoch negativ zu meinen. Es gab so während der Arbeit auch Zeit für eine lustige Anekdote die ihr vor kurzem passiert war und so lustig war das war uns alle schlapp gelacht haben. So etwas hebt die Stimmung und schafft eine angenehme Arbeitsatmosphäre. Trotz aller Späße sind alle Beteiligten konzentriert bei der Sache. Am Ende war Peters mit ihrer Arbeit fertig. Jedenfalls bei TNT Media. Direkt danach musste sie sich auch schon auf dem Weg zum nächsten Studio machen. Etwas Zeit für Autogramme gab es noch. Da wurde mir klar wie eng getaktet die Arbeit der Synchronsprecher in Berlin doch so ist. Das Studio-Hopping stelle ich mir in einer Stadt wie Berlin, dessen Straßen chronisch zugestopft sind, nicht gerade angenehm vor. Wenn man Glück hat arbeitet man an einem Tag nur in einem bestimmten Berliner Stadtgebiet. Denn diverse Synchronstudios sammeln sich gerne mal in einem bestimmten Bereich der Stadt. Auch im Umfeld von TNT Media auf dem Studio Babelsberg Gelände in Potsdam stehen direkt in Fußweite andere Synchronstudios die auch schon mal größere Filme und Serien synchronisiert haben wie z.B. Hermes Synchron ("Pulp Fiction", "Monk"), Lavendelfilm ("Last Man Standing", "Mike & Molly") oder Studio Babelsberg Synchron ("Scary Movie")
Nachdem Ronja Peters weg war kam auch schon die nächste ins Studio. Laurine Betz, die ich selber u.a. als Reg aus "Made in Abyss" kenne, hat sich hinterm Mikro in Stellung begeben. Sie spricht in Shana die Mutter der männlichen Hauptfigur Yuuji Sakai. Eine eher kleinere Rolle. Dementsprechend verliefen bei ihr die Arbeiten zügiger. Hin und wieder musste Irnich Betz etwas korrigieren. In einem Take etwa rutschte sie mit ihrer Stimme etwas zu sehr in die Tiefe. Er wollte das die Mutter eine hellere Stimmfarbe hat. An anderen Stellen kamen die gewünschten Emotionen nicht ganz zum Ausdruck so das Betz diese Takes dann auch wiederholen musste bis Irnich auf dem Regiestuhl sein ok gab.
Während seiner Arbeit fiel mir auf das er in Absprache mit den Sprechern immer wieder vom eigentlichen Dialogbuch abwich. Das ganze läuft sehr dynamisch ab. Es kann immer wieder mal vorkommen das man aus der Situation heraus den Satz nicht so aussprechen kann wie eigentlich geplant und/oder dabei zu viel oder zu wenig Zeit verbraucht und dadurch nicht ganz Lippensynchron ist. Dann wird gerne mal ein Wort ausgelassen oder neu eingefügt oder gar ein gänzlich neuer Satz mit ähnlicher Bedeutung sich überlegt. Diese Änderungen können entweder vom Sprecher selbst ausgehen (mit Zustimmung des Regisseurs) oder vom Regisseur selbst veranlasst werden. Im Dialogbuch werden diese Änderungen dann direkt vom Sprecher am Pult vermerkt. Auch in Japan sind solche dynamischen Änderungsprozesse der Dialoge üblich. So zeigte Michael uns das Original japanische Dialogbuch von Shana. Dieses wurde eingescannt, weil auf dem ausgedruckten Dialogbuch von den Japanern auch die nachträglichen Änderungen vermerkt wurden. Bei der Übersetzung ins deutsche muss das auch entsprechend berücksichtigt werden.
Irnich war bei seiner Regiearbeit ganz ruhig und entspannt. Baute auch keinen (Zeit-)Druck auf wenn es mal ausnahmsweise länger dauerte mit den Takes. Das ist denke ich auch wichtig um die Leute hinterm Mikro abzuholen und eventuell auch zu beruhigen. So kann man besser in die Arbeit reinkommen und ist schnell bei der Sache und konzentriert dabei.
Auch Betz hatte nach getaner Arbeit bei TNT Media nur wenig Zeit für uns, aber auch sie gab uns freundlicherweise Autogramme.
Mein Einsatz hinterm Mikro
Mittlerweile geht es Richtung Mittagszeit und damit befanden wir uns schon in der Mittagspause. Eine gute Gelegenheit uns selbst hinterm Mikro auszuprobieren. Da der eigentliche Tonmeister in seine wohlverdiente Mittagspause ging sprang da Jermain Meyer ein, der bei TNT Media sonst auch als Tonmeister tätig ist. Als erstes haben wir spaßeshalber die Takes mit Yuuji Sakai eingesprochen. Ich selber hab mich als letztes vorgewagt. Eine gewisse Aufregung verspürte ich schon. Es war für mich auch noch eine ungewohnte Situation, sozusagen direkt ins kalte Wasser. Martin Irnich versuchte mich da erst mal etwas zu beruhigen. Mit der Arbeitsweise im Atelier musste ich auch erst mal zurecht kommen. Im Dialogbuch suchte ich erst mal den zu sprechenden Take. Den Inhalt musste ich mir kurz merken. Auf dem Bildschirm vor mir wurde mir die zu synchronisierende Stelle als erstes im O-Ton vorgespielt ehe ich selber loslegen musste. Auf Anhieb klappte das natürlich nicht. Da gab es immer wieder etwas was nicht so gut klang oder das Spiel noch ausbaufähig war. Einmal hatte ich zu sehr beim Spiel mit den Armen gestikuliert, was man hinterm Mikro nicht tun sollte weil das Mikro die dadurch entstandenen Luftstöße auch mit einfängt. Da musste ich aufpassen.
Am Ende klappte es mehr oder weniger mit meinem Take. Tim Schwarzmaier, der Yuuji eigentlich spricht, dürfte aber Welten besser sein als ich. So viel steht fest.
Anschließend ging es zu den Menge-/Masseaufnahmen. Dabei stehen mehrere Personen als Esemble hinterm Mikro um etwa das zu vertonen was man sonst im Hintergrund immer so hört. Publikumsreaktionen, Hintergrundgemurmel, Rufe, Laute, sonstige Reaktionen die nicht klar einer bestimmten Person zuordenbar sind. Normal schenkt man dem ganzen wenn man sich den Film oder die Serie anguckt keine Beachtung, aber auch das ist wichtig für die entsprechende Atmosphäre in den einzelnen Szenen. Solche Esembleeinsätze sind oftmals auch der Einstieg für viele angehende Synchronsprecher. Jeder versucht da sein bestes zu geben in der Hoffnung die Aufmerksamkeit des Regisseurs zu erlangen der einen eventuell auf einer richtigen Minirolle oder gar Nebenrolle ausprobiert. Es gibt auch Sprecher die auch nach Jahren immer noch im Esemble festhängen. Andere schaffen es gar direkt eine richtige Synchronrolle zu bekommen ohne lange Esemblezeit, aber das ist eher selten der Fall.
Nun zu meinem Esembleeinsatz. Synchronisiert hatte unsere kleine Gruppe irgendeine Männergruppe und eine Roboterarmee die gegen Shana kämpft. Schon da war das richtige Timinggefühl und ein gewisses Spiel wichtig. Gleichzeitig schreien und rufen war für uns noch kein Problem. Interessanter und schwieriger war da schon die Roboterarmee. Abgesehen davon das wir eben wie Roboter sprechen mussten, mussten wir da absolut Synchron sein. Zudem gab es auch noch Stellen wo die Roboter zeitversetzt sprachen. Da mussten wir uns richtig abpassen, was nicht immer leicht war. Am Ende hatten wir auch das hinbekommen und das wird man alles in der finalen deutschen Synchro zu hören bekommen. Wird natürlich noch alles passend abgemischt und unsere Stimmen wird man sicherlich auch etwas pitchen damit wir nochmal mehr wie Roboter klingen.
Für mich war das jedenfalls als Synchronfan eine schöne Erfahrung gewesen unter professionellen Bedingungen in einem richtigen Studio hinterm Mikro zu stehen. Zudem steigert sich bei mir nochmal mehr die Wertschätzung für die Arbeit der Synchronsprecher. Diese Arbeit ist nämlich nicht so einfach wie man sich das vorstellt und kostet auch ordentlich Kraft und Energie. Ich selber musste dabei viel Trinken damit meine Stimme das halbwegs mitmacht und dabei waren das in meinem Fall gar nicht mal so viele Takes.
Die deutsche Stimme von Shana
Nachdem unser Gastspiel hinterm Mikro vorüber war kam schließlich die letzte Synchronsprecherin der wir bei der Arbeit zugucken konnten. Diesmal handelte es sich um Samina König, die einige sicherlich unter dem Namen Selphy kennen dürften. Sie macht auf ihrem Youtube Kanal viele deutschsprachige Anime Coversongs. Zudem streamt sie regelmäßig auf Twitch und tritt dabei optisch mit einem eigenen V-Tuber Avatar auf. Ich selber finde es immer wieder interessant zu sehen wie die Gesichter hinter den Synchronstimmen so sind. Manche Leute sind da sehr scheu und lassen sich nicht in die Karten schauen. Ein Extrembeispiel ist da etwa Hannes Maurer, den man u.a. als deutsche Stimme von Timmy Turner aus "Cosmo & Wanda" oder auch Shinji aus "Neon Genesis Evangelion" kennt. Über ihn ist so gut wie nichts bekannt, auch nicht wie er aussieht.
Bei Samina König ist das jetzt nicht so extrem, aber man merkt ihr an das sie öffentlich lieber unter ihrem V-Tuber Alias auftritt. In echt macht sie nochmal einen gänzlich anderen Eindruck als Online. Ihre Stimme die man immer so hört ist jedenfalls echt und so redet sie auch normal. Hatte zunächst angenommen das sie diese leicht verstellt oder damit herumspielt. Ihre Stimme fällt jedenfalls direkt auf. Abgesehen davon ist sie ein Mensch wie jeder andere auch und nimmt sich selber nicht allzu wichtig. Ist sogar was ihre eigene Person anbelangt eher schüchtern.
Hinterm Mikro ist sie aber ganz die Profi und haut recht fix einen Take nach dem anderen raus. Wenn sie Shana spricht fällt mir immer wieder ihr ausgeprägtes Zischen und scharfe "S" auf, was bei mir entfernt Assoziationen zu einem spanischen Akzent auslöst. Sie ist jedenfalls in ihrer Rolle als Shana voll drin und während ich in der ersten Folge dieser Besetzung nur wenig abgewinnen konnte hatte sie sich in den letzten Folgen der 1. Staffel doch nochmal gesteigert so das ich sie zumindest als Shana anerkennen kann. Auch mit Samina gab es während der Synchronarbeiten die ein oder anderen Späße die die Arbeit auflockerten.
Am Ende war sie mit ihren Takes deutlich schneller fertig als eigentlich geplant. Die 1. Staffel liegt nun hinter ihr, aber die Arbeit ist noch nicht vorbei. Der erste Shana Film steht noch an und sicherlich danach noch die 2. Staffel, aber nicht am heutigen Tag. So gab es mehr als ausreichend Zeit für eine kleine Plauderrunde im Regieraum. Zusammen mit Martin Irnich, Samina, Michael und den anderen Jungs in der Runde plauderten wir über dies und jenes, vor allem natürlich zum Thema Synchron, aber auch den deutschsprachigen Openings und Endings in Shana die Samina selber toll findet. Heutzutage werden kaum noch Anime Openings offiziell eingedeutscht. Da ist es schön das man das hier macht. Auch die Zusammenarbeit zwischen FilmConfect und emania war Thema in der Runde. So verging die Zeit wie im Fluge und wir blieben nochmal länger vor Ort als ursprünglich geplant.
Doch irgendwann war es Zeit für den Abschied. Wir gingen nochmal raus zum Foyer. Vor dem Büroraum von FilmConfect Anime direkt zwischen dem Atelier 1 und 2 standen schon die Kartons mit der 4. Volume von Shana. Die bekamen wir von Michael als kleines Abschiedsgeschenk direkt in die Hand gedrückt. Samina bekam gleich drei Exemplare von in die Hand. Sie hatte zuvor noch erzählt das sie oftmals kein Exemplar vom Film oder der Serie zugeschickt bekommt wo sie eine große Synchronrolle hatte.
Anschließend verabschiedeten wir uns noch alle von Martin Irnich und gingen alle zusammen raus. Für Samina war der Arbeitstag bei TNT Media auch schon vorbei so das sie mit uns raus ging. So endete ein für mich erlebnisreicher Tag den ich noch lange in guter Erinnerung behalten werde.
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Man kann sich drüber streiten ob dieser Besuch im Synchronstudio das viele Geld Wert war. Da ich diesen Tag nicht bereut habe und ich meinen Spaß hatte und eine Erfahrung gemacht habe die ich unter normalen Umständen sonst so nie gemacht hätte war es das auf jeden Fall Wert.
Die Terminfindung war so eine Sache gewesen, aber damit konnte ich mich noch halbwegs arrangieren. Andere aus der Gruppe hatten eine noch größere Distanz dafür spontan auf sich genommen als ich.
Insgesamt war ich von dem Besuch angenehm und positiv überrascht. Der Empfang war herzlich und wir wurden gut aufgenommen. Martin Irnich ist ein toller Gastgeber und machte auf mich einen ganz sympathischen Eindruck. Bei ihm fühlt man sich so als wäre man gerade beim Arzt seines Vertrauens. Zudem hat man immer das Gefühl das er weiß was er tut und alles unter Kontrolle hat als Geschäftsführer. Er arbeitet sich auch in seine Geschäftsbereiche sehr gut ein. Mit dem Animemarkt und den Animes die er vertreibt kennt er sich auch ganz gut aus. Fand es etwa auch schön das er korrekt gesagt hatte das "Super Sonico" kein Ecchi Anime ist, auch wenn es so 1-2 Folgen gab wo man Sonico mal leicht bekleidet sieht, und die Serie mehr aus verschiedenen Alltagsgeschichten besteht.
Von FilmConfect Anime hört man zwar von allen Anime Publishern am wenigsten und viele schreiben diesen Publisher gerne mal ab, aber da das Synchrongeschäft mit TNT Media wunderbar läuft und sich auch der Vertrieb vom regulären FilmConfect mit ihren Indie-Filmen gut hält kann es sich Irnich auch leisten das FilmConfect Anime nicht so viele neue Animes rausbringt.
Zu sehen wie der normale Arbeitsalltag im Synchronstudio so ist war auf jeden Fall für mich eine wichtige Erfahrung gewesen. Als Synchronfan hab ich mich zwar viel zu dem Thema eingelesen und viele Hinter-den-Kulissen Videos und Interviews zu gesehen, aber das ganze mal selber mit anzusehen und zu erleben ist da nochmal was anderes. So bekommt man auch ein besseres Gespür wie es da so abläuft. Auch die Synchronsprecherinnen die ich bei der Arbeit kennen lernen durfte und eben auch bei der Arbeit zuschauen konnte waren ganz sympathisch.
Somit habe ich alles worüber ich immer nur gelesen und übers Internet aus der Entfernung gesehen habe aus nächster Nähe erlebt und diese Erfahrung will ich nicht missen. Die gelebte Praxis schlägt "Bücherwissen" doch nochmal bei weitem.
Kommentare 6
Minttu
Ich kann mir vorstellen, dass diese Arbeit schwierig ist. Zudem sollte man aber bedenken, dass man Synchronsprecher nicht einfach so wird, da gehört ja auch eine Ausbildung dazu, was selbstverständlich wichtig ist. Ich glaube mir wäre das zu schwierig, davon abgesehen, dass ich nicht so gerne spreche. ^^
Deutsche Synchronisation gehört zur deutschen Fernsehkultur, das ist etwas tolles.
Ob das jetzt immer so gut ist, ist eine andere Frage.
Ist aber mal echt interessant dein Artikel.
Nyan-Kun Autor
Wenn man nicht gerne spricht ist man im Synchron natürlich an der falschen Adresse.
Ist jedenfalls nicht ohne. Es ist ein Handwerk was man sich erarbeiten und viel üben muss. Richtige Atemtechnik spielt auch eine wichtige Rolle. Hab ich etwa selber gemerkt als ich selber hinterm Mikro stand. Sonst kommt man ziemlich schnell außer Puste.
Minttu
Mir ist gerade noch was eingefallen...
Ich find' es auch übelst interessant, dass sich die "Profi-Sprecher" nur wenige Minuten im Tonstudio befinden. (Soweit ich es so aus deinem Text erlesen konnte)
Ich dachte immer, dass auch sie länger (vielleicht 5-6+ Std.) Aufnahmen machen, wie bei Musikern, oder so. :D
Vor kurzen habe ich eine Simpsons Folge gesehen, da ist Krusty der Clown in's Tonstudio gegangen, ca. 15 Sek. später war er fertig mit seiner Aufnahme und hat dann noch Lisa blöd angemacht.
Das war also gar nicht soweit hergeholt. xD
Nyan-Kun Autor
Wenige Minuten sind es jetzt auch nicht.
Das würde sich für das Studio das die Sprecher extra holt dann auch nicht lohnen. Wie lange die Leute im Studio bleiben ist aber schon sehr unterschiedlich. Können einige Stunden sein oder eben auch nur weniger als eine Stunde. Man muss aber auch noch bedenken das die Sprecher Termine bei mehreren Studios haben. Die sind wie gesagt nicht nur bei einem Studio tätig. Das summiert sich entsprechend so das man je nachdem einen richtigen Vollzeitjob hat. Diverse andere Sprecher arbeiten auch noch als Theater- oder Filmschauspieler oder gehen anderweitigen Tätigkeiten nach. Dann kann es schon sein das sie etwa nur Halbtags oder weniger hinterm Mikro tätig sind. Samina König alias Selphy ist etwa bekanntlich auch noch als Twitch-Streamerin und Sängerin tätig.
Was aber schon öfters mal vorkommen kann ist das Sprecher die extra für eine größere Rolle geholt werden direkt im Anschluss oder auch vorher mehrere Minirollen in einer anderen Serie oder Film sprechen. Ist dann auch logistisch und damit auch von den Kosten her sinnvoll. War etwa bei meinem Besuch auch so das eine Sprecherin die in Shana eine große Rolle hatte dann noch in "Slime Diaries" mehrere Minirollen einsprach.
Minttu
Im Großen und Ganzen finde ich diese Arbeit interessant und anspruchsvoll und die Sprecher haben auf jeden Fall meinen Respekt.
Wenn ich ehrlich bin reizt mich das schon, irgendwie. :>
Nyan-Kun Autor
Kann ich sehr gut nachempfinden. So fing es bei mir damals auch an das ich mich für die Stimmen hinterm Mikro interessierte und schließlich auch für deren Arbeit. So hab ich dann im laufe der Zeit alles zu dem Thema aufgesogen was es gibt. Ob nun Interviews, Making-Ofs, Berichte, sonstige Literatur. So hab ich mir schließlich viel Wissen zu dem Thema angeeignet. So richtig Verständnis für diese Arbeit kann man aber nur haben wenn man diese Arbeit selber mal gesehen und erlebt hat wie ich nach meinem Studiobesuch gemerkt habe.