• Geistertanz


    Ich bin ein Geist. Ich schwebe nur
    Durch manche finst’re Stunde.
    Die Zeit ist tot. Es schweigt die Uhr,
    Steht still in ihrer Runde.


    Wie unsichtbar, so fühl‘ ich mich.
    Die Welt kann mich nicht sehen.
    Ich bin allein, so jämmerlich.
    Wohin nur soll ich gehen?


    Ich bin ein Geist. Ich hab kein Heim.
    Ich klopfe nur an Pforten,
    Umwerbe dort mit manchem Reim
    Die finsteren Konsorten.


    Sie brauchen mich. Ich brauche sie.
    Doch bin ich ihnen nütze?
    Mein Herz füllt sich mit Agonie.
    Kein Trost und keine Stütze.


    Ich bin ein Geist. Ich schwebe sacht
    Durch längst verlor’ne Welten.
    Mich frisst der Tag, mich schlingt die Nacht,
    Die mich doch einst entstellten.


    Ich bin ein Geist, ich lebe nicht
    Doch will auch noch nicht sterben.
    Auf meinen Schultern, das Gewicht,
    Es zieht mich ins Verderben.


    Das Weltenspiel ist hart und rau.
    Die Farben, sie verblassen.
    Ich fühle mich so leer und grau,
    So ahnungslos verlassen.

  • Wow, also das ist interessant.
    Ich hab schon beim ersten Lesen gedacht "die ganzen Atithesen wirken irgendwie zerreißend" und das obwohl der Rhythmus so leicht klingt. Das fand ich ernsthaft faszinierend. Ich schätze, wenn ich mir vorstellen würde in Gesit zu sein wäre es genau dieses Gefühl, das ich haben würde.
    Einerseits die Schwerelosigkeit, die Leichtigkeit des Nichtseins und andererseits dieser Zweispalt zwischen Leben und Tod, zwischen Gehen und Bleiben, zwischen Leiden und Schweben.
    Ich habe mir vorher nie Gedanken gemacht wie sich ein Geist fühlt und ich weiß auch nicht ob ich das ganze Gedicht jetzt noch in einen höheren Kontext einordnen sollte. Möglichkeiten das auf reale Situationen zu beziehen fielen mir etliche ein, aber ich denke das ist nicht nötig, denn meiner Meinung nach ist es genau das eben beschriebene Gefühl, welches dieses Gedicht irgendwie besonders macht.
    Kurzum, es ist mal wieder ein wirklich gutes und sprachlich schönes Gedicht aber über dem Lob das ich dir ohnehin schon immer gebe würde ich einfach hinzufügen wollen, dass die Wirkung dieses Mal eine ganz besondere ist und trotz der augenscheinlichen Einfachheit (Kann man das so sagen? xD) hinterlässt es irgendwie... sehr viel Zerrissenheit.
    Also ich für meinen Teil zumindest saß danach erstmal kurz da und musste das wirken lassen haha^^
    Wirklich schön^^

    "Fedrig stark sind meine Schwingen
    Und obwohl ich schwer wie Blei
    Kannst du mich nicht mehr bezwingen,
    Bin ich endlich federfrei. "


  • Jetz geb ich auch mal meinen Senf ab hier O_o is ja nicht zu fassen. Jeder kommentiert, nur ich nicht +hüstel+ auf ins Gewühle:


    Das Thema spricht mich auf den ersten Blick extrem an. Ich meine, wer denkt nicht ab und zu darüber nach was mit jenen verblichenen passiert, die weiter hier auf Erden weilen, aber trotzdem nicht wahrgenommen werden? Richtig, sie "geistern" durch die Welt, schaffen es vielleicht sich mit umfallenden Gegenständen oder merkwürdigen Geräuschen bemerkbar zu machen, aber wirklich BEMERKT werden sie nicht. Und ich glaube hier wären wir auch beim eigentlichen Thema. Wie würde es sich wohl anfühlen in einer Traube von Menschen zu wandeln, die mich gar nicht wahr nimmt? Ich denke das ist ein durchaus schreckliches Gefühl.
    Anderer seits kommt in deinem Gedicht durchaus noch eine ganz andere Aussage zum Vorschein. Manch lebendiges Menschelein "geistert" auch durch die Welt und wird nicht wirklich wahr genommen. Zwar wird auch hier an manche "Pforte" geklopft, augenscheinlich wird man auch wahr genommen, aber manchmal tanzen die Blicke durch dich durch, ganz so als wärst du gar nicht existent.


    Du siehst also schon, dein Gedichtchen bringt mich zum nachdenken ^^ hast du wie immer sehr gut geschrieben. Nur eines möchte ich noch bemerken: Obwohl - wie von Malice schon erwähnt- dein Gedicht was sehr leichtes, schwebendes hat und der Rhtymus butterweich ist... am Ende dachte ich irgendwie "Mensch, da kommt doch noch was. Ist was wirklich schon das Ende? Noiiin, da kommt doch noch was. Naiin xD"
    Mit dem Ende hatte ich wirklich meine liebe Not xD ich war so sehr in diesem leichten Takt drin, das es mich schon fast schockiert hat als es zu Ende war (nein, das ist nicht negativ gemeint ^^)

  • Da so schnelle Antworten gekommen sind, komm ich wohl nicht umhin, sie zu beantworten ^^"
    Ich werd die Antwort aber nicht mehr extra aufteilen, verzeiht mir, dass ihr dadurch mehr lesen müsst:


    Ich hatte erst Angst, dass das Gedicht leicht missverstanden wurde ^^" Tatsächlich wird ja ein Geisterdasein beschrieben, wie er zwischen Tod und Leben wandelt. Aber das wäre doch etwas zu plump... Außerdem glaube ich, würde ich Geister viel zu sehr romantisieren, wenn ich über sie schreiben würde xD
    Lucy hat recht, hiermit meinte ich eher den zweiten Aspekt. Zwar kann man auch nichts dagegen sagen, dass dieses Gedicht einen Geist beschreibt, es war aber übergreifend gemeint.
    Was passiert mit einem Menschen, der sämtliche (Lebens-)Motivation verliert? Der nicht mehr leben kann, aber sein eigenes Leben nicht beenden will? Der glaubt, in jedem Freund nur Gleichgültigkeit gegen sich zu finden? Der seine Werke und Talente als unnütz betrachtet? Der keine Farben mehr sieht, bis er sich selbst grau und durchsichtig fühlt und der auch keine Hoffnung mehr entdeckt, das zu ändern?
    Er geistert nur umher, zieht durch das Leben wie ein Unbeteiligter. Er "klopft" zwar noch an "fremde Pforten", er wird auch hineingelassen, er wird gebraucht und er braucht im System zwischenmenschlicher Beziehungen aka Freundschaft, aber ob das ganze sinnvoll und nützlich ist, ob man nicht auch darauf verzichten kann, sagt ihm keiner.
    Wenn man nirgends mehr Fuß fassen kann, bleibt einem ja schwerlich etwas anderes übrig als zu "schweben".


    Diese Gedanken stecken da ungefähr hinter ^^"
    Malice hat die Zerrissenheit da ja sehr deutlich herausgespürt und wenn ich Lucy zm Nachdenken gebracht habe, umso besser xD Und Takamiya danke ich natürlich auch.
    Die Hüterin der Drachen hats mit ihrem kurzen Sätzchen dagegen voll auf den Punkt gebracht.
    Ich fühl mich wie ein Geist zurzeit =,=" Ich schwebe...