Das Wort zum Sonntag - oder so... o_O"

ACG Sommerfest 2024
Sei dabei beim ACG Sommerfest 2024! diesmal ganz wirklich - okay?!
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  • Tja, spät aber doch hab ich auch diesen Sonntag was für euch, auch wenn das Geschichtchen (Was n Wort o_O") das als zweites kommt leider mal wieder auf englisch ist...


    Aber den Anfang macht dieser Herr hier, den ich euch auch gerne mal zeigen wollte...

    Hagen Rether: Europa muss dichtmachen



    __________


    Und nun, wie versprochen die Story.


    The Snake and the Holy Man (aus Indien, verfasst von Andre Heuer)


    Once there was a snake with a rather bad attitude. The small village near where the snake lived was very fearful of this snake.
    You see, this snake slithered through the grass, silently seeking its victims, and without warning would strike and devour its prey. It was known to eat hens, dogs, and even big animals, like cows.
    However, what was most upsetting to the villagers was that the snake was even eating their children.
    The villagers wanted to be respectful toward all creatures, but this snake had simply gone too far. They knew that something had to be done, and they came together to get something done. The villagers gathered at the edge of the field, and with drumming and shouting, with sticks and stones, and with their minds made up they started their search to find the snake and to kill it.
    A holy man came upon this loud and angry crowd and asked, “What is this about?”
    The villagers told him of the snake’s evilness and how the snake was even eating their children.
    The holy man asked, “If I make this snake stop, and it no longer eats your children, and
    hunts your farm animals, will you spare the snake’s life?”
    The villagers argued among themselves. Some wanted vengeance and others were willing to let the holy man try. Most of the villagers did not believe that the holy man would succeed and keep the snake from biting. However, reluctantly, they all
    agreed to give the snake one chance.
    The holy man entered the field and commanded the snake to
    come to him. And the power of the holy man caused the snake to crawl to the path and to the feet of the holy man.
    “What issss it?” the snake hissed.
    The holy man’s words were simple: “Enough! There is no need for this. There is plenty of food without eating the village children or their animals.”
    Now it was not so much what the holy man said, but how he said it. There was a kindness and an authority in the holy man’s voice. The snake knew the holy man’s words to be true.
    The snake did not hiss a word but nodded in agreement and slithered away.
    It was not long before the villagers discovered that the snake would not harm them. They were grateful that the snake no longer would bite. However, some of the villagers in their
    anger and hurt from what the snake had done and some in their meanness began to beat the snake with sticks and stones. Day after day the snake received more and more abuse until it could take no more and it hid underneath a large rock.
    The snake hid underneath that rock, determined not to break its word to the holy man. However, it was very confused and said to itself, “Why is this happening to me? I listened and followed the holy man’s words.” The snake was so fearful of leaving its hiding place that it was soon dying from the villagers` beatings and the lack of food.
    One day, the weakened snake heard the footsteps of the holy man, and with every bit of strength it crawled out to meet him on the path. The holy man, seeing how terribly beaten and sickly the snake looked, asked, “What has happened to you?”
    The snake with great effort told the story of the beatings and torment that it received from the villagers, and how for days it had hidden underneath a rock to protect itself.The holy man stood silently shaking his head. His voice was low as he said, “Oh, foolish snake, I told you not to bitebut I did not say anything about hissing.”
    And with this the snake understood and slithered away hissing.

    I see the lights of the village

    gleam through the rain and the mist

    and a feeling of sadness comes o´er me

    that my soul cannot resist

  • So, nachdem ich euch säumigerweise letzten Sonntag mit ner neuen Wunderlichkeit verschont hab, kommt ihr mir heut nicht mehr so ungeschoren davon. >:->


    Und zwecks dessen wird mal n schweres Fass aufgemacht deren Inhalt - mindestens zu nem gewissen Anteil - sicherlich auch der Büchse der Pandora entstammt, es geht heute nämlich in Richtung "Beziehungen und deren Schwierigkeiten." Wohl bekomm´s! Muahahahar...

    Weisses Pferd?


    Micha und Manu fühlen sich zu einander hingezogen. Sie verabreden sich für‘s Kino; verbringen immer öfter einen netten Abend. Gehen gemeinsam essen. Sie treffen sich re­gelmäßig.
    Eines Abends, sie fahren nach Hause, sagt Manu: „Weißt du eigentlich, dass wir uns heu­te schon seit sechs Monaten treffen?“ Stille im Auto. Für Manu ist dies eine sehr laute Stille.
    Sie denkt sich: „Mist, dass ich das gesagt habe. Das scheint ihm ja egal zu sein. Viel­leicht fühlt er sich durch unsere Beziehung eingeengt. Vielleicht fühlt er sich durch mich in irgendeine Art von Verpflichtung, die er gar nicht will, hineingedrängt.“
    Micha denkt: „Oh Mann, sechs Monate … Moment … das war doch im Februar, kurz nachdem ich das Auto in der Werkstatt hatte, das heißt also …, mal sehen, was der Kilome­terzähler sagt ... Wow! Ich hätte längst einen Ölwechsel machen sollen.“
    Manu denkt: „Er ist traurig. Ich kann es ihm ansehen. Vielleicht spürt er ja, dass ich unsi­cher bin und kleine Vorbehalte habe.“
    Micha denkt: „Und ich muss auch noch mal nach dem Getriebe schauen lassen. Es ist mir egal, was diese Idioten sagen. Dieses Ding schaltet wie ein Müllauto, und dafür habe ich auch noch 600 € gezahlt!“
    Manu denkt: „Er ist wütend. Und das kann ich ihm noch nicht einmal verübeln. Es tut mir so leid, aber ich kann es ja auch nicht ändern. Ich bin mir einfach nicht sicher.
    Micha denkt: „Die werden wahrscheinlich sagen, darauf gibt’s nur 90 Tage Garantie. Ge­nau das werden sie sagen, die Schweine.“
    Manu denkt: „Vielleicht bin ich nur zu idea­listisch und warte auf den Ritter, der auf einem weißen Pferd dahergeritten kommt, dabei habe ich in Micha einen so tollen Menschen gefunden.“
    „Micha“, sagt Manu laut. „Was?“, fragt Micha erstaunt. „Bitte quäl‘ dich nicht so“, sagt sie, „vielleicht ...“
    Sie bricht in Tränen aus. „Was?“, fragt Micha. „Ich bin so bescheuert!“, heult Manu, „Ich weiß es doch. Es ist wirklich albern.
    Es gibt keinen Ritter. Und es gibt kein weißes Pferd.“
    „Es gibt kein Pferd?“, fragt Micha erstaunt.
    „Du hältst mich für bescheuert, oder?“, fragt Manu.
    „Nein!“, sagt Micha und ist froh, endlich eine passende Antwort gefunden zu haben.
    „Ich brauche … ich brauche … einfach noch etwas Zeit.“, meint Manu.
    Die folgende Pause dauert und dauert. Micha sagt schließlich: „Ja.“ Mehr fällt ihm als Antwort nicht ein. Erneutes Schweigen.
    „Oh Micha, meinst du das wirklich so?“, fragt sie.
    „Was, wie so?“, fragt Micha zurück. „Das mit der Zeit.“, antwortet sie.
    Und er:„Ja, schon.“
    Manu dreht sich zu ihm und schaut ihm tief in die Augen. Er wird ganz nervös und wartet, was sie wohl als nächstes sagen wird, beson­ders, wenn es um irgendein Pferd geht. End­lich sagt sie was: „Danke, Micha!"
    „Danke!?!“, entgegnet Micha völlig verwirrt.
    Er bringt sie nach Hause. Sie legt sich hin- und hergerissen aufs Bett und weint bis zum Morgengrauen.
    Micha kommt auch nach Hause. Er öffnet eine Packung Chips, schaltet den Fernseher ein und vertieft sich sofort in die Wiederho­lung eines Tennis-Matches zwischen zwei Tschechen, deren Namen er zuvor noch nicht einmal gehört hatte. Er hat das Gefühl, dass sich vorhin im Auto etwas ganz Großes abge­spielt hat. Er glaubt, obwohl er nichts verstan­den hat, er war richtig gut.
    Am nächsten Tag wird Manu einige ihrer besten Freundinnen anrufen und sie werden lange über diesen Vorfall reden. Stundenlang werden sie alles, was sie und er gesagt haben, bis ins kleinste Detail analysieren. Jedes Wort, jede Geste, jede Mimik werden sie deuten und alle Möglichkeiten durchspielen. Sie wer­den nie zu einer klaren Erkenntnis kommen. Doch das ist egal.
    Micha, der am nächsten Tag mit einem ge­meinsamen Bekannten von ihm und Manu, an dessen Auto rummacht, wird plötzlich in­nehalten und ihn fragen: „Sag mal, hatte Manu irgendwann ein weißes Pferd besessen..?“




    ___________________


    Nun, noch eine weitere kurze Geschichte, welche in eine ähnliche Richtung geht, aber doch eher eine Spur ernster ist...


    Schweigen (geschrieben von Agape)


    „Jetzt sag´ doch auch mal was!“ forderte sie ihn auf. Die ganze Zeit
    schon lief sie im Zimmer auf und ab, mit wütenden Schritten, den Blick
    immer erwartungsvoll auf ihn gerichtet. Doch es passierte nichts.


    Er saß am Tisch und malte kleine Kästchen auf ein Blatt Papier. Er
    schien sie gar nicht zu bemerken. Nur seine leicht schräge Haltung auf
    dem Stuhl - so als wolle er jeden Moment aufstehen - verriet, dass er es
    tat. Er brauchte sie auch nicht anzuschauen, um zu wissen, dass sie
    sauer war. Ihre bösen Blicke spürte er im Rücken, wenn sie an ihm
    vorbeigelaufen war, hinüber zum Fenster. Dort verweilte sie dann einige
    Sekunden, sah hinaus. Traurig, das wusste er.


    Der Zeitpunkt, an dem er hätte etwas sagen können, war verstrichen -
    ohne Worte. Er wollte ihr ja soviel sagen, aber der Kloß in seinem Hals
    wuchs von Minute zu Minute. Langsam verging die Zeit, sie lähmte ihn
    förmlich, zwang ihn, nichts zu tun. Reden war einfach unmöglich.


    Je länger sie so vor ihm hin und her lief und versuchte, ihn durch
    Aufforderungen oder Vorwürfe zum Reden zu bringen, um so mehr hatte er
    das Gefühl, es wäre besser, nichts zu sagen. Auch wenn er sie dadurch
    nur noch wütender machte. Sie würde sich nicht beruhigen, dachte er,
    egal, was er sagen würde. Also schwieg er und malte weiter Kästchen.
    Vielleicht merkte sie ja selber, wie unsinnig die Diskussion war und
    setzte sich. Dann würde er sie in den Arm nehmen, um nicht zu vergessen,
    wie sie sich anfühlte. Aber das tat sie nicht. Und er schwieg weiter.



    _____________________


    So, das wars beinahe. Aber bevor´s zu Ende geht lass ich halt noch, weils doch irgendwie dazupasst (und n bisschen auflockert xD) Annett Louisan auf euch los...


    Annett Louisan - Auf der Jagd nach Mr. Big


    Frösche werden hier schon mal gar nicht geküsst
    und die Checkerinnen an der Bar
    lassen gerade an diesem Tier namens Mann
    nicht wirklich ein gutes Haar.


    Sandy sagt zu Desiree:
    Macht nichts wenn ich von der Schule flieg,
    dann geh ich halt runter zum Club am See
    Und schnapp mir n` Mr. Big.


    Irgend so ein Schnucki mit einer Riesenjacht
    von Beruf Verwöhnter Sohn,
    von ‘nem Golfclub Daddy
    mit`m Kopp in der Hose
    Und zu doof für Depression.


    Ist ja auch nicht schade drum,
    Papi schichtet halt ein Konto um
    Und gibt auch mir n stück ab vom Glück,
    auf der Suche nach Mr. Big.




    Mr. Big, Mr. Big,
    gib auch mir ein Stück ab vom Glück.


    Mr. Big, Mr. Big,
    auf der Suche nach Mr. Big.




    Goldfasane jagt man kühl, und da
    hats halt diesen Dreh;
    Gib so nem Blödmann das Gefühl er sei
    der Jäger und du das Reh.


    Und reichts nicht für ne Ehe ohne vertrag
    vergesse ich halt das ich meinen Eisprung hab
    Na klar, auch nur n ganz doofer Trick
    Aber teuer für Mr. Big.


    Schlimmstenfalls zwinkert ihm der liebe Gott
    dann zu, und sagt schau her:
    Willkommen auf Erden mein Sohn, du siehst
    auch die anderen habens hier schwer.


    Nimms dir nicht so zu Herzen, schau,
    such dir jetzt halt ne bessere Frau;
    Und für mich nur ein Zeichen das ich richtig lieg,
    auf der Suche nach Mr. Big.



    Mr. Big, Mr. Big
    für mich nur ein Zeichen das ich richtig lieg,
    Mr. Big, Mr. Big
    auf der Suche nach Mr. Big


    Gut soll er sein, (Gut soll er sein,)
    ein Miststück und gut, (ein Miststück und gut,)
    ein Miststück zu andern (ein Miststück zu andern)
    doch bei mir auf der Hut (doch bei ihr auf der Hut)



    Weil er mich ja liebt (Weil er sie ja liebt)
    allein schon dafür (allein schon dafür)
    das ich bin wie ich bin (das sie ist wie sie ist)
    nämlich ganz so wie er (nämlich ganz so wie er)




    Und wenn ich erstmal in diesen Kreisen bin
    weiß ich genau dass ich ihn find,
    und dieser Trottel der da reinkommt
    grad riecht
    zehn Meilen gegen den wind
    nach Prump und nach zu großen Fuß.
    Lieber Gott sag mir warum bloß
    grad ich immer wieder solche Luschen krieg,
    auf der Suche nach Mr. Big.




    Mr. Big, Mr. Big


    "Na schöne Frau? So ganz allein?"


    Mr. Big, Mr. Big


    "Das hier ist mein Schloss Lichtenstein."


    Er hier ist gerade nur ein Missgeschick
    auf der Suche nach Mr. Big


    Mr. Big


    "Noch ein Sekt? Ich lad dich ein!"


    Mr. Big


    "Nach Lichtenstein"


    Muss ich denn gerade wieder solche Nieten ziehen,
    darf ich vorstellen, Mr. Bean...

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    that my soul cannot resist

  • erstmal schön dass du wieder hier etwas dazugeschrieben hast haggard ;)
    nachdem ich schon etwas läänger (wenn ich mich recht erinner) nichts mehr hier kommentiert habe weil ich nicht dazu kam aber trotzdem deine geschichten gelesen habe muss ich sagen:
    gerade die erste situation macht mich betroffen. weil jeder so eine situaion kennt wo der gesprächsparrtner etwas sagt und die andere person es falsch versteht. die zweite situation kommt leider auch oft vor dass man aus angst etwas falsch zu machen nichts sagt. und dementsprechend nichts klären kann, ich denke das kent auch ziemlich jeder.

    Nur ein Schritt zum kurzen Glück
    Und wir spielen verrückt

  • Und ich hatte schon fast befürchtet, du würdest uns diese Woche ganz ohne Wort zum Sonntag stehen lassen!
    Aber da sind wir ja mal wieder voll auf unsere Kosten gekommen <3


    Beziehungstechnisch, tjaah... Da sagt man was und glaubt es sei eindeutig und weiß die Gesten und Mimiken des Partners zu deuten und zu kennen und dann sowas. "Hatte sie mal ein weißes Pferd?" xD
    Auch wenn ich bei der Geschichte persönlich auf ein vernichtenderes Ende gewartet hätte, vielleicht haben die beiden ja Glück und schaffen es nochmal :3


    Und die zweite... fabelhaft.
    Ich mag die Stimmung und das Ergebnis ist leider so viel von trauriger Wahrheit wie nur möglich ist.


    Mit dieser Menge an Worten zum Sonntag kann man doch beruhigt in die kommende Woche starten - erleichtert und mit einigen Gedanken mehr zum Grübeln ^^V


    (Nur das Lied konnte ich leider nicht hören, diese Boxen...
    Deshalb danke fürs Text reinstellen ^^V)

  • Also erstmal, Dangö, dangö, freut mich wenn der Kram sich irgendwie lesen lässt und dann entschuldige ich mich gleich mal für die Unzuverlässigkeit, mit welcher in letzter Zeit neuer Wirsch eintrudelt. (Was n bisschen daran liegt dass ich es grade mit etwas unsteten Umständen zu tun hab, das bedeutet jetzt nicht Stress oder so, es ist einfach nur etwas unangenehm für mich weil alte Leute halt nunmal einfach Trott und feste Gewohnheiten vorziehen! xD)


    Allerdings ist Besserung bereits in Sicht, auch wenn ich vermutlich morgen und nächsten Sonntag nochmals nich zum posten neuen Unrates komm, aber deshalb hab ich das Wort zum Sonntag halt einfach vorgezogen ^_`"


    Diesmal gehts in den beiden Story`s um naja, Kindererziehung könnt man vielleicht sagen. Wobei das nun eigentlich kein Thema ist, das euch betrifft - und mich schon mal gar nicht - aber noja, lest einfach selbst. Gute Unterhaltung... :schock:


    Allein auf der Welt


    Eine Frau fragte ihren Mann: Was glaubst du, ob man dem Kleinen noch nicht klarmachen kann, dass er nicht allein auf der Welt ist? Oder in welchem Alter ist ein Kind reif genug, das zu begreifen? Er ist doch schon über zwei Jahre! Immer schubst er den Grossen weg, es gilt nur, was er will. Er hat so einen starken Willen.
    Ich weiss nicht, antwortete der Mann. Wie alt muss der Mensch werden, um das zu verstehen?
    Er machte ein nachdenkliches Gesicht. Nach einer Weile schaltete er den Radioapparat ein. Er wartete ein paar Takte Musik ab, seine Miene hellte sich auf, leise sagte er: Das Klavierkonzert in G-Dur von Beethoven!
    Die Frau sah ihn gross an und stand auf. Lass mich mal! sagte sie und drückte den linken Knopf. Die Skala wurde dunkel, das Andante con moto mitten durchgeschnitten, und es war wieder still.
    Ich kann das Gedudel nicht hören, erklärte sie. Ich will abends meine Ruhe haben.
    Um auf deine Frage von vorhin zurückzukommen, sagte der Mann, sie betrifft vermutlich die schwierigste Sache im Leben. Verstehen, dass man nicht allein auf der Welt ist, das heisst doch, sich in einen anderen hineinversetzen zu können, und das ist sicher die schwerste Tugend. Es ist also nicht wenig, was du von dem Kind verlangst. Wann kann es anfangen zu begreifen, dass man Rücksicht auf andere nehmen soll? Manche werden achtzig Jahre und haben es immer noch nicht begriffen. Ihr Leben lang denken sie, sie seien allein auf der Welt, und alles um sie herum sei nur Staffage.
    Wie du! sagte die Frau. Und wenn du hundert Jahre alt wirst, du wirst es nie lernen, dass ich den ganzen Tag die Ohren voll habe von Kinderlärm und abends meine Ruhe brauche. Ich kann die Musik nicht vertragen, und deinen Beethoven schon gar nicht. Aber du kennst keine Rücksicht und schaltest das Radio ein. Als ob du allein auf der Welt wärst!


    (Hellmut Holthaus)



    _______________



    Benimmlektion


    von E.B.


    Kürzlich ermahnte im Fernsehen ein Kinderpsychologe alle Eltern, ihre Sprößlinge stets mit derselben Zuvorkommenheit und Fein­füh­lig­keit zu behandeln wie ihre besten Freunde. "Ich habe meine Kinder nie anders behandelt", sagte ich mir. Trotzdem ging mir die Sache den ganzen Abend nicht mehr aus dem Kopf. Was würden unsere Freunde Hans und Elfriede wohl sagen, wenn sie eines Tages zu uns zum Essen kämen und ...


    "Na endlich, da seid ihr ja. Wird aber auch Zeit! Was habt ihr denn so lange gemacht? Herumgebummelt, wie? Mach die Tür zu, Hans. Habt ihr zu Hause Säcke vor den Türen? Na, Elfriede, wie geht's dir? Ich hab' dich ja schon so lange mal rüberbitten wollen. Hans, nimm nicht soviel von den Süßigkeiten, sonst kannst du nachher nichts mehr essen.


    Habt ihr in letzter Zeit mal wieder was von unserer Runde gehört? Wir haben eine Karte von Martins bekommen, sie sind schon wieder im Süden. Was fehlt dir denn, Hans? Kannst du nicht still sitzen? Wenn du einen gewissen Ort suchst, den Korridor hinunter, erste Tür links. Und daß mir hinterher nicht wieder ein Handtuch auf dem Fußboden rumliegt! Wie geht es überhaupt euren Kindern? Nun, wenn ihr alle einen ordentlichen Appetit mitgebracht habt, dann wollen wir jetzt erst mal essen. Ihr wascht euch die Hände, und ich trage inzwischen auf. Erzähl mir bloß nicht, deine Hände seien sauber, Elfriede. Ich hab doch gesehen, wie du mit dem Hund gespielt hast.


    Hans, du sitzt hier, und Elfriede da bei dem halben Glas Milch. Stoß es nicht wieder um, ich bitte dich. Hans, du hast ja gar keinen Blumen­kohl genommen. Magst du den nicht? Hast du ihn schon probiert? Komm, koste doch mal einen Löffel! Wenn er dir nicht schmeckt, brauchst du ihn nicht aufzuessen, aber wenn du ihn nicht wenigstens probierst, kriegst du keinen Nachtisch. Worüber haben wir gerade gesprochen? Ach richtig, die Grubers. Sie haben ihr Haus verkauft und viel zuwenig dafür bekommen, aber ... Elfriede, sprich nicht mit vollem Mund! Und nimm gefälligst die Serviette ..."


    In diesem Augenblick kam mein Sohn ins Zimmer und machte dem imaginären Tischgespräch ein Ende.


    "Schön, daß du wieder da bist", sagte ich freundlich.


    "Was hab' ich denn jetzt wieder angestellt?" stöhnte er.

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    that my soul cannot resist

  • So, es ist allerhöchste Zeit nach reichlicher Versäumnis dem Tread hier auch mal wieder etwas Zuwendung zukommen zu lassen.
    Tja, und zu dem Zweck gibts heut drei Geschichtchen, von denen zumindest eine wohl eher bereits bekannt ist, aber naja, ich dachte halt, sie mal zu posten schadet ja auch nüschts.


    Ansonsten, worum`s heut geht... naja, einfach nur um Kleinigkeiten, irgendwie o_O"


    Etwas ändern


    Ein furchtbarer Sturm kam auf. Der Orkan tobte. Das Meer wurde aufgewühlt und meterhohe Wellen brachen sich ohrenbetäubend laut am Strand.
    Nachdem das Unwetter langsam nachließ, klarte der Himmel wieder auf. Am Strand lagen aber unzählige von Seesternen, die von der Strömung an den Strand geworfen waren.


    Ein kleiner Junge lief am Strand entlang, nahm behutsam Seestern für Seestern in die Hand und warf sie zurück ins Meer.
    Da kam ein Mann vorbei. Er ging zu dem Jungen und sagte: "Du dummer Junge! Was du da machst, ist vollkommen sinnlos. Siehst du nicht, dass der ganze Strand voll von Seesternen ist? Die kannst du nie alle zurück ins Meer werfen! Was du da tust, ändert nicht das Geringste!"


    Der Junge schaute den Mann einen Moment lang an.
    Dann ging er zu dem nächsten Seestern, hob ihn behutsam vom Boden auf und warf ihn ins Meer. Zu dem Mann sagte er: "Für ihn wird es etwas ändern!"


    (Fritz Loindl)


    ____________________


    Was nicht in der Zeitung steht


    Die wichtigsten Begebenheiten bleiben meist unveröffentlicht.


    Wenn ich in die Nachrichtenredaktion komme und einen Kollegen frage, was denn heute so passiert sei, bekomme ich oft zu hören: "Nichts Berichtenswertes. Ein Tag ohne besondere Vorkommnisse."
    Keine Skandale, keine Katastrophen, keine skrupellosen Verbrechen. Ein Tag ohne besondere Vorkommnisse? Als ob es das überhaupt geben könnte!


    Überall auf der Welt werden heute Chirurgen vor der geöffneten Brust eines Patienten stehen. Sie werden ein Herz, das 60 Jahre lang geschlagen hat, anhalten, drei Venenstückchen daran anschließen und es wieder zum Schlagen bringen. Als diese Chirurgen noch Kinder waren, gehörte eine solche Leistung in den Bereich der Sciencefiction – doch keine Schlagzeile würdigt sie.


    Heute wird sich irgend jemand verlieben. Und nichts, was sonst passiert – Friedensverträge im Nahen Osten, der letzte Auftritt irgendwelcher Politiker –, wird sein Gefühl beeinträchtigen, auf Wolken zu schweben, mit dem Universum eins zu sein.
    Aber es wird darüber keine Pressemitteilung erfolgen, die die Medien darauf aufmerksam macht.


    In einem Klassenzimmer wird ein Sechsjähriger verstehen, dass eins plus zwei drei ergibt. Eine ganze Lawine weiterer Entdeckungen wird sich daran anschließen. Und vielleicht wird genau dieses Kind eines Tages den Schlüssel zu einem Geheimnis finden, zu dem die Mensch­heit heute noch keinen Zugang hat.
    Doch wird das Kind oder sein Lehrer in den Nachrichten erwähnt werden? Wohl kaum.


    Heute wird ein guter Arbeiter erfahren, dass die Stelle, die sein ganzes Leben ausgefüllt hat, gestrichen worden ist. Morgen wird er diese Welt in einem völlig anderen Licht sehen, und er wird versuchen, dem Ganzen einen Sinn abzugewinnen.
    Aber das wird nicht in der Zeitung stehen.


    Eine Ehe wird heute enden. Ein Mann und eine Frau werden einander über den Frühstückstisch ansehen und wissen, dass die Wunden so tief sind, dass ihre Beziehung nicht wiederbelebt werden kann.
    Der Schmerz im Gesicht des Kindes, dem man sagt: "Dein Vater wird ab jetzt nicht mehr hier wohnen", wird in den Nachrichten keine Erwähnung finden.


    Eine Richterin wird einem jungen Straffälligen in die Augen sehen und sagen: "Ich werde Ihnen noch eine Chance geben." Die Worte wer­den den Angeklagten zum Umdenken bringen, und allen Widrig­kei­ten zum Trotz wird er sein Leben wieder in den Griff bekommen.
    Lesen werden Sie darüber nichts.


    Genau in diesem Augenblick tut ein Kind im hellen Licht des Kreiß­saals seinen ersten Atemzug.
    Dem Wunder des Lebens wird man in der Zeitung nur drei magere Zeilen zugestehen.


    Und es wird auch jemand sterben. Eine Pflegerin des Heims wird ihn fin­den, wenn sie ihre Runde macht. Sie wird den Arzt und die Angehörigen des Mannes anrufen. Eine Krankenschwester wird die nötigen Formalitäten erledigen.
    Der Tod dieses Mannes wird in der Zeitung stehen. Die Anzeige wird weniger über ihn aussagen als über die Hinterbliebenen.


    Am heutigen Tag wird das Leben vieler Menschen für immer verän­dert werden. Für niemanden wird es von großer Bedeutung sein, außer für einen kleinen Kreis von Familienangehörigen und Freunden.
    Es werden Leute heiraten, von zu Hause weglaufen, ins Gefängnis gesteckt werden. Jemand wird seine erste Erfahrung mit Shakes­peare machen, mit Sex oder Schnecken in Kräuterbutter.
    Der Tag wird ereignisreich sein: voller Leidenschaften und Leistun­gen, voller schmerzlichem Versagen und Tragik. Und das werden wir wieder einen Tag ohne besondere Vorkommnisse nennen.


    (Bob Morris)



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    Späte Liebe


    Das ist ein Tag wie blaue Seide, gesäumt mit goldenen Borten!
    Als unerwartetes Geschenk ist er vom Himmel gefallen; Nie war die Luft so frisch, das Wasser so klar, das Schäumen des Baches so strahlend, die Wäsche auf der Leine so weiss wie jetzt. Das ist ein Nachsommertag, um allen Leuten zu sagen, sie möchten Frieden machen, miteinander und mit sich selbst. Komm, leg den Bleistift weg, das Stück Eisen oder was du sonst in der Hand hast, kümmere dich nicht darum. Das alles ist nicht wichtig. Wichtig ist, ob du das Glück hast, im kurzgeschorenen Gras eine weisse Herbstzeitlose zu finden unter den vielen violetten. Wichtig ist auch, dass dir nichts entgeht vom Beben der Schmetterlingsflügel und von den zierlichen Bewegungen der samtenen Hummel auf dem Klee. Vielleicht kannst du noch eine späte Brombeere pflücken. Und drüben an der Hecke gibt es Hopfen, nimm eine der Ähren in die Hand un freu dich an ihrem starken Aroma. Weisst du etwa wichtigere Beschäftigungen?
    Oder, noch besser, schliesse die Augen und wende dein blasses Gesicht der Sonne zu. Nein, sieh nicht auf die Uhr, wünsch dir nichts weiter, verhalte dich ganz still. Achte auf das Licht, das grün, golden und rot deine Augenlider durchzittert. Lass dich unterhalten vom Zirpen der Grillen! Hoch über dir zieht ein schimmerndes Flugzeug dahin, du hörst es am an- und abschwellenden Brummen, das der Wind dir zuträgt. Irgendwo in der Nähe fällt mit dumpfen Plumps ein Apfel ins Gras. Kennst du einen freundlicheren Laut? Allein um seinetwillen solltest du mir folgen und mich nicht vergebens reden lassen.
    Komm, es ist Zeit! Vom Westen her schiebt sich langsam eine Wolkendecke heran, binnen einer Stunde wird die Sonne einpacken, und dann hast du den Tag verloren, das Geschenk ausgeschlagen, das so kostbar ist, weil das Jahr nicht mehr aus den vollen schöpft, sondern aus der kleinen Schatzkammer, in der die grossen Seltenheiten liegen. Auch wird es früh dunkel, die Tage sind schon kurz.
    Ja, sie nur nach der Uhr! Weisst du, warum diese Tage, in denen die feinen Fäden vom Mantel unserer lieben Frau in den Zweigen glänzen, bei uns Altweibersommer heissen und die Schweizer sie charmanter das Witwensömmerli nennen? Weil das Volk sie in einem poetischen Bilde mit der späten Liebe alternder Frauen verglichen hat, die nicht mehr viel Zeit zum Leben haben.


    (Hellmut Holthaus)

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  • Nun ist der letzte Post hier auch schon wieder über n Monat her, aber anstatt euch Entschuldigungen und Ausflüchte ums Maul zu schmieren ignorier ich diese Tatsache mal stur und post einfach mal wieder was. Wobei es heut nich so superulkig hergeht, aber ich dachte so, naja bald ist November und Halloween und Allerheiligen und so weiter gehts heut halt mal um Tod und Sterben und so weiter. Gehört halt nunma auch zum Leben dazu.


    Nun denn, wohl bekomm`s.


    Am Gehsteig


    Jetzt, wo ich daliege, sehe ich, meine Handgelenke sind schief. Die Haut drüber schaut aus wie tintenfleckiges Löschpapier. Der Einkaufstrolley war schon die letzten Tage so schwer. Als wär das Metallgestell verzogen oder die Räder kaputt. Die Räder waren es wohl nicht.
    Der junge Mann, neben den ich gefallen bin, redet so lieb und streichelt meine Hand. Mein Schutzengel? Rüberbegleiten wird er mich wohl nicht.
    Mir tut gar nichts weh. Aber ich komme nicht mehr hoch. Wo sie mich wohl hin bringen? Das Spital kenn ich sicher schon. Das Sterben auch. Dreimal war´s vorbei mit meinen Bettnachbarn, wahrscheinlich legen sie jemanden wie mich gern da dazu, zum Lernen. Nein, ich weiß schon. Jemand junger wär unpassend.
    Die Stimmen werden grad so leise. Pferde trappen. Pferde? Bist du das, Papa? Mit deinen Scheckigen? Das wär schön. Kannst mir dann erzählen, wie das bei dir war, das Sterben irgendwo im Graben, wahrscheinlich zerfetzt, hoffentlich warst du gleich tot. Ich hab dich so vermißt. Es ist nie vorbei gegangen.
    Irgendwann geht jeder Schmerz vorbei, hat die Oma immer gesagt, ich hab das gehaßt, bei jeder blöden Gelegenheit dieser Spruch, wenn es noch richtig weh getan hat. Aber jetzt weiß ich, sie hat recht. Wenn man stirbt, stimmt es. Kann ich ihr dann ja mal zugeben, sie wird lachen und sagen, na, jetzt ist es zwar nicht mehr wichtig, aber schön.


    Sieht man eigentlich die Leute, die man gar nicht gemocht hat auch wieder? So genau hab ich mir das nie überlegt.


    Wo ist denn jetzt alles hin? Angst, Zorn, Glück, ich spür gar nichts mehr. Marillen hab ich eingekauft, die haben so schön saftig ausgeschaut, vielleicht nimmt der junge Mann sich eine. Ob er eine Freundin hat? Laß gut sein, Olga. Nicht immer dumm an die Liebe denken. Jetzt bist du achtzig, stirbst und gibst noch immer keine Ruh.
    Den einen, den einzigen einen, den ich wollte, den kriege ich da oben auch nicht mehr. Den einen, der mich mein Herz nannte. Und den anderen – ich werd ihm nicht sagen, dass er es nicht war, nein, das werde ich nicht. Wozu. Es war schon recht.


    Oben? Komm ich wirklich nach oben? Was ist, wenn’s abwärts geht? Aber geh, Olga, so sündig war es auch wieder nicht.
    Wenn du denkst es geht nicht mehr kommt von irgendwo ein Lichtlein her – war das auch die Oma, die das immer gesagt hat? Oder die Mutter? Kann das sein, dass ich das nicht mehr weiß?
    Irgendwas leuchtet.
    Also Gott, geht´s nach oben? Willst mich haben? Ich glaub aber nicht an den Jüngsten Tag, das sag ich gleich.


    Heute ist es recht. Jetzt hab ich vergessen, den Leuten zu sagen, sie sollen beim Begräbnis „Dein ist mein ganzes Herz“ spielen, blöd. Irgendwas vergißt man immer.


    (Von Multimind)


    _____________


    Und nen Song möcht ich euch auch mal zeigen, der Musikgeschmack ist wohl eher Special Interest und der bayerische Dialekt ist auch nicht jedermanns Sache, aber noja, auch wenn man es nicht auf den ersten Blick vermuten würde, es steckt doch viel Weisheit im Lied - und auch im Sänger xD"

    Fredl Fesl - Schwedenlied

    I see the lights of the village

    gleam through the rain and the mist

    and a feeling of sadness comes o´er me

    that my soul cannot resist

  • Okay, es mangelt mir nach wie vor noch immer etwas an brauchbaren Texten um nen regelmässigen Wort-zum-Sonntag- Betrieb wieder aufzunehmen, aber wenn ihr 8 Minuten Zeit habt und Interesse möcht ich euch mal diesen Kurzfilm zeigen.


    Balance


    Wobei das Ding im Mittelteil in meinen Augen mal ne etwas langatmige Phase hat, aber versucht durchzuhalten, das Ende fand ich nämlich wieder recht gelungen! o_O

    I see the lights of the village

    gleam through the rain and the mist

    and a feeling of sadness comes o´er me

    that my soul cannot resist

  • das ist echt cool *-*
    das Ende ist wirklich genial! Jetzt kann er da alleine versauern *muhahahaha*

  • Es gibt das Wort zum Sonntag vom Haggard und ich sehe dieses Thread erst jetzt O_o
    Du solltest mehr Werbung für dein Wort machen xD
    Ich les die und gucke sie auch später an, weil ich gleich essen und Anime gucken muss.
    Ritual hat immer am Sonntag Vorrang.

  • Tja, mal sehen ob ich euch nicht doch mal wieder was vorstetzen könnte; Und tatsächlich habe ich etwas provokante, aber gut geschriebene Gesellschaftskritik gefunden, die eine junge Frau - die sich PinkPantherin nennt - in ihrem Blog gepostet hat.


    Ein paar harte Beats


    Ich liebe Diskotheken.


    Gespräche an der Bar, Reibungen auf der Tanzfläche, Sex auf der Toilette und Erbrochenes in der Kloschüssel. Wenn ich mir vorstelle, die Zigarette eines Fremden zu rauchen, ist das für mich erotischer als jeder billige Porno. Da ist Spannung in der Luft, die Atmosphäre ist erfüllt mit Schweiß, Alkohol und Parfüm, überall toben einsame Herzen und notgeile Schwänze, die auf verlassene Muschis warten.


    Ich bin nicht vulgär. Allerdings befinden wir uns in einem Club, einer Höhle von betrunkenen Wahnsinnigen, und wenn man verstanden werden will, dann kommt man von der Blümchensprache schnell ins Wesentliche.
    Ist er geil oder nicht? Ein Weichei oder ein Aufreißer? Wer hat den weitesten Ausschnitt und die größten Brüste?
    Die Nachfrage ist groß und die Auswahl, naja, die hält sich in Grenzen, wenn man solche hohen Erwartungen hat wie ich.


    Als ich mir einen Drink bestellen will, Wodka Orange für den Start, warte ich geduldig neben einen süffisant grinsenden Marlbororaucher, der ein wenig aussieht wie ein texanischer Cowboy. Er trägt eine Lederjacke mit Reiterstiefeln. Auch ohne Hut verbreitet er eine Art amerikanischen „Freiheitscharme“.


    „Netter Club“, meint er lächelnd und bläst geduldig den Rauch in die Luft. „Der DJ ist echt gut.“
    „Man sollte seine Schallplatten verbrennen.“
    Er lacht. „Vielleicht hätte er Versicherungskaufmann lernen sollen.“
    Ich blicke hinüber zu dem kleinen haarigen Zwergen, der am Pult willkürlich einige Platten hin und her dreht. Er gleicht eher einem fünfzehnjährigen Pubertierenden als einem angesagten Musiker.


    „Ich wette mit dir, er soll uns nur dazu bringen, mehr Alkohol zu konsumieren“, sage ich.
    Der Cowboy grinst, drückt seine Kippe aus und nimmt ein Schluck Bier.
    „Wenn das so ist, macht er seine Sache wirklich gut“, gesteht er. Ich lächele. Netter Kerl. Ob er es mir wohl auf dem Mädchenklo besorgen würde? Schwierig. Er ist sicher schon über zwanzig, vielleicht auch etwas reifer als die anderen Idioten, aber er sieht aufregend aus.
    Schwarze Haare und grüne Augen. Darauf bin ich schon immer abgefahren.


    „Du hast schöne Brüste“, bemerkt er freundlich. „Sie sind rund und straff, hängen nicht und können einen nicht erdrücken.“
    Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll.
    „So etwas hat mir noch nie jemand gesagt.“
    Er sieht verwundert aus. Nimmt sich eine neue Zigarette aus der Schachtel.
    „Ich finde es Blödsinn, einer Frau nicht zu sagen, dass sie tolle Rundungen hat. Immerhin kauft ihr euch doch das weitausgeschnittenste Top, um uns zu zeigen, was für begehrenswerte Mädchen ihr seid.“
    Ich sehe ihn an, halb lachend, halb empört. „Ich bin geehrt, was für ein nettes Kompliment!“


    „Willst du eine Zigarette?“, fragt er. Mir kommt die Idee, dass man diesen Mann super in die Werbebranche einsetzen könnte. Jede Frau würde sich bei seinem Anblick sofort neue Klimmstängel kaufen.
    „Ich hab’s aufgegeben.“
    „Warum?“
    „Meine Exfreunde waren Raucher.“
    Er lacht. Seine grünen Augen funkeln mich verführerisch an.
    „Dann fängt das mit uns zweien ja gut an.“
    Was soll ich sagen, er hatte Recht. Nach zehn Wodka 0 und fünf Zigaretten fühlte ich mich wie die erotischste Frau im ganzen Universum. Meine Erwartungen sanken und das Angebot wurde besser. Selbst der DJ entwuchs der Pubertät und mutierte zu Robbie Williams, nur ohne Brusthaare. Mit dem Cowboy debattierte ich über Nietzsche und Freud, obwohl ich keine Ahnung hatte, in welchem Jahrhundert diese Gestalten überhaupt gelebt hatten. Ich widerlegte nur leidenschaftlich gerne alles, was er behauptete.


    Irgendwann im Laufe des Abends sagte er, er müsse verschwinden. Als ich fragte, in welche Toilette er wollte, lachte er nur und meinte: „Du bist eine außergewöhnliche Frau.“
    Ich blickte ihn verwundert an. „Du willst also nicht mit mir schlafen?“
    Er küsste mich zum Abschied. „Zwischen uns ist was Besonderes, das will ich nicht kaputt machen.“
    Natürlich sah ich ihn nie wieder. Das war das Schöne an Diskotheken. Man trifft Fremde, man geht als Fremde, und egal was passiert, man bleibt immer alleine.


    Ein paar Mal noch besuchte ich den Club, und, was soll ich sagen, außer Idioten waren da nur Rauch und Nebel, und hier und da ein paar harte Beats.
    __________


    Wozu noch reden?


    Kinder verhungern durch Missernten in Niger, kämpfen in Kriegen gegen Kongo, sterben am verdreckten Wasser, was sie tagtäglich trinken müssen. Wissen Sie was? Ganz ehrlich. Mir geht das gehörig auf den Sack.


    Sicher, es ist traurig, dass dort unten Mädchen vergewaltigt werden. Tragisch, solche Geschichten. Aber um mich kümmert sich auch keiner. Was mache ich, wenn ich meinen Job verliere? Sagen Sie mir nicht, das wäre egoistisch. Da sterben junge Frauen! Die haben noch ihre Zukunft vor sich!
    Ja, sicher.
    Mit was können Sie besser schlafen? Ihrer sicheren Arbeit oder dem Wissen, das irgendein Mädchen von einem afrikanischen Rüpel verschont wird?
    Ich muss gestehen, ich habe in letzter Zeit einen etwas unruhigen Schlaf.


    Aber das hat einen anderen Grund. Wissen Sie, vielleicht kommt das von der japanischen Nuklearkatastrophe. Jetzt, wo das Ding in die Luft gejagt wurde, wollen sie die Atommeiler bei uns abbauen. Eine klasse Idee. Der Traum von Wasserkraftwerken und Solaranlangen. Wer begleicht mir jetzt meine höhere Stromrechnung?
    Bezahlt deshalb Ihr Arbeitgeber mehr? Also, Sie müssen ein Glück haben, aber meiner zahlt’s nicht. Wir müssen sehen, wo wir bleiben.


    Und das mit den Hühnern, die in der Bodenhaltung gequält werden, traurig, nicht? Hat mich schockiert. Wissen Sie, was mich noch mehr erschrocken hat? Dass Freilandeier fast einen Euro mehr kosten. Also, man kann es doch auch übertreiben, oder? Und den Hühnern in der Bodenhaltung geht’s bestimmt nicht so schlecht, wie sie immer erzählen.
    Den Nachrichten kann man auch nichts mehr glauben.


    Das Geschwafel über das Aussterben von Tierarten hab ich übrigens auch satt. Ich meine, was bilden sich die penetranten Arschlöcher eigentlich ein, mir so ein Schuldgefühl aufzulasten? Was kann ich für das Aussterben der Wale? Ich bitte Sie. Wenn Sie abends ins Bett gehen, gedenken Sie dann eine Minute an die Delphine draußen im Pazifik? Also, ich jedenfalls nicht. Ich gedenke auch nicht eine Minute an die Kinder in Afrika oder an den Terror in der Welt.


    Einen unruhigen Schlaf hab ich aber trotzdem.


    Vielleicht sollte ich mich wieder verlieben. So ganz ohne Blumen und den romantischen Scheiß, wissen Sie? Viel zu teuer.
    Zieh dich aus und komm in mein Herz. Mein Herz ist ein Bordell, und wenn du genug Geld hast, kannst du solange bleiben wie du willst. Lass die Kondome weg und lass uns nicht reden. Ich will keine Kinder und heiraten will ich dich auch nicht.


    Ich habe Hunger, ja, großen Hunger, aber du machst mich nicht satt, also schenk mir deine Seele! Ich werde sie kaufen und du wirst bezahlen, und wir werden zusammen unglücklich.


    Vielleicht sollte ich es mit Schlaftabletten versuchen. Ob die was bringen?


    Zurzeit probiere ich’s mit Zigaretten. Ja, ich weiß, Sie werden jetzt denken: Solange man Geld für Kippen hat, soll man sich nicht beklagen! Und erst die Gesundheit! Ja, Sie denken an meine verschissene Gesundheit, weil Ihr Versicherungsgeld für meine kaputte Lunge drauf geht. Dass an meiner kaputten Lunge ein Haufen Arbeitsplätze hängen, daran denken Sie natürlich nicht. Und dass, obwohl das Thema Arbeitsplatz eine Alroundausrede für alle Missstände in unserer fantastischen Gesellschaft ist. Rüstung, Afghanistan, Kernenergie. Um Himmels willen, was soll mit diesen Leuten passieren, wenn sie nicht mehr beschäftigt sind? Liegen den Staat nur auf der Tasche. Oder noch schlimmer: Stellen Sie sich vor, die würden anfangen, zu denken!


    Wissen Sie, ich habe in letzter Zeit wirklich einen etwas unruhigen Schlaf.


    Weil ich weiß, dass ich nichts tun kann. Ich kann reden und reden, und nie wird sich etwas ändern, ohne das Handeln erfolgt. Aber was soll ich machen, so als einzelne Frau? Wenn ich im Supermarkt stehe, und mich ein Top für drei Euro anlächelt, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als es zu nehmen, denn Geld für das Teurere hab ich auch nicht. Tja.


    Können Sie mir vielleicht sagen, wo man günstige Schlaftabletten herbekommt?






    (Edit: Verf...te Textformatierung)

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    3 Mal editiert, zuletzt von Haggard ()

  • Also dann, es gibt mal wieder n neues Wort zum Sonntag. Fühlt euch..., noja, sagen wir einfach mal: b e g l ü c k t !
    xD


    Das Thema? Heut gehts in die Richtung Kunst und Kultur. Das klingt n bisschen ätzend jetzt, aber die beiden nachfolgenden Geschichtchen dazu fand ich doch ganz prima.




    Showgeflimmer



    Es ist so weit weg, alles.
    Das, was da vor mir auf dem Bildschirm flackert, gerade mal seit ein paar Minuten, ist so unfassbar weit weg, weit weg von dem, was mich bewegen kann. Fassungslos sitze ich da, mit jeder Sekunde wird mir klarer, dass es Dinge gibt, die ich einfach nie verstehen werde.
    Es ist wie immer, man packt ein paar Streicher irgendwo in die Musik und macht ein Crescendo und die Tränchen fließen. Ich komme mir vor wie in einem schlechten Klassik-Konzert, bei dem die Zuschauer um einen herum gerührt die Taschentücher zücken, während man selbst im Kopf nur die vollkommen geläufigen Kadenzgänge verfolgt.
    Das Publikum jubelt. Bei ein paar stinknormalen Lichteinstellungen, bei ein paar Seifenblasen oder einer miserablen Bühnenshow mit dauergrinsenden Tänzern im Hintergrund. Bei Sängern, die angeblich "Wahnsinnsstimmen" haben, jedoch außer Schreien und kopfstimmenlastigem Hauchen nichts, aber auch gar nichts beherrschen.
    Was soll es wundern in Zeiten, in denen das größte Vergnügen im Fernsehen darin besteht, den Auftretenden beim Leiden zuzusehen. Je schlimmer, desto besser. Aber gut, kein modernes Phänomen, die Hinrichtungen waren früher ja auch schon immer gut besucht.


    Aber zurück zu dieser Show, die so wenig tiefsinnig wie weitreichend ist. Was bleibt hängen. Nichts. Nichts. Gar nichts. Genauso wenig wie von den tausenden Gewinnern von irgendwelchen Castingshows, die trotz alledem die besten Quoten haben, immer wieder.
    Aber was hängen bleiben könnte, geht unter. Die wahrhaft guten Filme, wahrhaft gute Erlebnisse. Dabei gäbe es Dinge, die man nie wieder vergessen wird.


    Ich erinnere mich, an so vieles. An Dinge, bei denen man leidet, sich nicht entziehen kann, sich von Endorphinen und Gefühlen überflutet sieht. Bei denen man vor Angst zittert, vor Unwohlsein glaubt, sich übergeben zu müssen, bei denen man losheulen könnte, weil man über etwas lacht, das so tief geht und angreift, dass man es nicht mehr aushalten kann. Bei denen man sich so schmerzlich wiedererkennt. Und hinausgeht und weiß, man ist gewachsen. Hinausgeht, und einen das Glücksgefühl durchströmt, etwas erkannt zu haben. Nicht mehr derselbe zu sein, nie wieder.
    Aber das erreicht man nicht mit Show, mit Lichteffekten oder mit Kreischen.
    Das erreicht man nicht so.
    Aber mit Kunst. Mit Menschlichkeit.


    (geschrieben von: Die Traumfängerin)




    _________________




    Anti-Kultur


    Zufällig stieß ich in der Nacht zu Montag auf das Format "Kulturpalast" vom ZDF. Da ich mich etwas für Kultur interessiere und ohnehin nicht schlafen konnte, schaute ich mir die Folge an.
    Neben dem Comic-Zeichner Ralf König wurde auch das Projekt von Clemens Schick vorgestellt, der über Weihnachten ein zweites Mal nach Afghanistan gereist ist, um vor deutschen Soldaten aufzutreten.
    Nach dem Beitrag wurde ein Kommentar Robert Stadlobers gezeigt, der sagte, dass er vor keiner Truppe der Welt auftreten würde, da man es denen dann ja auch noch schön da machen würde.


    Meine Einstellung zur Kultur ist offen gesagt gespalten.
    Das, was heutzutage als Kunst bezeichnet wird, hat für mich kaum noch einen künstlerischen Wert. Die Künstler haben ungemein bedeutungsschwere Botschaften und sind so tiefgründig, dass kaum jemand noch diese Kunst versteht.
    Die kulturelle Elite, die schon, auch die Intellektuellen, die verstehen das.
    Aber die einfachen Menschen, Leute, die sich nie wirklich mit Kunst beschäftigt haben, die verstehen diese Kunst nicht. Da die zeitgenössische Kunst oftmals Mittel vergangener Epochen verwendet, diese zitiert oder konterkariert und eben daraus auch ihre Wirkmacht bezieht, ist sie nur für die verständlich, die das zitierte oder konterkarierte eben auch kennen.
    Für alle anderen ist das nur ein Anzug aus Filz an einem Garderobenständer und kein Sinnbild des modernen Künstlers, dargestellt durch die Anlehnung an Beuys, den Fett-und-Filz-Mann.


    Aber genau hier tauchen dann Künstler wie Clemens Schick auf, dessen künstlerische Botschaft womöglich auch nicht verständlicher ist, der aber auf die Menschen zugeht. Der sich auf sie einlässt und sich in ihre Lebenssituation einlässt.
    Und sich nicht nur in den sicheren Gewässern der Galerien, der Theater, der Konzertsääle und Filmfestivals versteckt, um sich mit anderen hochintellektuellen Künstlern einen auf ihre Tiefgründigkeit runterzuholen.
    Solche Künstler verdienen Achtung und Respekt, weil sie eben hinaus gehen in die Realität und vielleicht auch die Konfrontation suchen mit denen, die nicht sonderlich viel mit Kunst am Hut haben.
    Die Aussage Stadlobers ist eigentlich ein trauriges Beispiel für den Großteil heutiger Künstler.
    Sie mögen auch here Ansichten und Absichten hegen und versuchen, die Welt mit ihrer Kunst besser zu machen. Aber dadurch, dass sie nur in ihren kleinen Zirkeln verweilen, und sich nur untereinander austauschen, verlieren sie die Bodenhaftung.
    Sie sind abgehoben, lebensfremd, arrogant und selbstgerecht geworden.
    Ja, es war vielleicht nicht die beste Idee, Soldat zu werden. Nur sind diese Männer und Frauen nun einmal da. Und es ist geradezu menschenverachtend, ihnen etwas zu verweigern, dass ihre Situation etwas erträglicher machen könnte.
    Ich heiße den Krieg nicht gut, aber trotzdem ist einfach unwürdig, so mit diesen Menschen umzugehen, die ständig mit der Furcht leben, verletzt oder getötet zu werden.
    Viele der Soldaten sagten nach der Vorstellung, egal ob sie diese nun gut fanden oder nicht, dass es sehr mutig von diesem Künstler war, zu ihnen zu kommen und dass sie sich gefreut haben, mal wieder mit jemandem sprechen zu können, der kein Soldat ist.


    Und gerade deshalb verdienen Künstler, die auf die Menschen zugehen, die sich aus ihrer sicheren Welt der Kunst herauswagen, höchsten Respekt.
    Womöglich könnte die Kunst ihrem Anspruch, die Welt zu verändern, in höherem Maße gerecht werden, wenn es mehr solcher Künstler gebe. Anstatt nur im sicheren Atellier zu hocken und zu lamentieren.



    (geschrieben von: Knoxx91)

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  • Na sieh mal einer an was da aus nem Loch gekrochen kommt; Ein ekliger Haggard...


    Erstmal, ich muss mich bei euch entschuldigen, ich hätte nicht ohne ein Sterbenswörtchen zu sagen so lange verschwinden dürfen und ich schäme mich für meine Eigenbrötelei, die mich dazu zwingt mit keinem Menschen klarzukommen wenn ich nicht mit mir selbst klarkomme.
    Denn sich bei Unbehaglichkeiten in einem Versteck zu verkriechen und keinen Mucks von sich zu geben mag in der Welt von Katzen gesellschaftlich akzeptierter Standard sein, aber als Mensch stösst man damit Leute vor den Kopf. Und meistens ausgerechnet auch noch solche, denen was an einem liegt, egal ob nun im realen Leben oder sonst...
    Deshalb bitte ich euch um Entschuldigung - und ich verspreche euch, dass ich mich in aller Form verabschiede, sollte ich in Zukunft nochmals die Kurve kratzen x_X


    Und nun, auch wenn Montag ist, oder auch gerade deswegen - weil der Montag zwar für einen neuen Anfang steht aber auch für Stress und Arbeit - nach langem mal wieder eine Geschichte, von Janosch;
    Wobei sie keinesfalls als Loblied auf Lethargie und Gleichmut verstanden werden soll xD
    Ich denke eher dass sie ausdrückt, dass man nicht zu jeder Zeit gehetzt Dingen nachlaufen soll, die einem nicht wirklich viel bedeuten... Viel... ähem... Vergnügen - oder so. xD"


    Der Tod und der Gänsehirte


    Einmal kam der Tod über den Fluss, wo die Welt beginnt. Dort lebte ein armer Hirt, der eine Herde weißer Gänse hütete.
    „Du weißt, wer ich bin, Kamerad?“ fragte der Tod.
    „Ich weiß, du bist der Tod. Ich habe dich auf der anderen Seite hinter dem Fluss oft gesehen.“
    „Du weißt, dass ich hier bin, um dich zu holen und dich mitzunehmen auf die andere Seite des Flusses?“
    „Ich weiß, aber das wird noch lange sein.“
    „Oder wird nicht lange sein. Sag, fürchtest du dich nicht?“
    „Nein“, sagte der Hirt. „Ich habe immer über den Fluss geschaut, seit ich hier bin, ich weiß, wie es dort ist.“
    „Gibt es nichts, was du mitnehmen möchtest?“
    „Nichts, denn ich habe nichts.“
    „Nichts, worauf du hier noch wartest?“
    „Nichts, denn ich warte auf nichts.“
    „Dann werde ich jetzt weitergehen und dich auf dem Rückweg holen. Brauchst du noch etwas, wünschst du noch etwas?“
    „Brauche nichts, hab' alles“, sagte der Hirt. „Ich habe eine Hose und ein Hemd und ein Paar Winterschuhe und eine Mütze. Ich kann Flöte spielen, das macht lustig. Meine Gänse verstehen nicht viel von Musik.“


    Als dann der Tod nach langer Zeit wiederkam, gingen viele hinter ihm her, die er mitgebracht hatte, um sie über den Fluss zu führen. Da war ein Reicher dabei, ein Geizhals, der zeit seines Lebens wertvolles und wertloses Zeug an sich gerafft hatte: Klamotten, auch Gold und Aktien und fünf Häuser mit etlichen Etagen. Der Mann jammerte und zeterte: „Noch fünf Jahre, nur noch fünf Jahre hätte ich gebraucht, und ich hätte noch fünf Häuser mehr gehabt. So ein Unglück, so ein Unglück, verfluchtes!“ Das war schlimm für ihn.
    Ein Rennfahrer war unter ihnen, der Zeit seines Lebens trainiert hatte, um den großen Preis zu gewinnen. Fünf Minuten hätte er noch gebraucht bis zum Sieg. Da erwischte ihn der Tod. Das war schlimm für ihn.
    Ein Berühmter war dabei, dem ein Orden gefehlt hatte, nur ein einziger Orden, für den er Jahre aufgewendet hatte, da holte ihn der Bruder Tod. Das war schlimm für ihn.
    Dann war da ein junger Mensch, der hatte an seiner Braut gehangen, denn sie waren ein Liebespaar gewesen, und keiner konnte ohne den anderen leben.
    Ein schönes Fräulein war dabei mit langen Haaren. Und viele Reiche, die jetzt nichts mehr besaßen, und noch mehr Arme, die jetzt auch nicht das besaßen, was sie gerne hätten haben wollen.
    Ein alter Mann war freiwillig mitgegangen. Aber auch er war nicht froh, denn siebzig Jahre waren vergangen, ohne dass er das bekommen hatte, was er hatte haben wollen. Schlimm für sie alle.


    Als sie an den Fluss kamen, wo die Welt aufhört, saß dort der Hirt. Und als der Tod ihm die Hand auf die Schulter legte, stand er auf, ging mit über den Fluss, als wäre nichts, und die andere Seite hinter dem Fluss war ihm nicht fremd. Er hatte Zeit genug gehabt, hinüberzuschauen, er kannte sich hier aus, und die Töne waren noch da, die er immer auf der Flöte gespielt hatte: Er war sehr fröhlich. Das war schön für ihn.
    Was mit den Gänsen geschah? Ein neuer Hirte kam.

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  • Hi Sunny! Schön, so viele von euch noch hier zu treffen. ^^V (Wobei, ich glaube, dass ihr fast n wenig auf die neuen User abfärbt, denn auch sie sind prima Leute, hab ich den Eindruck. xD)


    Uund dann gehts auch wieder los hier mit ner neuen Binsenweisheit. Wobei, diesmal gehts vielleicht nicht mal so lehrreich zu, denn was ich euch zeigen möchte ist mal wieder ein Blogeintrag von Traumfängerin, einer jungen Frau, die bereits schon mal hier im Thread vertreten ist.


    Aber ich finde den Artikel prima. Auch deshalb, weil er mal eine gute Begründung dafür liefert, warum man oftmals doch recht schnell ermüdet, selbst wenn man mal genug hat von der Bild-Zeitung und Gerichtsshows und ja eigentlich gewillt wäre, sich einmal mit etwas Kultur zu beschäftigen...


    Ist zwar etwas länger diesmal, aber lest es, wenn ihr mögt.

    Die Schwere der Bedeutungsschwere


    Sie sitzt gegenüber. Sie mit den großen rehbraunen Augen, den vollen, geschminkten Lippen. Sie, die sich kleidet wie ein Künstler, den typischen dunkelhaarigen lockeren Dutt zu der schwarzen Kleidung trägt, und doch kleidet sie sich eben nur wie einer.
    Sie sitzt gegenüber und liest vor.


    Sie liest aus ihrem Text, den sie schrieb. Ein Text über eine Figur. Eine Figur, allein mit der Erinnerung an bessere Zeiten.
    Und dieser Text trieft.


    Ich sitze gegenüber. Ich mit den mischfarbigen Augen, den irgendwann am frühen Morgen vielleicht mal geschminkten Lippen. Ich, mit dem billigen Rosé in der einen und der Zigarette in der anderen Hand.
    Ich sitze gegenüber und höre zu.
    Ich sitze gegenüber und ertrinke in ihrem triefenden Text.


    Sie liest ihren Text mit tausenden von Kunstpausen. Die Sätze bestehen zum Teil nur aus ein paar Wörtern. Sie liest sie leidend. Trägt dazu diesen zutiefst betroffenen, bewegten Blick auf ihrem betroffenen, bewegten Gesicht. Jeder Satz, so scheint mir, beinhaltet das ganze Ausmaß einer kompletten menschlichen Tragödie. Und es sind viele Sätze. Zu viele Sätze, selbst für ein Tragödienleben.
    Sie liest ihren Text, den sie mit ihren ausgemergelten Händen hält, den viel zu dünnen, zerschnittenen Armen. Immer wieder der leidende Blick aus den großen Mädchenaugen. Sie ist viel älter als ich und doch ist sie es, wenn ich es mir so recht überlege, wieder nicht.


    Ich lese keinen meiner Texte, wieso auch. Ich würde ihn lesen, wie ich ihn schreibe. Nüchtern. Gerade in dem Moment, in dem es mir am meisten wehtut, werde ich am sachlichsten. Es ist ein wenig, so fällt mir auf, wie in Kästners Sachlicher Romanze, die liest er auch wie eine Abhandlung und gerade dadurch könnte man schreien vor bloßem, puren Schmerz und stummer, blinder, fassungsloser Wut.
    Es liegt in der Knappheit, in dem, was nicht gesagt wird.


    Mir fällt gerade ein Film ein. Ein Film, der von einem Mann und einer Frau handelt, die sich treffen, eine Nacht miteinander verbringen, in der sie so tun, als wäre es für immer, um nach dieser Nacht beide wieder in ihr Leben zurückzukehren. Eine schöne Idee, aber jede Gefühlsregung ist ausformuliert. Statt eines alles so viel besser sagenden stummen Blickes steht die Frau vor dem Spiegel und deklamiert theatralisch: Manchmal stelle ich mir vor, tot zu sein., so dass ich denke, dass ich mir auch manchmal vorstelle, mein Fernseher würde tot sein und ich wäre frei von der Verlockung, mir Filme von der Sensiblität eines wildgewordenen Elefantens im Porzellanladen anzusehen.
    Denn, was dieser Film und sie mit den leidenden Augen vollkommen übersehen: Sobald man beginnt, Bedeutung zu zelebrieren, fällt ebendiese Bedeutung in sich zusammen. Wenn man stattdessen eben gerade so tut, als hätte etwas keine Bedeutung, entdeckt der wahre Zuhörer zwischen den Zeilen die leise, tatsächlich so bedeutende Botschaft. Und diese Entdeckung ist nicht nur unvergesslich wunderschön für jeden, der sie macht, sondern ist auch tatsächlich die, bei der das Leid zu etwas Sinnvollem führt: Einer Gefühlsregung, einer Bewegung, einer Veränderung.


    Sie gegenüber jedenfalls schafft das nicht. Mit gerunzelter Stirn und zwei Zigaretten später, bei einem einseitigen Text eindeutig ein Zeichen für einen hohen Stresspegel meinerseits und extrem gedrosselter Lesegeschwindigkeit ihrerseits, verfolge ich die letzten Sätze ihres pseudo-literarischen, bedeutungsschweren Textes. Sie endet ihren Schlusssatz mit einem zutiefst berührten Seufzer, sanfte Tränen stehen in ihren Augen und sie sieht sich um, Lob und Zuspruch erwartend.
    Der Text stirbt ja schon fast vor Bedeutung., kommentiere ich trocken. Mir ist schlecht. Ich weiß nicht, ob von dem Text, den zu hastigen Zigaretten, dem Billig-Rosé oder der Kombination aus allem drei. Ich weiß nur, dass man noch soviel schöne Texte schreiben kann und sich noch so künstlerhaft anziehen und leidend inszenieren kann - wenn man es nicht ist, ist man es nicht.
    Ja, wenn man es nicht ist, ist man es nicht, so wird es sein., murmle ich noch vor mich hin, stehe auf und drücke geistesabwesend und vor mich hin sinnierend meine Zigarette aus, schütte den Rest des Rosés in die nächstgelegene Topfpflanze und mache mich ohne Abschied, mit der zweitbesten Gesellschaft der Welt, nämlich mir selbst, auf den Weg nach Hause.


    -----------



    Uh, und da hab ich grade zufällig noch was entdeckt... Und irgendwie passts ja auch zu Ostern. Es handelt sich um eine kleine Reihe von Kurzfilmen, fünf, um genau zu sein. Die Sprache ist niederländisch, aber die Untertitel stehen ja auch noch da. Und die Dinger sind irgendwie eine recht gelungene Mischung von Humor und Traurigkeit...


    Und den ersten Teil zeig ich euch einfach mal...


    Adriaan - Ein Sarg für Stippie


    Und falls ihr das tatsächlich auch nicht übel finden solltet, und euch auch den ganzen Rest ansehen möchtet - und das auch in halbwegser Bildqualität - programmiert euren Rekorder auf ARTE, nächsten Samstag früh, so von 9 bis 10 Uhr



    Edit: uund falls ihrs versäumt habt, aber sich wer irgendwann doch mal alle Teile ansehen möchte, kann sich derjenige ja bei mir melden. Ich hab ne Kopie ^^

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    2 Mal editiert, zuletzt von Haggard ()

  • Tja, heute hab ich vielleicht etwas schwere Kost für euch; Vielleicht habt ihr ja mal was von den Kindern von Izieu gehört. Und naja, gestern war es eben der 69. Jahrestag ihrer Deportation, weshalb ich euch eben mal einen Song vorstellen möchte, der davon handelt...

    Reinhard Mey - Die Kinder von Izieu


    Wobei ich hier unterm Spoiler für alle, die kein Geklimper ertragen halt mal den Songtext reinkopiert hab;



    Nun ist es ja nicht so, dass ich mit diesem Ding Schuldgefühle und betretene Gesichter provozieren möchte; Es ist keiner unter uns, der was dafür kann, was damals geschah.


    Nur, ich denke dass wir, die wir in anderen Zeiten leben dafür schon echt verantwortlich dafür sind wachsam zu sein. Denn auch heute sind die vielen Gesichter des Wahnsinns in den Köpfen mancher Menschen noch quicklebendig, egal ob in Syrien, Nordkorea oder gleich an der nächsten Strassenecke.
    Und wenn mans wieder zulässt, das dieser Überhand nimmt werden die Unschuldigen wieder an erster Stelle den kürzesten ziehen.


    Und nun lass ich auch wieder gut sein, ihr wisst ja, was ich sagen will. Und dafür kriegt ihr noch ein Dessert, einen teils sehr amüsanten, teils aber auch etwas ernsten Webcomic-Strip den ich sehr gelungen fand: When your house is burning down, you should brush your teeth

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  • Wohlan, es ist Sonntag - und weil ich grad ein paar Binsen da hab - somit Binsenweisheitszeit xD


    Uund weils irgendwie grad n wenig passt, wie ich glaube, hab ich heute ein Geschichtchen für euch, in dem es auch darum geht, wie man ein bedeutender Mensch wird - oder wie man sich zumindest so darstellt. Wobei, die Details der Story mögen etwas veraltet sein, aber ich glaube, der Kern triffts noch immer recht gut ^^

    Nach Ditkat verreist
    (von Hellmut Holthaus)


    Sie haben einen Brief bekommen, von einem wichtigen Mann, der irgend etwas unter sich hat. Soll ich ihnen sagen, was sich an der Stelle findet, wo sonst die Unterschrift war? Da steht in Schreibmaschinenschrift: gez. Dr. E. Gal (nach Diktat verreist), i. A. - und nun handschriftlich - Blöker. Fräulein Blöker ist die Sekretärin.
    Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass immer mehr Chefs nach Diktat verreisen?
    Nach dem Diktat werden sie von unwiderstehlichem Reisedrang ergriffen. Kaum haben sie "Mit vorzüglicher Hochachtung" gesagt, halten sie es nicht mehr aus, sie schnappen Hut und Aktentasche und sind fort. Es muss eine Form der Managerkrankheit sein - der postdiktatorische Wandertrieb. Das Leiden ist sehr ansteckend und verbreitet sich epidemisch. Ein Chef, der es noch nicht hat, braucht nur einen Brief von einem nach Diktat verreisten Chef zu bekommen, gleich spürt er auch die Symptome, er diktiert nur noch schnell einen Brief und springt auf, es zieht ihn in die Ferne.
    Vielleicht zieht es ihn auch nur ins Cafè Backhaus nebenan oder zu Weib und Kind. Aber man kann nicht gut schreiben "Nach Diktat nach Hause gegangen". Das sieht so dumm aus. Nach nichts. Es ist nicht repräsentativ. Ein Chef geht überhaupt nicht nach Hause, wenn es sich vermeiden lässt. Er lässt sich an den Schlafwagen oder zum Flughafen fahren, und während man seine Briefe öffnet, verhandelt er bereits in Sydney oder Mdokolo über einen Millionenabschluss. So ist das mit den Männern, die nach Diktat verreisen.
    Um ihre Nasen weht der Wind der weiten Welt, und ein Lüftchen davon kriegst auch du noch ab, wenn du einen Brief von ihnen liest. Sie haben so viel unter sich, auch den Globus, den sie in wechselnden Richtungen überschweben. Die bedeutensten Männer sind so viel unterwegs! Je bedeutender einer ist, umso mehr ist er unterwegs. Ist nicht hier, ist nicht da, ist wohl in Amerika.
    Ihn zu sprechen war deshalb schon länger unmöglich. Und jetzt ist es so weit mit ihm gekommen, dass er auch nicht mehr unterschreiben kann.
    Kann er aber unterschreiben, dann ist es klar, dass er kein richtig hoher Chef ist, nur so ein kleiner. Ortsfest und bedeutungslos. Nun ist es das Bestreben der kleinen, auch grosse Chefs zu werden. Deshalb nehmen sie nach der vorzüglichen Hochachtung Hut und Aktentasche. Nach Diktat verreist.
    Ich, hol´s der Teufel, unterschreibe meine Briefe selber. Aus mir wird niemals ein bedeutender Mann, wenn das nicht anders wird. Ich verreise blos ein oder zweimal im Jahr, und dann diktiere ich vorher keine Briefe. Mich kann man so gut wie immer antreffen, ich sitze an meinem Schreibtisch, höchstens bin ich im Garten. Was sollen die Leute von mir denken? Ich muss es so einrichten, dass ich meine Arbeit in Hotelzimmern erledige, im Flugzeug oder im Schreibabteil des Schnellzuges, wo ich die Zugsekräterin in Anspruch nehme. Ich muss mehr verreisen! Vor der Abreise muss ich aber meinen Briefwechsel erledigen.
    Frau Kwasniok wird wohl dazu zu bringen sein, dass sie meine Briefe unterschreibt. Frau Kwasniok wäscht bei uns das Geschirr und die Wäsche und hilft auch sonst im Haushalt. All diese Arbeiten verrichtet sie zu unserer vollen Zufriedenheit, und sie wird wohl auch tadellos unterschreiben können. Dann wird unter meinen Briefen stehen: Mit vorzüglicher Hochachtung gez. Hellmut Holthaus (nach Diktat verreist), i. A. Kwasniok. Das wird einen anderen Eindruck machen!
    Während Frau Kwasniok unterschreibt, verreise ich in den Garten, wo ich ein bisschen hacke, oder in die Kreuz-Post, um an der Theke ein Viertele zu trinken.

    I see the lights of the village

    gleam through the rain and the mist

    and a feeling of sadness comes o´er me

    that my soul cannot resist