Zwickmühle Tradition - Einmischen oder nicht?

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  • Traditionen – sie geben uns Sicherheit, gehören zu unserer Kultur und definieren uns. Im Grunde sind sie ein wichtiges Mittel unserer Gesellschaft um Werte zu vermitteln und in dunklen Zeiten
    können sie uns Hoffnung und Sicherheit geben. Doch wie in allem gibt es „gute“ und „schlechte“ Traditionen, abhängig davon ob man von ihnen betroffen ist oder nicht, wie die eigenen Wertevorstellungen
    sind und ob man sie objektiv oder subjektiv betrachtet. Ein nicht ganz unwichtiger Punkt bei der Bewertung von einer Tradition ist auch die geographische Nähe. So sind uns Europäern die
    fernöstlichen Traditionen schon seit ihrer Entdeckung oft (Achtung Wortspiel!!) „spanisch“ vorgekommen. Zwar ändert sich das durch die fortschreitende Globalisierung immer mehr, doch
    auch heutzutage gibt es immer noch Rituale und Gewohnheiten die wir nicht verstehen.
    Ein relativ nahes Beispiel für eine solche „Tradition“ ist das sogenannte Grindadrap von den Färöer Inseln:
    Große Grindwalgruppen, darunter auch kleine Babygrindwale, werden in eine flache Bucht getrieben und dort von Zivilisten (auch dort sind teilweise kleine Kinder im Alter von 9,10, 11 und höhe dabei)
    erwartet. Dann beginnt das große Abschlachten: Ziel der „Tradition“ ist es hierbei, die Wale möglichst grausam umzubringen. Zunächst werden die Wale durch hineinstoßen von Haken und ähnlichem
    in die Wirbelsäule, sowie durch Abtrennen der Flossen, bewegungsunfähig gemacht und danach bei lebendigem Leibe ertränkt, erschlagen oder ähnliches. Die Tiere sind dabei bei vollem Bewustsein
    und ich denke jeder kann sich ausmalen was das für eine Quälerei für die Tiere ist. Meist ist das Wasser nach dem Grindadrap komplett rot durch das Blut gefärbt. Die Anzahl der Grindwale die jedes
    Jahr getötet werden wird mit etwas 800 beziffert. Wer einen guten Magen hat und sich informieren will empfehle ich das Thema zu googlen oder hier einen Artikel nachzulesen.


    Ich denke, ich kann rechterweise annehmen, dass die meisten (wenn nicht sogar alle) von euch nach dieser Beschreibung der Meinung sein werden, dass diese „Tradition“ abgeschafft und
    verboten gehört. Für mich und viele andere ist das Grindadrap einfach nur ein sinnloses Massakrieren von wundervollen Lebewesen. Doch die Färöer sehen das anders: Für sie ist es eine
    jahrhunderte alte Tradition, die noch auf das Zeitalter der Wikinger zurück geht und Menschen aus anderen Ländern hätten sich da nicht einzumischen. Außerdem: „Manch einer verweist aber
    auch darauf, dass das Grindadráp eine Tradition sei und das Fleisch der Tiere, die als nicht vom Aussterben bedroht gelten, als Nahrungsmittel verwendet werde“.


    Der zweite angeführte Punkt zielt da eher auf das ab, was ich in meinem anderen Thread die Doppelmoral des Walfangsgenannt habe. Den ersten Punkt mit der Tradition hingegen kann ich
    nicht verstehen: Was hat das Abschlachten von Walen mit Kultur zu tun? Diese Grausamkeit entstammt einer dunklen Periode der Menschheitsgeschichte und kann außerdem nicht
    gerechtfertigt werden. Grausamkeit kann nicht begründet werden!


    Bleiben wir bei Walen, so finden wir noch eine, hier im Forum wohl sehr bekannte ;) , Nation die den eigenen Walfang mit Tradition begründet, nämlich JAPAN. Zwar geschieht das Töten der
    Wale hier auf „zivilisiertere“ (wenn man es so nennen kann) Form, trotzdem gehört der Walfang zur japanischen Kultur. Für viele passt das gar nicht zu dem sonst so friedlichen Land. Aber in
    einem Land wie Japan, das sehr an seiner Kultur und an Traditionen hängt, kann man sich besser ausmalen warum sie den Walfang nicht aufgeben wollen. Dennoch stellen sich die Leute auch hier
    stur wenn es um dieses Thema geht. Auch hier wird auf Massentierhaltung und die jahrhunderte lange Ausübung verwiesen. Am Ende stellt sich dann die Frage: Dürfen wir als Personen die nicht
    von dort abstammen darüber urteilen und es verbieten? Haben wir das Recht uns einzumischen? Oder müssen wir warten bis dort von selbst etwas geschieht? Und was wenn nichts geschieht?
    Also ich sehe die Sache so: Traditionen die Gewalt gegen andere (ob Tiere oder Menschen) beinhalten sind nicht in Ordnung und das ist auch nicht verhandelbar. Walfang, Massenabschlachtungen u
    nd ähnliches MÜSSEN aufhören! Anders verhält es sich bei anderen Traditionen. Wenn niemand anderes zu schaden kommt darf und soll jeder machen was er will. Aber es gibt ja auch noch
    die Grauzonen, wo es dann richtig schwierig wird. Wenn es zum Beispiel um makabre Männlichkeitsrituale in Afrika oder Stammesrituale in Australien geht. Ausserdem stellt sich die Frage,
    wie man bei rituellen oder religiösen Tieropfern oder ähnlichem umgeht. Da muss sicherlich noch eine Lösung gefunden werden.
    Nun würde ich gerne von euch hören: Was haltet ihr von solchen Traditionen? Findet ihr diese gehören verboten?
    Oder sollte man vielleicht sogar Traditionen ganz abschaffen? Kennt ihr bestimmte Traditionen die genau so brutal sind wie das Grindadrap?


    Warte nicht darauf, dass etwas Gutes zu dir kommt, sondern hole es dir selbst!

  • Also ich, als Großstadtmensch, bin ohne irgendwelche Traditionen aufgewachsen. Da ich Atheist bin, wurde ich nicht getauft und meine Jugendweihe wurde auch nicht gefeiert. Dennoch habe ich Achtung vor Traditionen und sie üben auf mich eine gewisse Faszination aus. Zu nennen wäre da die Walpurgisnacht welche ich hin und wieder gerne besuche. Ich werde die tolle Stimmung und die Kinder, die mit den Hexen um das Feuer tanzten, nicht vergessen. Es kommt aber darauf an, wie solch eine Tradition oder Fest gefeiert wird. Auch das Oktoberfest ist ja in gewisser Weise eine Tradition. Doch wenn es mit Alkoholleichen und Prügeleien endet, ist für mich der Sinn des Festes verfehlt. Auch fernöstliche Traditionen, wie das Kirschblütenfest werden hier zu meiner Freude gefeiert. Natürlich kommen diese nicht an die Authentizität des echten Hanami in Japan heran, doch sie bringen uns deren Kultur ein Stück näher.


    Schon als ich die Überschrift las, musste ich an das umstrittene Blutbad in Färöer denken. Auch ich bin dagegen, da die Menschen meiner Ansicht nach ein grausames Massaker an den Walen feiern, beziehungsweise gut heißen. Zwar gehören Grindwale nicht zu den bedrohten Arten, doch für mich gleicht dieses Spektakel einem Genozid. Es würde allerdings nichts bringen, sich mit den Einheimischen anzulegen und sie über Moral und Menschlichkeit zu belehren. So sadistisch ihre Tradition ist, auch davor habe ich Respekt. Mir bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass die Menschen selbst zur Erkenntnis kommen, dass der Grindadrap völlig absurd ist. Ob dies nun durch die dortige Jugend passiert, der Ruf des Landes schlechter wird oder es irgendwann keine Wale mehr zum Schlachten gibt. Ich denke, irgendwann wird ein Umdenken passieren. Ein ähnliches Beispiel ist die Fuchsjagd in England. Die erbitterte Treibjagd, bei der Horden von bellenden Hunden und einer bewaffneten Gefolgschaft den Füchsen den Garaus macht. Ist diese Tradition einzig dazu dar, um stolz den erlegten Kadaver zu präsentieren? Ich gebe zu, ich habe mich diesbezüglich nicht genau informiert und kann mich daher nur auf meine Erinnerung an Artikel und Beiträge aus vergangenen Jahren stützen. Ob sich dies also geändert hat, weiß ich nicht. Zu den Stammesritualen, welche aus Jungs Männern und aus Mädchen Frauen macht, kann ich auch nicht viel sagen. Sie pflegen diese Traditionen schon seit Jahrhunderten, vielleicht sogar Jahrtausenden, doch wenn so etwas mit Gewalt, Schmerz und Leid verbunden wird, dann ist das für mich auch moralisch verwerflich. Aber dort, wo das Leben noch primitiver ist, kann man nicht einfach sagen: "Ey, schon mal was von Menschenrechten gehört?" Somit kann die Verweigerung eines Rituals noch härtere Folgen mit sich ziehen, als die Zeremonie an sich. Es ist vielleicht scheiße, dort geboren zu sein, aber was will man als Europäer dagegen machen. Soll man überhaupt was dagegen machen?


    Ich finde, Traditionen verändern sich. Unsere gesellschaftlichen Werte werden höher geschraubt und demzufolge müssen sich Feste und Riten anpassen. Zwar liegen mir Traditionen fremd, doch ich bin ihnen gegenüber sehr aufgeschlossen. Ob es nun ein jahrhundertealtes Brauchtum ist, ein Fest, welches einen in frühere Epochen der Geschichte versetzt oder man aus beruflicher Sicht an eine Tradition anknüpft und auf die Walz geht.


    Sofern es nicht mit einem grausamen Massaker verbunden ist, gönne ich mir auch zu Heilig Abend eine Weihnachtsgans. Mit einer glücklicher Vergangenheit versteht sich.

  • Dürfen wir als Personen die nicht
    von dort abstammen darüber urteilen und es verbieten?

    Nein. Wer sind wir, über die Traditionen und Bräuche anderer Völker und Nationen zu urteilen?

    Haben wir das Recht uns einzumischen?

    Ebenso nein. Wer gibt uns denn das Recht, sich in solche Belange einzumischen?

    Oder müssen wir warten bis dort von selbst etwas geschieht?

    Bleibt wohl nicht aus, sofern einen die kontroversen Traditionen und/oder Bräuche interessieren?

    Und was wenn nichts geschieht?

    Dann geht das Leben seinen gewohnten Weg weiter...

    Ausserdem stellt sich die Frage,
    wie man bei rituellen oder religiösen Tieropfern oder ähnlichem umgeht. Da muss sicherlich noch eine Lösung gefunden werden.

    Wieso muss hier eine Lösung gefunden werden?

  • Nein. Wer sind wir, über die Traditionen und Bräuche anderer Völker und Nationen zu urteilen?

    Mingi. Ein äthiopischer Brauch, bei dem Kinder, die als unrein gelten, getötet oder zum Sterben ausgesetzt werden. Klingt für mich nach vorsetzlicher Tötung. Nur weil es Tradition ist, sollte es keine Rechtfertigung für Immunität sein.


    Nur um mal ein Beispiel zu nennen, bei dem das Leben "einfach so weitergeht".

    "Ach, was ich weiß, kann jeder wissen - mein Herz habe ich allein."

  • Ich stimmte Chojin zu: Warum muss eine Lösung gefunden werden? Wer hat uns dazu erhoben, dass unsere Ansichten und Gewohnheiten die einzig wahren sind und wir alleine das Recht dazu gepachtet haben, über alle anderen zu richten und festzulegen was richtig und was falsch ist?


    Für unseren Kulturkreis mag die eine oder andere Tradition komisch, seltsam oder unverständlich sein, aber so werden sicher auch andere unsere Traditionen und Bräuche wahrnehmen, welche für uns als selbstverständlich gelten. Traditionen und Bräuche haben sich je nach Stamm, Volk, Glauben oder nationale Zugehörigkeit entwickelt und haben sich aus der Situation und der örtlichen Gegebenheiten ergeben. Was hier funktioniert, muss nicht auch wo anders oder überall gehen.

    Und so ist das auch mit dem Wertebild das die Menschen haben. Wir haben ein anderes Werteverständnis als andere Völker. Aber ist das immer besser? Wer gibt uns das Recht unsere Werte anderen aufzudrängen oder aufzuzwängen?

    Das lässt mich an die Kolonialzeit erinnern, bei der die ach so fortschrittlichen europäischen Länder, die "armen" Neger zivilisieren wollen und ihre Werte und Ansichten auf das Land 1 zu 1 umsetzen wollen. Oder der versuch der ach so christlichen Versuch, andere "wilde" Völker im Latainamerika, Afrika und Asien den "wahren" Glauben zu bringen um ihre "arme" Seelen vor dem Fegefeuer zu bewahren!


    Es ist ein Zeichen von Überheblichkeit zu glauben, dass man ganz alleine das Recht gepachtet hätte, seine Werte und Ansichten über die anderer zu stellen und zu meinen, das alle anderen es falsch machen und nur wir alles richtig machen!


    Sorry, aber es gibt sicher Bräuche und Traditionen, welche nicht mit meinem Glauben, meinen Werten oder Ansichten konform gehen oder ich ablehne, aber bin ich, mein Land, mein Volk frei von Fehler? Sicher nicht. Daher würde ich vorschlagen, kehrt erstmal vor der eigenen Haustüre, bevor ihr andere auf ihre "Mängel" hinweist! Wir haben selbst genug zu tun um bei uns aufzuräumen und einiges zu verbessern, bevor wir über andere richten!

  • Mit harmlosen Traditionen hab ich kein Problem, das kann man verfolgen wie man möchte.

    Nein. Wer sind wir, über die Traditionen und Bräuche anderer Völker und Nationen zu urteilen?

    Mingi. Ein äthiopischer Brauch, bei dem Kinder, die als unrein gelten, getötet oder zum Sterben ausgesetzt werden. Klingt für mich nach vorsetzlicher Tötung. Nur weil es Tradition ist, sollte es keine Rechtfertigung für Immunität sein.


    Nur um mal ein Beispiel zu nennen, bei dem das Leben "einfach so weitergeht".

    Zitat


    Dürfen wir als Personen die nicht von dort abstammen darüber urteilen und es verbieten? Haben wir das Recht uns einzumischen? Oder müssen wir warten bis dort von selbst etwas geschieht? Und was wenn nichts geschieht?

    Was Traditionen angeht, bei denen Tiere oder Menschen geopfert werden, ist es mir eigentlich egal, ob ich mich einmischen darf oder nicht. Was spielt das für eine Rolle? Dass ich nicht aus dem Land abstamme und es deswegen nicht nachvollziehen kann? Wenn Tiere oder Menschen sinnlos abgeschlachtet oder "geopfert" werden, werde ich immer dagegen sein und auch meine Meinung dazu äußern. Diejenigen, die dran glauben müssen, fragen wohl kaum danach, getötet zu werden. Selbst wenn man von dort abstammt, heißt das noch lange nicht, dass man es für gut hält. Da kann man von mir halten, was man will, aber lieber verhindere ich so etwas und werde dann abgelehnt, als dass ich es ganz unterlasse.


    Generell halte ich Traditionen für nutzlos. Wenn sie also für jeden harmlos sind, was solls. Aber bei diesen brutalen Vorgehen ist das einfach nur ein schlechter Vorwand.