So, ich habe mal wieder eine kleine triviale Geschichte begonnen zu schreiben. Ich hoffe, dass Euch der Anfang gefällt, den ich hiermit vorstellen möchte:
Ich erwachte aus einem langen Traum. Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen hatte. Meine Augen fühlten sich schwer und träge an, fast wie Blei. Die Bettdecke roch steril und ebenso sahen auch die Wände des Zimmers aus, in dem ich mich befand. Weiß und kalt. Ich schlug die Decke zurück, raffte mich auf, setzte mich auf die Bettkante und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Wo war ich? Es fiel mir nicht ein. Und plötzlich erschreckten mich, die sich überschlagenden Gedanken in meinem Kopf. Mir fiel das Elementarste im Leben eines jeden Menschen nicht mehr ein, nämlich mein Name.
„Nur die Ruhe bewahren“, flüsterte ich vor mich hin. Ich stand auf, ging an die Fußseite meines Bettes. Dort war am Geländer ein kleines Schildchen mit handgeschriebenen Buchstaben angebracht: „Thomas Rodenberg“
„Thomas Rodenberg... Rodenberg...“ kostete ich den Namen und versuchte einen Bezug zu meiner Person herzustellen; jedoch Fehlanzeige. Erst als die Tür sich öffnete, bemerkte ich, dass es in diesem Zimmer überhaupt eine Tür gab. Eine in Weiß gekleidete Frau tritt ein, offensichtlich eine Krankenschwester.
„Bin ich krank?“ Der Gedanke verursacht mir Unbehagen und ebenso schnell schüttelte ich ihn von mir ab. Die Schwester blickte mich erschrocken an und ließ ein Tablett zu Boden fallen, auf dem sich eine Schnabeltasse mit einer undefinierbaren Flüssigkeit befand, die sich auf dem Boden auszubreiten begann.
Das Geräusch des Aufpralls liess mich zusammen zucken. Sie nahm drei Schritte rückwärts, wandte den Kopf nach rechts und rief in einen gelblich gestrichenen Gang die Worte „Doktor! Kommen Sie schnell! Der Patient Rodenberg ist aufgewacht!“
Der Arzt war sehr freundlich zu mir. Sein Gesicht erinnerte mich an einen Koala-Bären, selbstzufrieden und ernsthaft zugleich. Während mir die aufgebrachte Schwester von vorhin den Blutdruck misst, fragte ich:
„Wo bin ich? Warum bin ich hier“
„Sie sind im Neustädter Krankenhaus“ sagte der Arzt mit freundlicher Stimme. „Sie lagen 11 Tage im Koma. Warum, kann ich Ihnen nicht beantworten. Sie wurden ohne Bewusstsein bei uns eingeliefert, nachdem Sie bei dem alten, verlassenen Haus am Osterberg gefunden wurden.“
„Osterberg?“ fragte ich verwirrt und wusste mit diesem Namen nichts anzufangen.
„Ja, eine Straße in Garbsen. Sie wohnen doch in Garbsen.“
„Ich kann mich an kaum etwas erinnern...“ gab ich zu.
„Nur die Ruhe.“ sagte der Arzt. „Es ist völlig natürlich, dass nach einem mehrtägigen Koma eine Amnesie auftritt. Ihre Erinnerung wird in den nächsten Tagen zurückkehren, wenn alles weitere gut verläuft.“
„Wie bin ich hierher gekommen?“ fragte ich, denn was der Arzt mir erzählte ergab für mich keinerlei Sinn.
„Ah, ein Freund von Ihnen hat Sie zu uns gebracht.“
„Was für ein Freund?“
„Warten Sie...“ Der Arzt öffnete einen kleinen braunen Ordner und blickte hinein. „Sein Name ist Björn Klausner. Über die näheren Umstände Ihres Zustandes konnte er uns nicht viel verraten. Er behauptete, Sie beide hätten eine Verabredung bei dem Haus gehabt und er hätte Sie vor Ort ohne Bewusstsein aufgefunden. Die Kriminalpolizei hat alles weitere mit ihm besprochen.“ - Bei dem Namen begann sich etwas in meinem Gehirn zu regen und es erschien mir plausibel, dass es sich bei ihm um einen Freund handelte.
„Wie lange werde ich hierbleiben müssen?“ fragte ich.
„Wir müssen noch Sie noch einigen Tests unterziehen, aber wenn alles gut verläuft, sollten Sie in den nächsten 10 Tagen das Krankenhaus verlassen können.“
Viele Menschen kamen mich in den folgenden Tagen zu besuchen. Zwei davon waren meine Eltern. Auch wenn mir ihre Gesichter vertraut vorkamen, konnte ich mich an keine Ereignisse aus meiner Kindheit zurück erinnern. Lediglich wurde mir bewusst, dass ich bereits 25 Jahre alt war.
Als meine Großeltern mich besuchten, fielen mir umso mehr Bruchstücke meiner Kindheit wieder ein. Und ich begann mit dem „Osterberg“ etwas zu verbinden. Meine Grundschulzeit. An ein verlassenes Haus konnte ich mich zwar nicht erinnern, aber umso besser an meine Grundschule...und Björn Klausner. Er hatte schon damals immer neben mir gesessen. Wir beide waren unzertrennlich, bis er eines Tages mit seinen Eltern nach Lindwedel zog und sich unsere Wege trennten.
Björn kam mich 3 Tage nach meinem Erwachen besuchen. Sein Gesicht schien mir am vertrautesten von allen. Kleine blaue Augen, strohblondes Haar und ein großer Mund, jederzeit zu einem Lächeln aufgelegt.
„Na, bist Du endlich wach? Das muss ja ein toller Traum gewesen sein, aus dem Du so lange nicht erwachen wolltest!“ sagte er, als er mit einem Blumenstrauß in der Hand mein Zimmer betrat.
„Schön Dich zu sehen.“ sagte ich. „Nimm doch Platz.“
„Danke.“ sagte er und tat, worum ich ihn bat.
„Wie geht es Dir.“ fragte Björn mit ungespieltem Ernst.
„Ich habe sehr viele Gedächtnislücken. Der Arzt spricht von einer Amnesie. Ich kann mich an ganz viele Dinge nicht erinnern. Es fing schon bei meinem Namen an. Als ich das erste Mal in den Spiegel sah, erkannte ich nicht mal mein Gesicht.“
„Wie Michael Knight“ sagte Björn.
„Wer?“
„Michael Knight. Weisst Du nicht mehr? Knight Rider.... So hiess doch diese eine Fernsehserie. Gegen seinen Willen wurde ihm ein neues Gesicht mit einer neuen Identität verpasst“
„Und was hat er mit seiner neuen Identität angestellt?“ fragte ich verwirrt.
„Für das Gute gekämpft“
„Vielleicht sollte ich mir das auch zur Aufgabe machen.“ scherzte ich. „Doch eine Sache musst Du mir erklären. Warum haben wir uns bei diesem verlassenen Haus verabredet?“
„Das weisst Du also auch nicht mehr...“ sagte Björn resigniert. „Erinnerst Du Dich noch an unsere alte Schule am Osterberge?“
„Ja“ antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Immer wenn der Unterricht vorbei war...“ sagte er und zögerte. „...stiegen wir durch das Loch in dem Zaun hinter der Schule.“
„Aha“ bestätigte ich. Ich wusste das nicht mehr. „Erzähl weiter.“
„Da befand sich dieses alte Haus, das wir nur „Den Bunker“ nannten. In diesem Haus wohnte keiner mehr, aber es stand offen. Voll von altem Gerümpel. Weißt Du noch, als wir uns um die alte Schweisserbrille gestritten haben, die wir dort mal in dieser pekigen Wanne gefunden haben?“ fragte er.
„Nein, sorry.“
„Ist auch nicht so wichtig. Das Haus war voll von Zimmern mit altem Kram. Als Schlüsselkinder haben wir dort manches Mal die Zeit vergessen und sogar manchmal unsere Hausaufgaben erledigt. Doch weisst Du noch, warum wir dann irgendwann aufhörten dort zu spielen?“
„Sag es mir bitte“ Ich begann ungeduldig zu werden.
„Eines Tages....hörten wir überall im Haus dieses seltsame Geräusch ohne zu wissen wo es herkam. Es klang wie das Grunzen eines kleinen Schweins. Wir bekamen solchen Schiss, dass wir wegliefen und den Bunker nie wieder betraten. Ich hätte das alles eingentlich schon vergessen, bis Du mir davon wieder erzählt hast.“
„Ich habe Dir davon erzählt?“ fragte ich skeptisch.
„Ja!“ behauptete Björn. „Als wir uns vor 3 Wochen nach all den Jahren durch Zufall in Hannover wieder sahen, gingen wir doch ´nen Kaffee trinken und bisschen über alte Zeiten plaudern. Da hattest Du mir davon erzählt. Und eine Woche später riefst Du mich per Telefon an. Du klangst ziemlich panisch...“
„Wieso denn?“
„Du sagtest, ich solle umgehend zum Bunker kommen. Du sagtest, Du hast herausgefunden, was das Geräusch ist, das uns damals so in Angst und Schrecken versetzte.“