Kapitel 35
“Akali... bist du mir gefolgt?“ Die Assassinin verdrehte die Augen: “Selbst wenn ich es gewollt hätte... Du hast deine Spur nicht grade verschleiert. Bist du verletzt?“, sie deutete auf Darquerias blutbesudelte Kleider. “Keine Sorge... das ist nicht mein Blut. Das stammt von den anderen.“ Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. “Alles in Ordnung?“, fragte Akali. Sie wirkte weder interessiert noch desinteressiert. Gradezu kühl und innerlich gefestigt. Und seit Darqueria sie das erste Mal gesehen hatte, hatte Akali keine Miene verzogen. “...es geht schon.“, Darqueria blickte zu Boden. Plötzlich zerriss ein Schrei die Stille und sowohl Akali als auch Darqueria sprangen auf und rannten los. Sie sahen einen Karren der grade von einem Räuber überfallen wurde. Akalis Wurfdolche verfehlten ihr Ziel, den Räuber, nur knapp. Darqueria zog ihr Schwert. Allein diese Geste und die Aura, die sie dabei ausstrahlte, lenkte den Räuber kurz ab. In dieser Millisekunde hefteten Akalis Kunais ihn an den nächstgelegenen Baum. Sie erkundigte sich nach dem Wohlbefinden der Familie, während Darqueria zu dem Räuber ging. “Nenn mir einen Grund dich am Leben zu lassen.“ Der Räuber sah sie ängstlich an: “Bitte... ich habe es nur... für meine Tochter getan...“ Darquerias Klinge, die sie “Ehre“ getauft hatte, schnitt sanft in seinen Hals. Nicht tief. Noch nicht. “Darqueria... Lass ihn am Leben.“, sagte Akali, als sie merkte, was sie vorhatte. “Warum?“ Akali trat an ihre Seite, “Er ist verzweifelt.“ Nur widerwillig zog Darqueria 'Ehre' zurück. “Geh. Solltest du nochmal versuchen andere auszurauben, werden wir keine Gnade walten lassen.“, Akali ließ ihn frei. So schnell wie es ihm seine Beine erlaubten, rannte er davon. “Warum hast du ihn laufen lassen?“, fragte Darqueria. “Verzweiflung hat ihn zu dieser Tat getrieben. Sein Leben ist ins Ungleichgewicht geraten. Nur wenn wir ihn am Leben lassen, kann er versuchen, es wieder ins Gleichgewicht zu bringen.“ Darqueria bemühte sich finster dreinzublicken, was nicht grade leicht war, da Gwindel ihr Gesicht vor Freude mächtig vollsabberte: “...glaubst du, dass man alles wieder ins Gleichgewicht bringen kann?“ Akali dachte nach. “Ja. So wurde es mich gelehrt.“, sagte sie schließlich. Womöglich war diese Begegnung kein Zufall... “Man sagte mir, ich müsse lernen, im Gleichgewicht zu bleiben...“, erwiderte Darqueria langsam. Es widerstrebte ihr zwar, doch...: “Kannst du es mich lehren?“ Das erste Mal zeigte Akali eine Reaktion- sie wirkte überrascht. “... es gibt jemanden, der es dich besser lehren kann als ich. Ich kann dich zu ihnen führen, wenn du magst.“ Darqueria nickte dankbar. “Aber vorher...“, Akali blickte auf Darquerias blutbesudelte Gestalt, “... komm. In der Stadt da vorne gibt es ein Badehaus. Das wird dir gut tun, glaube ich.“ Darqueria betrachtete ihre Gestalt in einer Pfütze. Sie war von oben bis unten triefend rot und sah aus wie das Opfer eines grausigen Mordanschlags. “Ich... schätze, du hast Recht...“, bemerkte sie. Der einzige Teil von ihr, der relativ frei von Blut war, war ihr Gesicht, das Gwindel sauber geleckt hatte. Akali lächelte und zusammen machten sich die beiden Frauen auf den Weg in die Stadt.
In der Zwischenzeit stellte Yasuo seinen Bruder zur Rede: “Wo ist Darqueria?“ Yone antwortete zunächst nicht. Yasuo konnte sich denken, was vorgefallen war. “Sie hat sich mir wiedersetzt.“, sagte Yone endlich. Diese Macht... nichts daran war natürlich. Sie hätte diese Kräfte nie einsetzen dürfen. Dass sie es doch getan hatte, ausgerechnet hier, bedeutete nur, dass er sich in ihr getäuscht hatte. Sie war eine Dämonin, durch und durch. “Sie wollte uns alle nur beschützen.“, sagte Yasuo. “Sie hat ihre Kräfte eingesetzt und uns somit in Gefahr gebracht.“ - “Was? Wann?“ Yasuo schien das nicht recht glauben zu können. Yone atmete aus, “Sie hat jemandem das Leben entzogen um meines zu bewahren. Ich hatte es ihr verboten. Ich wäre lieber gestorben, statt durch diese ehrlose Kraft am Leben erhalten zu werden.“, Seine Stimme war voller Bitterkeit. “Denkst du wirklich, sie hat das getan, weil sie dir schaden wollte?“, Yasuo wurde laut, “Sie hat das getan, weil sie dich liebt, verdammt!“ “ -Was?“, Yone blickte ungläubig zu seinem Bruder. Das...konnte nicht sein... “... woher willst du das wissen?“ “Ich sehe doch, wie sie dich ansieht.“, Yasuo verdrehte die Augen, “Und so wie sie sich jede Nacht an dich gekuschelt hat... außerdem wird sie jedes Mal knallrot, wenn ich sie nach dir frage.“ Yone dachte darüber nach. Er hatte sich nie richtig Gedanken darüber gemacht. Sicher, sie war eine Dämonin. Und störrisch... undiszipliniert... etwas verrückt... aber auch hilfsbereit, mutig und entschlossen. Und sie sah auch nicht grade schlecht aus... Seine Gedankengänge wurden von der ehrwürdigen Zerusha unterbrochen. “Wir ziehen uns zurück. Darkeria 'at 'ier schließlich ganz gut aufgeräumt.“ Yone schwieg, doch Yasuo fragte an seiner Stelle: “Wisst ihr, wo sie hingegangen ist?“ Die alte Frau lächelte, “Sie ist auf der Suche nach Gleichgewicht. Yone -“, sie trat näher, “Als ihr Meister ist es deine Pflicht, sie auf den richtigen Pfad zu führen. Bevor... es zu spät ist.“ Zu spät? Yone richtete sich auf. “Ich werde sie suchen.“, er verneigte sich. Yasuo bedeutete ihm, dass er mitkommen würde. Im Normalfall hätte er ihn davon abgehalten... allerdings... stimmte Zerushas Aussage ihn nachdenklich. Zerusha war eine Wahrsagerin und eine mächtige Magierin, weshalb man sie auch Madam Schicksal nannte. Wenn sie sagte, dass nur er Darqueria auf den rechten Pfad führen konnte, dann bedeutete dies, dass sie eine besondere Rolle in der Zukunft spielen würde...
“Du bist also eine Halbdämonin?“, Akali wirkte ganz anders, als sie und Darqueria im heißen Wasser lagen. Vielleicht lag es auch nur an der fehlenden Kleidung. “Ja... mein Vater war der wohl mächtigste Dämon der Welt. Meine Mutter eine Gotteskriegerin...“, erklärte Darqueria nachdenklich. Im Kopf war sie wieder vollkommen wo anders. Der Schmerz in ihrem Herzen ließ nicht nach. Doch jedes mal, wenn sie traurig blickte, leckte Gwindel sie ab. Er war ihr seit ihrem Zusammentreffen nicht mehr von der Seite gewichen. “Verstehe. Darum willst du also dein inneres Gleichgewicht finden. Du musst deine dämonische und deine göttliche Seite ausbalancieren.“ Akali wirkte so entspannt... als Darqueria ihr nicht zuzuhören schien, spritzte sie sie mit Wasser voll, was Darqueria vollkommen verwirrte. Sie war so ANDERS... Doch es störte sie nicht und sie revanchierte sich dafür kichernd. Seltsam... so viel Spaß hatte sie noch nie..