Ich finde es schwierig einen natürlichen und guten Verarbeitungsprozess als egoistisch zu betiteln.
Schließlich trauert man nicht, um sich in Selbstmitleid zu suhlen oder um alles um sich her zu vergessen. Aber ich stimme zu, dass es auch dem Betrauterten nicht viel bringt, wenn Menschen um ihn weinen^^"
Ich denke bloß, dass Trauer ein Heilprozess ist. Manchmal sind Menschen uns so wichtig, dass ihr Ableben eine riesige Wunde aufreißt und eine derartige Veränderung im eigenen Leben MUSS erstmal akzeptiert werden und schließlich dann geheilt. Sie kann aber nur heilen, wenn man sich seinem Verlust stellt aka trauert und dazu gehört es, wenn es einen schmerzt, zu weinen.
Ich halte es nicht für egoistisch, sondern für ehrlich und richtig, denn man trauert nicht (zumindest nicht wenn es ein gesunder Trauerprozess ist), um sich abzuschotten, sondern um sich zu heilen, um klar zu kommen. Genau genommen tut man damit seiner Umwelt mehr Gutes, als wenn man den Schmerz, den man fühlt vor allen versteckt.
Wenn ich ehrlich bin erwarte ich ja schließlich auch, dass ein Hinterbliebener trauert. Und sollte er das nicht tun, sich zwingen zu lächeln, weil der Verstorbene (der davon ja nichts mehr mitkriegt) das so gewollt hätte oder meinetwegen auch, weil ein Verwandter o.ä. meint er hätte es gewollt und ich ihm nicht auf den Schlipps treten will oder ich die Erinnerungen nicht verderben will... was auch immer... verschließt er sich vor denjenigen, die Teil seines Lebens sind. Er schottet sich ab, schließt alle aus, jeder weiß, dass er trauern sollte, weil es einfach natürlich ist, aber alle werden weggestoßen - ob absichtlich oder nicht. Aber sobald man anfängt zu schauspielern sperrt man die Welt aus. Und ich denke damit tut man sehr viel mehr Menschen weh und es ist wesentlich egoistischer.
Und zur letzten Frage - ich habe nicht viele Menschen verloren, aber meinen Großvater vor nicht ganz einem Jahr. Und ich habe getrauert - nicht ansatzweise so viel, wie es hätte sein müssen, weil ich ein Mensch bin der ständig versucht für alle zu funktionieren und weil ich nicht wollte, dass meine Mutter, die sich selbst zusammengerissen hat, nun auch noch mich trösten müsste. Bin mehr der Do-it-yourself-Mensch xD Im Endeffekt bereue ichs, weil ich es eigentlich so empfunden habe, dass man sehr viel besser und schneller über einen Verlust hinweg kommt, wenn man gemeinsam weinen kann - und ich denke das waren tatsächlich die aufrichtigsten und unberedet verständnisvollsten Momente innerhalb unseres Familienlebens.
Und ich kann auch sagen, dass es die schönen Momente nicht im Ansatz ruiniert hat. Im Gegenteil, ich habe manche Dinge viel mehr schätzen gelernt. Und natürlich ist es traurig, dass man im Nachhinein erkennt wie wertvoll die kleinsten Gesten waren und dass sie nie zurück kommen... Aber diese Traurigkeit ist heilsam. Man mag es egoistisch nennen, wenn man mag, immerhin ist es - wie bereits gesagt - ein persönlicher Heilprozess, aber ich denke der Begriff ist fehlleitend in diesem Zusammenhang, denn Egoismus ist zu stark negativ geprägt. Und alles andere wäre meines Erachtens nach noch egoistischer.
Vielmehr ist gesunde Trauer der Weg, den man gehen muss und vor allem mit anderen gehen muss.
Also: Egoistisch nein. Persönlich und die eigene Person, die eigene Zukunft bzw das eigene Leben betreffend: ja^^ Es ist definitiv kein Prozess der Nächstenliebe aber das liegt ja auch nicht im Sinn der Sache^^
Was da raus fällt ist ungesunde Trauer, eine, die nie aufhört und irgendwann zu Selbstmitleid wird, aber so wie ich verstanden habe, ging es bei euch um den normalen Trauervorgang oder?^^