Matsuri Okita
Ein lauter Knall hallte durch die leeren Straßen der Außenbezirke Tokyos. Auf dem Boden liegt einer dieser Zombies mit einem Loch mitten in seiner Stirn. Aus dem Loch fließt eine dunkelrote Flüssigkeit zusamen mit einer Masse, dessen Farbe ebenso dreckig ist, heraus und macht sich in den feinen Rillen des Asphaltes breit. Die Mündung meiner Pistole rauchte von der Explosion, die die Kugel nach Draußen befördert hatte. Vor einigen Tagen hätte ich mich noch gefragt, wie viele ich von ihnen schon getötet habe, doch mittlerweile ist mir das egal - so wie vieles andere auch. Trotzdem erinnert mich dieser Rauch und die damit verbundene Wärme der Mündung an meinen aller ersten toten Zombie.
Bei dem Anblick der Pistole erscheinen sekundenschnell Bilder in meinem Kopf. Gefühle und Sinneseindrücke werden wieder spürbar. Somit war auch das erste, an das ich dachte, der Moment, in dem sich der Lauf meiner Pistole immer weiter in meinen Mund schob.
Er war heiß. Tiefer und tiefer drang die Pistole, geführt von meiner eigenen unaufhaltsamen Hand, ein und erreichte mein Zäpfchen. Sofort kam der Würgreitz, doch ich ignorierte ihn. Tränen begannen schon meine Wangen hinunterzurollen, als meine Hand stoppt und sich bereit machte den Abzug durchzudrücken. Millimeter für Millimeter drückte mein Zeigefinger ihn ein. Ein einfaches Röcheln reichte, um meine Hand von ihrem Vorhaben ablenken zu lassen. Ich nutzte die Gelegenheit und drückte meine Hand, und somit auch die Pistole aus meinem Mund, weg von mir. Danach waren meine Tränen nicht mehr aufzuhalten. Hatte ich ernsthaft versucht mich umzubringen? Von meiner eigenen Schwäche enttäuscht, lasse ich die Waffe fallen und vergrub mich in meinen Armen. Meine Verzweiflung kam aber auch von was anderem. Keine 2 Meter von meinen Füßen entfernt, fließt eine dunkelrote Flüssigkeit langsam auf sie hinzu. Darin lag ein regungsloser Körper, der von einer Kugel einen Teil seines Kopfes weg geschossen bekommen hatte. Dennoch hätte mich eine pure Leiche nicht zum Suizid getrieben. Dafür hatte ich in den letzten Stunden genug gesehen. Der eigentliche Grund war die Kugel, die aus meinen eigenen Händen abgefeuert wurde.
"A...Ayato..." schluchzte ich und lies die Pistole aus meiner Hand zu Boden fallen. "W...Wieso...*schluchz* Wieso musstest du den H..Helden spielen? I...ich...ich bin doch die große Schwester... Also wieso!" schrie ich, worauf es an der Tür polterte. Mit fließenden Tränen in den Augen, nahm ich die Pistole erneut in die Hand, stellte mich vor die Tür und brüllte. "DAS IST ALLES EURE SCHULD!" Ich zielte auf die Tür und schoss das gesamte restliche Magazin durch sie hindurch. "STERBT!" Gekeuche und auf den Boden fallende Körper waren auf der anderen Seite zu hören und ich konnte durch die Einschusslöcher sehen, wie sich die Zombies auf den Boden wälzten und versuchten wieder aufzustehen. Genau diese Zombies hatten mich angegriffen. Und genau diese Zombies hatten meinen kleinen Bruder dazu veranlagt den Helden zu spielen, wobei er letztendlich gebissen wurde.
Wir beide flohen in dieses Zimmer und verschlossen die Tür. Wir dachten, wir wären in Sicherheit. Irgendwo waren wir das auch, doch Ayatos Zustand begann sich zu verschlechtern. Er verlor zu viel Blut. Dazu stiegt noch seine Körpertemperatur an bis er kochte und man dachte, man berühre eine Heizung anstatt eines Menschen. Verzweifelt versuchte ich ihm zu helfen, doch vergebens. Kurz darauf verließ ihn jedes Zeichen an Leben. Ich schlug ihm verzweifelt auf seine Brust, fragte ihn, warum das ganze und befahlt ihm, dass er seine Augen wieder aufmachen sollte. Dies tat er dann auch nach zwei Stunden der Trauer und verzweifelnden Worte auch. Ich war zuerst überglücklich und viel ihm um den Hals. Als ich ihn dann verwundert ansah und ihn fragte, warum er keinen Ton von sich gibt, erkannte ich es. Es war nicht Ayato der die Augen wieder aufgeschlagen hat. Es war ein weiterer dieser Untoten, die ohne Vorwarnung in der Stadt aufgetaucht sind. Vor schreck stieß ich ihn von mir weg, griff nach der Pistole und richtete sie auf ihn. Es dauerte etwas, bis er auf den Beinen stand. Diese Zeit gab mir die Möglichkeit mich auf das Kommende bereit zu machen. Ich wusste, dass ich das Ding töten musste, doch selbst als er dann stand, konnte ich es nicht. Er kam immer näher und näher. Er machte selbst dann nicht stopp, nachdem der Lauf der Pistole ihm sein Auge eindrückte. Und dann, kurz bevor er mein Gesicht mit seinem Aufgerissenen Mund erreichen konnte, drückte ich instinktiv den Abzug. Blut flog mir entgegen und bevor ich meine Augen schloss, konnte ich noch sehen, wie Ayatos ehemaliger Kopf förmlich explodierte.
Immer noch standen die Tränen in meinen Augen und flossen nach und nach mein Gesicht runter. Verzweifelt sank ich auf die Knie und bist ich wieder aufstand, erschien der Mond am Himmel.
Das war mein erster Zombie und weitere folgten. Mit der Zeit stumpfte das alles mich ab. Mir wurde es egal wie, wann, wo und ob überhaupt ein Zombie von meiner Hand ins Jenseits geschickt wird. Manchmal frage ich mich sogar, ob es für mich überhaupt noch einen Unterschied machen würde, wenn vor meinem Lauf ein Mensch anstatt eines Zombies steht.
"Huh!" genervt atme ich auf und steige über den am Boden liegenden Zombie. Ich komme aus dem Schatten eines Hauses und sofort beginnt die Sonne mir in die Augen zu scheinen. Ich halte mir meine Hände als Blende vor die Augen. Die Sonne steht schon im Horizont und wird in der nächsten Stunde unter ihm verschwunden sein. //Ich sollte mir einen Ort zum rastern Suchen.// entschied ich, stecke die Pistole hinten in die Hose, zünde mir eine meiner restlichen drei Zigaretten an und laufe weiter die Straße entlang.
Nach einigen Minuten, komme ich an einer Tankstelle vorbei. Da ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, entscheide ich mich kurzerhand hineinzugehen und nach etwas Essbarem zu schauen. Und ich habe Glück. Anders als in den meisten Tankstellen, in denen ich schon war, ist diese noch nicht komplett geplündert. Ich packe mir zwei Becher Instant-Ramen, zwei Flaschen Wasser, ein paar Schokoriegel und die übrig gebliebenen Schachteln Zigaretten meiner Lieblingsmarke in meinen Rucksack. Dabei komme ich an einer Packung Onigiris vorbei und nehme diese aus einem Kühlregal, welches anscheinend bis vor kurzem noch im Betrieb gewesen zu sein scheint. Kurz darauf stehe ich vor einer Tür von einem der vielen Einfamilienhäuser. "Ts! Verschlossen." rege ich mich auf, nachdem ich die Klinke hinunter gedrückt und versucht habe die Tür zu öffnen. Anscheinend steht das Glück heute wirklich auf meiner Seite, denn die Gartenterrassen Tür ist aufgeschoben. Doch ich halte einen Moment inne, bevor ich das Haus betrete. Wenn die Tür so sperrangelweit offen steht, heißt das doch, dass hier schon jemand drin war oder immer noch ist. Vorsichtshalber ziehe ich meine Machete aus der Halterung auf meinen Rücken und trete mit leisen Schritten in das Wohnzimmer. Nach und nach gehe ich jedes Zimmer ab. Finden tue ich jedoch niemanden. Erst jetzt schiebe ich die Tür zum Garten zu, schließe sie ab und ziehe die Vorhänge zu. Erschöpft werfe ich den Rucksack auf einen Sessel und setze mich auf das daneben stehende Sofa. //Warum mach ich das hier alles eigentlich noch?// frage ich mich und starre an die Ecke. Dabei erinnere ich mich an den gestrigen Tag, als ich mit anschauen konnte, wie sich jemand von einem Haus stürzte und mit einem ekligen Geräusch auf den Boden klatschte. Ich schließe meine Augen und versuche dieses Bild einfach wieder zu vergessen. Und genauso wie viele Male davor, geschieht dies recht schnell. Ich stehe vom Sofa auf und mache mich mit dem Rucksack in die Küche. Ein Wasserkocher steht schon bereit mit Wasser gefüllt zu werden und so sitze ich nach 10 Minuten mit zwei warmen Bechern Instant-Nuddeln wieder auf dem Sofa. Draußen ist es mittlerweile dunkel und ich habe ein paar kleine Lampen, mit der Hoffnung, dass sie von draußen nicht gesehen werden, angeschaltet. Die Zeit verging und der letzte Onigiri verschwand in meiner Speiseröhre. Die Müdigkeit hat sich schon bemerkbar gemacht und bringt mich dazu mich auf dem Sofa hinzulegen. Mit leerem Blick starre ich an die Decke und frage mich erneut, warum das ganze hier noch. Doch meine Müdigkeit rettet mich vor diesem dunklen leeren Loch und ließ mich letztendlich einschlafen.