Eigene Erfahrung:
Zu aller erst möchte ich vorweg sagen, dass ich nicht sicher bin, ob man das schon als "Mobbing" werten würde.
Es war wohl eher der "Versuch", inwieweit ich darauf eingehe und ob es "sich lohnt" damit weiter zu machen.
Aber erstmal zum Anfang: Ich bin ein Mensch, der schon immer sehr starke Gewichtsschwankungen hatte.
Ich hab nie lange ein Gewicht gehalten und war in meinem Leben schon alles, was man
in diesem Zusammenhang quasi sein kann. Als Kind war ich immer sehr dünn, bis zu dem Punkt an dem
ich eine seltene Krankheit bekam, die mich monatelang ans Bett gefesselt hat.
In der Zeit hab ich einiges zugelegt, was mich aber nie wirklich gestört hatte. Als Kind hab ich über
sowas niemals nachgedacht. Meine Mitschüler*innen aber anscheinend schon.
Ich bekam oft fiese Sprüche in diese Richtung gesagt, aber immer nur hinter meinem Rücken.
Aber eben laut genug, dass ich wusste, dass ich gemeint war.
Allerdings war ich immer ein sehr schüchternes Kind und war es "gewohnt" keine oder sehr wenig
Freunde zu haben. Ich kam immer gut mit mir selbst aus und hab -aus verschiedenen Gründen-
nie wirklich ein Selbstwertgefühl gehabt, zumindest kein Gutes. Daher kann es sein, dass man von außen
betrachtet vielleicht dachte, dass mich diese Sprüche kalt lassen und nicht interessieren.
Natürlich hat es weh getan, aber ich war einerseits zu schüchtern um irgendwie darauf zu reagieren
und anderseits hatte ich so wenig Selbstwertgefühl, dass ich diese Sprüche als eine Art "Bestätigung"
gesehen habe. Eine Bestätigung dafür, dass ich keinen Grund habe mir selbst Liebe zu schenken
oder welche von anderen Menschen, außer meinen Eltern, zu erwarten.
Das hat sich allerdings geändert, als ich mich damals mit meiner heutigen Besten Freundin angefreundet habe.
Sie war immer jemand, den alle mochten und gerne bei sich hatten. Ich weiß nicht warum, aber wer mit ihr
befreundet war, wurde "akzeptiert". Dadurch bin ich über die Jahre immer mehr "aufgetaut" und hatte
immer weniger Probleme mich in einem Umfeld mit neuen Menschen zurecht zu finden.
Aber eben gab es damals auch eine Geschichte, bei der ich mir aus heutiger Sicht die Frage stelle:
War ich mal eine Mobberin? - Vielleicht.
Es gab bei uns in der 5. Klasse ein Mädchen, mit niemand so richtig was zu tun hatte.
Ich für meinen Teil hab nie großartig auf sie geachtet, was aber keine negativen Hintergründe oderso hatte.
Es war eher eine "positive Gleichgültigkeit". Ich hatte nichts gegen sie, aber es gab eben keine Gründe,
warum ich mit ihr hätte befreundet sein sollen.
Diese positive Gleichgültigkeit schwankte aber irgendwann um, als sie bei uns in der Klasse nie so richtig
Anschluss gefunden hatte. Sie hatte sich dann irgendwann in den Kopf gesetzt, mit zwei Mädchen aus
meinem Freundeskreis unbedingt befreundet sein zu wollen und drängte sich uns z.B. in den
Pausen oft auf. Wir fanden das schon unangenehm, aber wollten keine Arschlöcher sein also haben wir
sie nicht weggeschickt oder geärgert, aber ihr auch keine große Beachtung geschenkt.
Sie war prinzipiell "einfach da". Ich kann natürlich verstehen, warum sie damals so gehandelt hat, wie
sie es eben getan hat, aber wirklich besser gemacht hatte es die Sache damals nicht.
Sie hatte wohl mehrere Gespräche mit unserer Klassenlehrerin, wo es wohl darum ging, dass sie sich
bei uns in der Klasse alleine fühlte. Wirklich wissen tue ich das natürlich nicht, aber ich kann es mir vorstellen.
Denn ab irgendeinem Punkt haben die Lehrer immer versucht, sie zwanghaft in irgendwelche Gruppen
zu "integrieren". Und weil sie wie bereits erwähnt mit zwei Mädchen unbedingt befreundet sein wollte, wurden
unsere Gruppen immer irgendwie getrennt oder aufgeteilt, damit sie Teil davon sein konnte.
Das uns das damals extrem gestört hat, ist denke ich auch verständlich. Wir waren irgendwann
sehr genervt von ihr und haben sie noch mehr ignoriert und gemieden als vorher.
Aber seinen Höhepunkt nahm die Geschichte, als es damals um die erste Klassenfahrt und die
Zimmereinteilung ging.
Denn wir wollten in eines der 5-er Zimmer und haben auch nicht gezweifelt, dass das gehen wird.
Doch unsere Klassenlehrerin, hat das wohl anders gesehen: Denn besagtes Mädchen
wurde damals zuerst gefragt, mit wem sie in ein Zimmer wollte und nannte diese zwei Freundinnen
von mir. Ein 3-er Zimmer gab es natürlich nicht, also wurde erst weitergefragt. Es war aber anscheinend
für unsere Klassenlehrerin beschlossene Sache, dass diese drei den Anfang eines Zimmers
bilden würden. Denn als wir sagten mit wem wir uns ein Zimmer teilen wollten, fiel der Satz:
"Es gibt aber nur ein 6-er Zimmer", das bereits belegt war. So mussten wir uns entscheiden, wer
aus diesem Zimmer raus musste. Und das hat bei uns quasi "das Fass zum überlaufen gebracht".
Aus der anfänglichen positiven Gleichgültigkeit wurde langsam immer mehr "Hass".
Das Zimmer mit ihr zu teilen war auch nicht so das Beste. Wir hatten wrklich erst versucht
sie vielleicht kennenzulernen, damit es endlich Ruhe gibt, aber wir mochten sie einfach nicht.
Sie war von ihrer Art her irgendwie komisch und wir konnten uns einfach beim Besten Willen nicht
vorstellen mit ihr befreundet zu sein. Die andere Freundin, kam in ein Zimmer wo sie die Mädels dort
auch nicht mochte und das hatte uns noch wütender gemacht.
Und dann kamen wir irgendwann auf die vermutlich dümmste Idee überhaupt.
Wir haben uns in den Kopf gesetzt künftig gemein zu ihr zu sein, damit sie nicht mehr mit uns
befreundet sein will; unser größter Fehler.
Das war wohl die Grenze zum Mobbing hin, die wir überschritten haben, ohne dass es uns bewusst war.
Ich weiß noch ganz genau, das wir uns als Opfer gesehen haben, da wir nicht verstanden hatten,
warum wir gezwungen wurden sie zu mögen.
Im weiteren Verlauf wurden wir irgendwann zu einem Gespräch mit unserer Klassenlehrerin gerufen,
die uns klar machte, wie enttäuscht sie von uns war. Wir fühlten uns zu unrecht beschuldigt und auch
unverstanden. Denn egal wie oft wir versucht haben zu erklären warum wir so handeln, wir wurden
nie angehört sondern an den Pranger gestellt. Wir haben einfach nicht verstanden, warum wir so
abgestempelt wurden. Nach diesen Gesprächen hatte das Mädchen uns gemieden, bis sie
letztendlich irgendwann im selben Jahr die Schule gewechselt hatte.
Wenn ich heute daran zurück denke, wird mir bei dem Gedanken, dass ich wohl mal einen Menschen
gemobbt habe, wenn auch eher "halbbewusst", echt schlecht.
Ich habe es als Kind nicht als mobbing gesehen und konnte damals auch nicht nachvollziehen, wo
genau das Problem lag. Heute find ich es immer noch nicht gerecht, Kinder zu zwingen mit jemanden
befreundet zu sein, den man nicht mag, aber wir waren nichtsdestotrotz viel zu unsensibel und
egoistisch. Wir haben nur gesehen, wie wir uns fühlen anstatt mal daran zu denken, wie es ihr gehen
könnte. Denn wir waren immerhin eine Gruppe von Freunden; sie war alleine.
Wenn ich könnte, würde ich gerne meinem 11-jährigen Ich sagen, was wir hätten anders machen
können und erklärt, warum das aus Sicht der Lehrer und des Mädchens durchaus als Mobbing
gewertet wurde.