Findet ihr euch hübsch?

  • Aus aktuellem Anlass wollte ich nochmal ein paar Worte dazu sagen.

    Ich habe zu dem Thema eine eher neutrale Haltung. Wenn ich in den Spiegel gucke, interessiert mich meist nur, ob ich einigermaßen frisch aussehe (für mich selbst und nicht für andere). Darüber hinausgehende Gedanken bedeuten für mich unnötigen Stress. Denn was wäre denn die Konsequenz, wenn ich zu der Erkenntnis gelangen würde, hässlich zu sein? Man sieht nunmal so aus, wie man aussieht. Würde ich mich also unter's Messer legen? Nein. Würde ich denn wenigstens mehr Zeit und Mühe ins Styling investieren? Nein. Würde ich mir andere Klamotten kaufen? Nein. Also warum sich selbst damit belasten, nur um sich dann eventuell von anderen irgendwelche Kalendersprüche anzuhören, man habe sich gefälligst einzureden, dass man sich selbst schön findet?

    Ich strebe da einfach eine von Vornherein relativ neutrale Einstellung an, die das (vor allem eigene) Aussehen gar nicht erst so stark gewichtet oder in den Mittelpunkt rückt.

    Auch jetzt noch stehe ich hinter meinem damaligen Beitrag. Nach wie vor glaube ich, dass es das Gesündeste wäre, eine neutrale Einstellung zu dieser Thematik zu haben. Nur liegen manchmal Welten zwischen dem, was man anstrebt, und der harten Realität.

    Meine Realität sieht so aus, dass ich seit dem Jugendalter phasenweise immer wieder sehr stark unter meinem Aussehen leide. Mir ging es nie darum, besonders hübsch zu sein, sondern einfach normal auszusehen. Wenn ich denn mal -was seeehr selten vorkam- den vagen Versuch unternahm, mit einer mir vertrauten Person darüber zu sprechen, kam mir stets Unverständnis entgegen, also habe ich nun viele Jahre damit verbracht, alleine damit klarzukommen.

    Trotz der Tatsache, dass diese Thematik tatsächlich auch mal viele kürzere und längere Phasen nur wenig relevant für mich war, es mir psychisch also viel besser ging, ändert dies absolut gar nichts daran, dass die "schlimmen" Phasen immer wiederkehren, jedes Mal mit voller Wucht. Letztendlich muss ich mir wohl endlich eingestehen, dass ich mein Aussehen (Körper+Gesicht) niemals akzeptieren werde können. Ich brauche wohl wirklich das Gefühl, ein normales Aussehen zu haben, um diesen ekelhaften und belastenden Stress nicht mehr empfinden zu müssen.

    Wenn dies bedeutet, dass ich mich dafür unter's Messer legen muss, dann soll es so sein. Manche Probleme kann man auf Dauer einfach nicht ignorieren oder durch "reden" lösen. Wer weiß, vielleicht bin ich am Ende des Tages auch nur ein Opfer unserer oberflächlichen Gesellschaft, ohne dass mir das wirklich bewusst ist. Vielleicht hat das auch rein gar nichts damit zu tun. Ich werde es wohl nie erfahren, also sollte ich mich ab jetzt darauf konzentieren, das was mich stört, tatsächlich zu verändern.

    "It's hard to win an argument with a smart person. It's damn near impossible to win an argument with a stupid person."

    ~ Bill Murray




  • Ich bin groß, kräftig und sehe mit Bart und Zopf auch recht kernig aus. Ich selbst würde mich als attraktiv bezeichnen aber wohl nur für Leute die diesen Typ Mann auch mögen.

    Wenn ich mich in Gesellschaft anderer Leute in meinem Alter bewege (erst recht hier auf dem Land), bin ich im Vergleich zu Anderen auf jeden Fall stilsicher und gepflegt unterwegs und man kann sich überall mit mir sehen lassen.

  • Wer weiß, vielleicht bin ich am Ende des Tages auch nur ein Opfer unserer oberflächlichen Gesellschaft, ohne dass mir das wirklich bewusst ist.

    Sartres "Die Hölle, das sind die anderen" umfasst ja, dass diese Hölle erst dann entsteht, wenn man sich zu abhängig von den Urteilen anderer macht. Gleichwohl zeigt das Gedankenexperiment eines einzelnen Menschen, der niemals andere Menschen gesehen hat oder von ihnen weiß, dass jede Form der Idenität aus dem Spiel zwischen Sehen und Gesehen werden besteht - in unserem Sinne hätte der völlig vereinzelte Mensch wohl gar keine Identität. Kurz: Selbstverständlich sind deine Gefühle das Produkt der anderen. Dennoch bleibt leider wahr, dass sich die intellektuelle Erkenntnis nicht zwangsläufig in emotionale Ausgeglichenheit verwandelt. Es ist eher ein Kampf gegen den Blick der anderen. Konzepte wie der "male gaze" usw. umfassen ja insofern diesen Ansatz, als dass sie erkennen, dass die Blicke der anderen (und leider auch die eigenen) sich nach männlichen Ästhetikkriterien richten. Das alles ändert nichts daran, wenn man den anderen einfach schlicht gefallen will und denkt, das wäre nicht der Fall. Das eigene Gefallen spiegelt das Gefallen der anderen.


    Edit:

    Hübsch ist mir als Mann ein zu feminines Wort um sich selbst zu beschreiben, ich ersetze es in meinem Fall mal mit schön:

    Mein Beileid.

  • Sartres "Die Hölle, das sind die anderen" umfasst ja, dass diese Hölle erst dann entsteht, wenn man sich zu abhängig von den Urteilen anderer macht.

    Ich verstehe deinen Punkt. Natürlich beeinflusst uns das Urteil der anderen, aber das bedeutet nicht, dass eigene, persönliche Empfindungen immer nur ein Spiegel dessen sind, was die Gesellschaft will.


    Sartre zeigt zwar, wie unser Selbstbild durch den Blick der anderen geprägt wird, er spricht aber auch von der Freiheit des Individuums und der damit verbundenen Verantwortung, das eigene Leben und Selbst zu gestalten. Ich denke, es sind weniger fremde Blicke, die ich auf eine Weise interpretiere, die mich in meinem Aussehen zweifeln lassen, sondern mein eigener (unvermeidlicher) Blick auf mich selbst.


    Für Sartre ist der Mensch dazu verurteilt, frei zu sein, und das bedeutet für mich auch, die Verantwortung dafür zu übernehmen, mein äußeres Erscheinungsbild so zu gestalten, dass ich den Konflikt, den ich mit mir selbst habe, bewältigen kann. Auch wenn gesellschaftliche Vorstellungen wohl immer irgendwie mit hineinspielen, geht es mir letztlich um meine eigene Freiheit, mit mir selbst im Einklang sein zu können. Äußerliche Veränderungen würden ein Schritt in die für mich "richtige" Richtung bedeuten. Ich sehe es als einen Versuch, endlich mit mir selbst ins Reine zu kommen, und nicht, vor gesellschaftlichen Normen zu kapitulieren (die mir übrigens nur selten gefallen).

    "It's hard to win an argument with a smart person. It's damn near impossible to win an argument with a stupid person."

    ~ Bill Murray