Jaymes
Ich fühle das kalte Metall des Revolvers an meiner Hand und beruhige mich langsam. Die Sicherheit dieser Waffe und dem Wissen, wie ich damit umzugehen habe, erleichtern mich doch sehr. Ich erinnere mich noch gut, als ich den Revolver bekommen hatte - voller Hass und ohne Selbstvertrauen. Rückblende:
Wir stehen bei einer verlassenen Anlage. Die Ruinen eines ehemals großen Gebäudes - vermutlich einer Lagerhalle - erstrecken sich vor mir und Miss Friedman. Überall wachsen kleine und größere Pflanzen, meist in grau oder einem kränklichen Grün, aus dem Betonboden. Die Wände sind vermodert und man hört hier und da das Knistern von kleinen Tieren, wie Ratten oder auch vereinzelte Nogs
, ca. 50 cm kleine, mutierte Goblins; harmlos für jeden Erwachsenen, aber in größeren Ansammlungen für Kinder oder unvorsichtigere Passanten können sie tödlich sein. Ich schaue mir die Umgebung genau an, vermeide es aber Miss Friedman in die Augen zu sehen. Als sie mich anspricht schaue ich daher demonstrativ in eine andere Richtung. "Also Jaymes, es ist Zeit für dich den Umgang mit der Waffe zu lernen! Hier in meinem Koffer habe ich sie.", sagt sie und deutet auf einen silbernen Metallkoffer. Fast bedächtig schwänke ich meinen Blick dorthin, vermeide aber weiterhin Blickkontakt. Die Waffe die sie herauszieht ist lang und sieht sehr befremdlich aus. Das Design hat etwas ... futuristisches, würde meine Mutter wohl sagen. Meine Blicke bleiben an der Waffe kleben und ich frage mich, was mich daran so fasziniert. "Dies ist die neuste Version der Militär-Schienenmagnums DST 101! Es ist keine ... sagen wir mal "handliche" Waffe. Dafür aber durchdringt sie so gut wie jede Rüstung von Dämonen, die wir kennen! Ich verrate dir aber gleich eins Vorweg: Dieses Ding ist nicht sehr beliebt unter Pistolenschützen, also wirst du kaum jemanden damit rumlaufen sehen. Der Grund dafür ist, dass wir Pistolenschützen vor allem über unsere Beweglichkeit einen Kampf gewinnen. Und dieses Ding hier hat keine gute Schussgeschwindigkeit - vom unglaublich starken Rückschlag mal abgesehen." Mit diesen Worten drückt sie mir die Waffe in die Hand. Entgeistert schaue ich ihr ins Gesicht. Das ist bestimmt mal wieder eine ihrer fiesen Methoden mich fertig zu machen! denke ich und blicke auf die Waffe. "Gut", sagt sie abschließend. "Jetzt wo das gesagt ist, machen wir uns ans Üben! Stell dich auf und triff eines der Ziele, die ich gleich aufstelle!" Während Sie die Ziele aufstellt, versuche ich mich etwas mit der Waffe vertraut zu machen. Sie ist ziemlich schwer und liegt in der Tat nicht toll in der Hand, aber das Gefühl, das ich bei dem Gedanken daran, was dieses Ding anstellen kann, bekomme ich ein leichtes Gefühl der Macht. Nachdem Miss Friedman ein paar Pappschilder aufgestellt hat, begebe ich mich auf den von ihr gewählten Platz und lege an. Ich nehme das Ziel ins Visier, mein Atem verlangsamt sich und meine Muskeln beginnen sich zu spannen. Das "In Ordnung Jaymes, feuer!" von Miss Friedman höre ich kaum. Mein rechter Zeigefinger bewegt sich langsam richtung des Abzugs. Dann ...
Ich liege auf dem Boden. Mein rechter Arm, mit dem ich vor kurzem noch die Waffe gehalten habe, brennt wie Feuer. Ich versuche mich aufzurichten und ignoriere dabei den stärker werdenden Schmerz. Ich versuche meine Gedanken zu Ordnen. "Was ne Bitch!" kommt mir als erstes in den Sinn, als ich an die Person denke, die mir die Magnum gab. Mein wütender Blick richtet sich auf Sie und ich wünsche mir mehr als je zuvor, sie möge doch sterben. Ich erwartete schon auf Ihrem Mund ein satanisches Grinsen zu sehen, aber ihr Gesicht hat einen starren, neutralen Gesichtsausdruck. "Deine Schulter ist wahrscheinlich ausgekugelt", erläutert Sie, "... Aber schau mal, was das Geschoss angerichtet hat!" Mit Ihrem rechten Arm zeigt sie hinter sich auf mein anvisiertes Ziel. Die ca. 80 cm breite Pappscheibe ist fast komplett durchlöchert und ist in tausende Teile zerfetzt. Wow! Was für eine Durchschlagskraft!
Heute:
Auch wenn ich es damals nicht verstand und mir mein erster Versuch 3 Tage höllische Schmerzen einbrachte, heute verstehe ich, warum sie mir ausgerechnet diese Waffe gab: Bei einem Pistolenschützen gehört alles zur Ausbildung, sogar die Wahl seiner Waffe. Und als höherer Halbdämon habe ich körperliche Defizite, die ich durch diese Waffe wett machen soll. Außerdem lehrt mich die Waffe, jeden Schuss genaustens zu planen, wenn ich nicht sterben bzw. verlieren will.
Mein Blick richtet sich von der Waffe auf Radamael. Ich balle meine linke Faust. Jetzt zeig ich, was ich kann!