Rose Gibson
Der Mann neben mir hat sich, seitdem ich ihn das letzte Mal angeschaut habe, kein bisschen bewegt. Er kauert immer noch am anderen Ende der Zelle und Atme schwer vor sich her. Aber wenn ich mich recht entsinne, war das auch erst vor wenigen Minuten.Das Schloss einer Zelle wird geöffnet und ich drehe mich in die Richtung, aus der das klackende Geräusch kam. Doch schaue ich nur auf den mittleren Zellenblock, der mir die Sicht versperrt. Ich drehe mich wieder meinen Zellengenossen zu, als aus derselben Richtung ein mir bekanntes Ächzen kommt. Ich sehe Riley vor mir, wie er meine Faust ins Gesicht bekommt. //Riley!// Ein Moment vergeht und hinter dem Zellenblock kommt eine Wache in mein Blickfeld. Riley wird an den Haaren hinterhergezogen und kurzerhand an die Wand gekettet. Ein Schlag trifft ihn in sein Gesicht und Blut tropft ihm aus Mund und Nase.
Kälte überkommt mich und läuft mir den Rücken hinunter. Meine Beine verlieren ihre Kraft und sind kurz davor, mich auf die Knie zu stürzen. Doch dann kommt er wieder, der eine Gedanke: Ich gegen alle, nur mein Überleben ist noch wichtig.
Das Rot der untergehenden Sonne färbt Atlanta. Am Rand der Wohngebiete zeichnen die verlassenen Häuser und die verwilderten Bäume lange Schatten auf den gebrochenen Asphalt. Vögel piepsen fröhlich, verstummen und erheben sich in den Himmel. Stille folgt. Zuerst hört man nur ein Rauschen, dann ein Brummen, zudem sich das Knirschen von Steinen unter Gummi gesellt. Aus einer Seitenstraße biegen mehrere SUV’s, Transporter und auch ein Humvee, der sich an die Spitze der Kolonne stellt. Leise arbeiten die Motoren und erfüllen die leeren Straßen mit einer ungewissen Gefahr. Nur einen Moment später ertönen aufgeregte Stimmen vom Ende der Straße. Die Mauern um das Lagerhaus füllen sich und als der Humvee in Schussweite kommt, prasseln die ersten Salven auf das gepanzerte Chassis.Ohne von seinem Kurs abzuweichen precht der Geländewagen voran, nimmt Geschwindigkeit auf und öffnet seine Türen abgewandt von dem Lagerhaus. Schäfte luken über das Dach und erwidern die Salven. Dumpfe Schreie sind die Antwort. Der Humvee kommt am Ende der Barrikade zum Stehen und die anderen Wagen halten in Kreisformation um das Lagerhaus herum. Die Salven werden mehr und aus dem anfänglichen Frage-Antwort-Spiel wird ein unverständliches Pfeifen der Kugeln und Knallen der Schüsse.
Mehr und mehr Wagen öffnen ihre Türen und Gruppen aus jeweils vier Personen rennen an die Mauer. Leitern werden angebracht und die Befreiung beginnt.
Grünes Gras und Wind, der mir über mein Gesicht streichelt. Die Sonne wärmt meinen Körper und alles ist so wie es war… Schüsse reißen mich aus dem Schlaf. Chaos herrscht in der Halle. Die Wachen rennen mit gezogenen Waffen zum Ausgang und die Gefangenen haben ihre Stummheit abgelegt und diskutieren wild mit ihren Nachbarn. Auch meiner hat sich aus seiner Trance gelöst und schlägt mit den Fäusten gegen die Gitterstäbe.
“HA! Ich hoffe, ihr sterbt! Die Zeit der Rache”, eine Kugel durchdringt seinen Kopf und sprengt seinen Hinterkopf. Sein Körper rutscht an den Gittern hinunter und seine Knie klappen zusammen. Für einen Moment sieht es so aus, als würde er hocken, doch sein Gewicht zieht ihn nach hinten.
“Noch sind wir nicht tot!”, entgegnet die Wache mit bebender Stimme und folgt seinen Kollegen.
Ich starre für einen Moment auf das rote Loch in der Stirn des Mannes, bevor mich die immer lauter werdenden Schüsse von draußen wieder auf andere Gedanken kommen lassen. //Das ist die Chance!/ Ich schaue mich um, finde jedoch nichts, was mir beim Ausbruch helfen könnte. Also heißt es wieder abwarten und hoffen.